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Sachwerte
28. September 2021
Fondsangebot: „Corona-Krise hatte erhebliche Auswirkungen“
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Fondsangebot: „Corona-Krise hatte erhebliche Auswirkungen“

Die Auflage und der Vertrieb alternativer Investmentfonds (AIFs) und Vermögensanlagen haben unter der Corona-Krise stark gelitten. Und sie dürfte auch weiterhin Auswirkungen auf das Produktangebot haben. Entscheidend für die künftige Entwicklung des Marktes sind Scope zufolge die Folgen der Corona-Krise.

Interview mit Stephanie Lebert, Director Alternative Investments, und Sonja Knorr, Executive Director, Head of Alternative Investments bei Scope Analysis
Frau Lebert, Sachwerte stehen bei Anlegern an sich hoch im Kurs. Gerade Immobilien sind in der Corona-Krise noch beliebter geworden. Dennoch gibt es auch in diesem Jahr weiter kaum neue Sachwertprodukte im Vertrieb. Woran hakt es bei der Neuauflage?

Stephanie Lebert: Während die geschlossenen Publikums-AIFs in den Jahren 2017 bis 2019 einen deutlichen Volumenanstieg aufwiesen und das prospektierte Eigenkapitalvolumen in den Jahren 2018 und 2019 jeweils die 1-Mrd.-Euro-Schwelle überschritt, wurde dieser Aufwärtstrend im Jahr 2020 mit einem Angebotsvolumen in Höhe von rund 839 Mio. Euro gestoppt.

Aus Sicht von Scope hatte besonders die Corona-Krise seit 2020 erhebliche Auswirkungen auf das Produktangebot im Anlagesegment der Publikums-AIFs. Geplante bzw. bereits strukturierte AIFs wurden nicht in den Genehmigungsprozess gegeben und bei Produkten mit bereits erhaltener Vertriebszulassung erfolgte zum Teil kein Vertriebsstart. Auch fehlten 2020 großvolumige Fonds. Im ersten Halbjahr 2021 wurden mit 16 Publikums-AIF ebenso viele wie im Vorjahreszeitraum von der BaFin zum Vertrieb zugelassen. Das prospektierte Eigenkapitalvolumen stieg aber wieder um rund 23% gegenüber dem ersten Halbjahr 2020 an. Aber auch das aktuelle Hochpreisumfeld der Märkte macht den Anbietern zu schaffen und lässt nur noch eingeschränkt die Strukturierung von Produkten mit einer attraktiven Renditeerwartung zu.

Auch Vermögensanlagen nach dem Vermögensanlagengesetz kommen nicht in Tritt. Kämpfen sie mit ähnlichen Problemen oder kommen hier spezifische Probleme wie etwa auch der P&R-Skandal hinzu?

Stephanie Lebert: Ja und ja. Während die Publikums-AIFs im Zeitraum 2017 bis 2019 zulegen konnten, entwickelten sich die Vermögensanlagen im selben Zeitraum in die entgegengesetzte Richtung. Das zu platzierende Kapital sank von rund 1,1 Mrd. Euro im Jahr 2017 auf 0,4 Mrd. Euro im Jahr 2020. Im ersten Halbjahr 2021 wurden elf Produkte mit einem zu platzierenden Volumen von rund 221 Mio. Euro an den Markt gebracht.

Im Jahr 2017 machten Direktinvestments noch 47% des Angebotsvolumens der Vermögensanlagen aus. 2020 waren es nur noch 0,3%. Begründet lag dies in der P&R-Insolvenz. Dieser erneute Imageschaden, den die Vermögensanlagen damit erlitten haben, führte zu einem weiteren Angebotsrückgang in den letzten Jahren in diesem Segment.

Darüber hinaus behielt die BaFin seit 2019 bestimmte Fallgruppen von Vermögensanlagen verstärkt im Blick: u. a. Blindpools, Direktinvestments mit (vermeintlichem) Eigentumserwerb, (Direkt-)Investments im Ausland mit erschwertem Zugriff auf Vermögenswerte, gestufte Nachrangdarlehen und Anlagen ohne Laufzeitende.

Was ist vor diesem Hintergrund von den beschlossenen Verschärfungen für Emissionen nach dem Vermögensanlagengesetz zu halten, die im Rahmen des Gesetzes zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes beschlossen wurden?

Stephanie Lebert: Grundsätzlich sieht Scope die weitere Regulierung positiv. Das Fehlen sowohl einer Verwahrstelle als auch eines umfassenden Risikomanagements stellen die größten Nachteile von Vermögensanlagen gegenüber regulierten AIFs dar. Denn beides schafft für Anleger ein höheres Maß an Sicherheit und Transparenz.

Durch das im Juni 2021 neu verabschiedete Gesetz sind unter anderem Blindpool-Konstruktionen bei Vermögensanlagen verboten und eine externe Mittelverwendungskontrolle für bestimmte Arten von Vermögensanlagen wird nun verpflichtend. Durch diese Änderungen nimmt das Regulierungsgefälle zwischen den strenger regulierten Publikums-AIFs des KAGBs und den weniger stark regulierten Vermögensanlagen weiter ab, was wir grundsätzlich begrüßen.

