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31. August 2022
Immobilienaktien mit Aufholpotenzial

Immobilienaktien mit Aufholpotenzial

Immobilienwerte gehörten im ersten Halbjahr 2022 zu den Underperformern an den Börsen. Berechtigter Abschlag oder günstiger Zeitpunkt einzusteigen? Die Differenz zwischen dem Börsenwert und dem Wert des Immobilienportfolios ist teils erheblich. Langfristig sind Immobilienaktien nicht so volatil wie häufig vermutet.

Ein Beitrag von Dr. Karim Rochdi, Mitgründer und Managing Partner von Aventos Capital Markets

Klimawandel, Corona-Pandemie, Lieferengpässe, Russlands Kriege in der Ukraine – die Welt ist im multiplen Krisenmodus. Nach etlichen praktisch zins- und inflationslosen Jahren sind zugleich die Teuerungsraten drastisch angestiegen und zwingen die Notenbanken zu restriktiverer Geldpolitik, trotz instabiler Konjunkturlage. Keine Frage: Für die Kursrückgänge an den Börsen seit Jahresbeginn lassen sich viele gute Gründe finden.

Immobilienaktien beziehungsweise Real Estate Investment Trusts (REITs) sind da keine Ausnahme – im Gegenteil: Sie hatten großteils sogar überdurchschnittliche Kursverluste zu verzeichnen. Deutschlands größter Wohnungskonzern und DAX-Mitglied Vonovia hat zeitweise doppelt so stark an Wert verloren wie der Leitindex. Anfang August lag die Börsenbewertung bei etwas mehr als 24 Mrd. Euro – gegenüber einem Nettovermögenswert (Net Tangible Value, NTV) der mehr als 500.000 Wohneinheiten des Konzerns von rund 50 Mrd. Euro. Auf dieser Basis liegt die prognostizierte Dividendenrendite des Konzerns bei mehr als 5%t – während Wohnimmobilien in deutschen Metropolen zumeist zu Ankaufsrenditen von 3% gehandelt werden.

Ob diese Bewertung günstig oder teuer ist, muss jeder Anleger selbst entscheiden. Aber sind diese Abschläge fundamental gerechtfertigt? Begründungen ließen sich auch hierfür finden, wenn man auf den Immobilienmarkt schaut: Die Branche spürt zweifellos Gegenwind. Die gestiegenen Zinsen verteuern die Finanzierung von Ankäufen sowie Bau- oder Sanierungsvorhaben, auch die Baukosten sind volatil und nur schwer abschätzbar. Zudem war das Niedrigzinsumfeld jahrelang ein Treiber für Bewertungsexzesse, höhere Zinsen dürften zu Korrekturen führen.

Immobilien sind weiterhin ein Stabilitätsanker

Dennoch gibt es gute Gründe, gerade in unsicheren Zeiten in Betongold zu investieren. Denn Immobilien sind Sachwerte, die auch bei starken Marktverwerfungen ihren Nutzwert behalten und relativ stabile Erträge aus Vermietung oder Verpachtung generieren. Das gilt gerade auch für Wohngebäude, die ein Grundbedürfnis bedienen, das unabhängig von Marktphasen befriedigt werden muss. Extreme Wertkorrekturen sind darum bei Immobilien grundsätzlich seltener als bei den meisten anderen Vermögenswerten. Eine Beimischung mit Immobilien kann deshalb für mehr Stabilität und Resilienz im Anlageportfolio sorgen.

In der aktuellen Marktphase besteht das Unterangebot an Wohnraum fort und stützt die Bewertungen von Wohnimmobilien. Andere Immobilienmarktsegmente profitieren von langfristigen Trends. So treibt die demografische Entwicklung in den westlichen Ländern mit zunehmendem Durchschnittsalter der Bevölkerung die Nachfrage nach Healthcare-Immobilien wie Kliniken und Pflegeheimen. Die Corona-Pandemie hat für eine dauerhaft verstärkte Nachfrage nach Life-Science-Immobilien mit Laboren etwa für biotechnologische und Impfstoffforschung und -entwicklung gesorgt. Logistikimmobilien profitieren vom fortschreitenden Digitalisierungstrend.

Immobilienaktien gleichen langfristig mehr Immobilien als Aktien

Diese Eigenschaften schlagen sich langfristig auch in der Entwicklung von Immobilienaktien nieder, also Aktien börsennotierter Immobilienunternehmen, zu denen auch die REITs gehören. Gegenüber einem Direktinvestment in Immobilien sowie klassischen Immobilienfonds – alternative Investmentfonds (AIFs) – bieten sie zahlreiche Vorteile: Anleger können an der Entwicklung des Immobilienmarkts partizipieren und haben eine breite Auswahl von Tausenden unterschiedlichen Werten weltweit, um ein individuelles, diversifiziertes Portfolio aufzubauen. Im Gegensatz zu direkt erworbenen Objekten sind Immobilienaktien einfach und schnell handelbar. Auch gegenüber AIFs weisen sie eine bessere Handelbarkeit und geringere Transaktionskosten auf.

In der Vergangenheit hat sich die Bewertung von Immobilienaktien eher an den Immobilienmärkten als an den Aktienmärkten orientiert. Bei langfristiger Betrachtung zeigt sich immer wieder, dass sich Immobilienaktien weniger volatil verhalten als der breite Aktienmarkt – was unter anderem damit zusammenhängt, dass auch die Ertragsbasis zumeist stabiler ist. Immobilienaktien korrelieren somit stärker mit den Immobilien- als mit Aktienmärkten.

Abschläge auf den Substanzwert zügig ausgeglichen

Wenn die Marktkapitalisierung von Immobilienfirmen – wie derzeit häufig der Fall – im Zuge allgemeiner Börsenflauten unter deren Substanzwert sank, wurde dieser Abschlag in der Regel zügig wieder ausgeglichen. In Deutschland ist das noch nicht der Fall, aber weltweit haben REITs – gemessen am FTSE EPRA Nareit Global – einen großen Teil ihrer Verluste wieder aufgeholt und stehen besser da als ein Vergleichsindex wie der MSCI World; im größten REIT-Markt USA sind sie inzwischen klare Outperformer.

Das alles entbindet den Anleger aber nicht von der Aufgabe, sich jeden einzelnen Wert genau anzuschauen, wie zuletzt der Fall Adler Real Estate gezeigt hat. Wichtige Fragen sind, ob die einzelnen Immobilien im Bestand realistisch bewertet sind, ob das Portfolio bestimmte Klumpenrisiken aufweist und ob es Schwerpunkte auf Märkte gibt, die besondere Zukunftschancen versprechen. Immer bedeutender wird auch, dass die Objekte auf kommende Anforderungen an ökologische und soziale Nachhaltigkeit gut vorbereitet sind.

Wer diese Analysen nicht leisten kann oder möchte, der kann auf spezialisierte, aktiv gemanagte Fonds zurückgreifen. Ob in Eigenverantwortung oder über Fonds: Ein auf Basis kundiger Analyse zusammengestelltes, diversifiziertes Portfolio von Immobilienaktien bietet gute Chancen, ein Vermögen vor den Unwägbarkeiten des aktuellen Umfelds zu schützen. Vor diesem Hintergrund stellen die immer noch bestehenden Kursverluste vielleicht einen günstigen Einstiegszeitpunkt dar.

Bild: © Who is Danny – stock.adobe.com; Porträtfoto: © Aventos