Deutlich besser als geschlossene Fonds läuft der Absatz offener Immobilienfonds. Wie schätzen Sie hier die aktuelle Lage ein?

Sonja Knorr: Auch diese Produktgattung blieb von den Auswirkungen der Corona-Krise nicht unbeeindruckt. Die Nettomittelzuflüsse sanken zwar, liegen aber weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Im Jahr 2019 lagen diese noch bei 10,4 Mrd. Euro. Im Jahr 2020 sind sie auf „nur“ noch 7,8 Mrd. Euro gesunken. Auch in diesem Jahr erwarten wir eine hohe Nachfrage bei den offenen Immobilienfonds. Die Performance der Gewerbeimmobilienfonds ist zwar weiter gesunken und liegt per 30.06.2021 bei durchschnittlich 2,2%, dies liegt aber weiterhin deutlich über dem Niveau, das sich derzeit zum Beispiel mit Staatsanleihen oder Termingeldern erzielen lässt.

Wie problematisch sind für offene, aber auch für geschlossene Immobilienfonds die Corona-Krise und die anhaltende Preisrallye an den Immobilienmärkten?

Sonja Knorr: Die langfristige Auswirkung der Covid-19-Krise auf die Immobilienmärkte lässt sich natürlich noch nicht final bestimmen. Das Mietausfallrisiko in den gewerblichen Nutzungsarten wird allerdings mit zunehmender Dauer der Krise steigen. Hiervon sind aktuell insbesondere die Segmente Hotel und Einzelhandel betroffen. Auch der durch die Pandemie etablierte Trend zum Home-Office könnte dauerhaft negative Auswirkungen auf die Rentabilität von Büroimmobilien haben. Allerdings gehen wir aktuell nicht davon aus, dass die Leerstände im Class-A-Bürosegment – die einen Großteil der Portfolios offener Immobilienfonds ausmachen – dauerhaft ansteigen. Dafür spricht auch die relative Preisstabilität in diesem Segment. Das Risiko steigender Leerstände trifft vor allem Immobilien in weniger attraktiven Lagen.

Große, breit diversifizierte Produkte können Probleme bei ein­zelnen Immobilien besser abfedern. Fonds, die sich auf Wohnimmobilien oder Investitionen im Bereich Nahversorgung fokussieren, erfreuen sich aufgrund ihrer Stabilität in der Corona-Krise aktuell deutlich gestiegener Beliebtheit. Allerdings steigen hier die Preise auch stark an, sodass eine selektive Ankaufsstrategie immer wichtiger wird.

Die Immobilienstandorte müssen immer stimmen, aber auch die Objekte müssen nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihrer Flexibilität und ihrer ESG-Ausrichtung umso sorgfältiger ausgewählt werden. Wir rechnen damit, dass aufgrund der aktuellen Zinspolitik die Immobilienpreise grundsätzlich auch weiterhin auf einem hohen Niveau bleiben werden.

Wird die Corona-Krise auch zukünftig noch erhebliche Auswirkungen auf den AIF-Markt haben?

Sonja Knorr: Die Corona-Krise wird weiterhin Auswirkungen auf das Produktangebot der Publikums-AIFs haben. Aktuell rechnet Scope mit einem Angebotsvolumen von weniger als 1 Mrd. Euro für das Jahr 2021. Entscheidend für die künftige Entwicklung sind die Folgen der Corona-Krise. Gerade für langfristige Anlagen in illiquide Vermögenswerte, für deren Entwicklung aktuell hohe Unsicherheiten bestehen, kann dies weiter zu negativen Auswirkungen im Angebotsvolumen und vor allem in der Angebotszusammensetzung führen. Beispielsweise Hotelfonds werden es jedoch in den kommenden Jahren schwer haben. Besonders im Segment der Business-, Messe- und Kongresshotels wird eine Erholung aktuell erst nach 2024 erwartet. Profiteure werden neben Wohnimmobilien die Bereiche Online-­Logistik sowie der Lebensmittel­einzelhandel sein.

Dürften Immobilienfonds den Markt auch weiterhin dominieren?

Sonja Knorr: Ja, das Angebot wird weiter durch die Asset-Klasse Immobilien bestimmt. Auf Jahressicht rechnen wir ähnlich wie 2020 mit einer Dominanz der Immobilienfonds, gefolgt von Private-Equity-Fonds. Aber auch das Segment Infrastruktur, insbesondere erneuerbare Energien, sollte vor allem nicht zuletzt unter ESG-­Gesichtspunkten attraktiv sein.

Das Interview lesen Sie auch in AssCompact 09/2021 und in unserem ePaper.

Bild: © ipopba – stock.adobe.com; Porträtfoto: Scope

 
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