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27. Februar 2020
Immobilienbewertung 2020: Umdenken allerorten

Immobilienbewertung 2020: Umdenken allerorten

Immobilienbewertungen sind das A und O jeder Immobilientransaktion. Käufer, Verkäufer, Banken und Vermittler sind auf seriöse Wertermittlungen angewiesen. Diese sind nicht nur von Fakten, sondern auch von großen Branchen und Trends abhängig. 2020 dürften mehrere Top-Themen die Immobilienbewertung bestimmen.

Von Jochem Kierig, Bereichsleiter Software- und Researchprodukte sowie Grundsatzfragen (CPO) der Sprengnetter GmbH

Mit großen Erwartungen ist die Welt in das Jahr 2020 gestartet. Welche Entwicklungen sind in Gesellschaft, Ökonomie und Ökologie zu erwarten? Viele aktuelle Trends betreffen jeden Menschen in seinem Privatleben, ziehen aber auch in der Wirtschaft weite Kreise. Zwei Top­themen, die das neue Jahr in der Immobilienbewertung bestimmen werden, sind Sustainable Finance und die zunehmende Mietenregulierung.

Trend 1: Nachhaltige Immobilienfinanzierung wird 2020 eines der zentralen Themen für Kreditinstitute

So stark das letzte Jahr von Fridays for Future, Greta Thunberg und dem Klimawandel geprägt war, so intensiv gehen die Diskussionen auch 2020 weiter. Insbesondere durch das Pariser Klimaabkommen und die UN-Agenda 2030 werden neue Anforderungen an Regierungen und Wirtschaft gestellt. Deutschland plant, bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen um etwa die Hälfte im Vergleich zu 1990 zu senken. In der Folge haben sich auch die Anforderungen an Banken geändert: Einer der zentralen Vorschläge der EU-Kommission bezieht sich auf ein Nachhaltigkeitsklassifizierungssystem. Darüber hinaus gibt es Ideen für einen EU-Green-Bond-Standard sowie ein Label für grüne Finanzprodukte, das bereits in diesem Jahr eingeführt werden soll. Der Druck auf die Banken wächst und führt dazu, dass sich der bereits begonnene Wandel des Bankensektors hin zu Sustainable Finance und dem verstärkten Handel mit Green Bonds 2020 fortsetzen wird. Für die Kreditgeber wird es daher immer wichtiger zu dokumentieren, wie hoch der Anteil „grüner Kredite“ im Portfolio aktuell ist, und vermehrt Anreize für die energetische Ertüch­tigung der Immobilien zu schaffen.

Eine Herausforderung für die Banken ist allerdings, dass die Informationen zur Energieeffizienz der in der Vergangenheit finanzierten Immobilien oft nicht vorliegen. Dadurch ist weder nachvollziehbar, wie „grün“ laufende Immobilienkredite sind, noch für welche der bisherigen Kreditnehmer ein Angebot über einen Sanierungskredit relevant sein könnte. Sprengnetter verfügt über eine der größten deutschen Immobiliendatenbanken und hat als größter Energieausweisersteller in Deutschland ein Tool entwickelt, das die hinterlegten Energieausweisdaten auswertet und präzise Prognosen für die Energieeffizienzklasse aller Immobilien in Deutschland bestimmen kann. So können Banken auch kurzfristig ihr Immobilienportfolio in Bezug auf Nachhaltigkeit analysieren, Strategien entwickeln und ihren Kunden passende Finanzierungsangebote unterbreiten.

Viele Eigentümer sind sich der Vorteile nicht bewusst

Allerdings sind sich viele Eigentümer nicht bewusst über sämtliche Vorteile nachhaltiger Immobilien. Wer durch Sanierung einer Bestandsimmobilie den Energieverbrauch senkt und die CO2-Bilanz verbessert, spart nicht nur Energiekosten. Er steigert nachhaltig das Image und den Wert seiner Immobilie. Zudem werden die Sanierungsmaßnahmen steuerlich und durch KfW-Programme stark gefördert. Neben der Lage ist die Energieeffizienz einer Immobilie heute eines der wichtigsten Kriterien für die Kaufentscheidung und somit für den Wert der Immobilie. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, hat Sprengnetter im Dezember 2019 den Effizienzhaus-Standard und die Energieeffizienzklasse in seine Bewertungssoftware für Finanzinstitute als Wertindikatoren integriert.

Trend 2: Zunehmende Auswirkung der Mietregulierungsmaßnahmen auf die Immobilienpreise

Neben der Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsaspekts bei der Kreditvergabe haben auch die verschiedenen Vorhaben zur Mietenregulierung 2020 starke Auswirkungen auf Miet-, Markt- und Beleihungswerte von Immobilien. Die bundesweite Mietpreisbremse oder der diskutierte Mietendeckel in der Hauptstadt verändern den Wert von Mietwohnobjekten teilweise bereits vor Inkrafttreten diskutierter Gesetze.

Beispiel Berlin: Der Mietendeckel wird frühestens für Anfang März erwartet und aktuell ist noch unklar, ob er in Form des vorliegenden Gesetzentwurfs in Kraft treten wird. Trotzdem gibt es Anzeichen dafür, dass die Diskussionen im Vorfeld bereits dazu geführt haben, dass die Kaufpreise von Mietwohnobjekten in Berlin um etwa 15% gesunken sind.

Die unternehmenseigenen umfangreichen Mietdaten von Sprengnetter zeigen jedoch, dass aktuell viele Bestandsmieten ohnehin unter dem Mietendeckel liegen. Die aktuellen Roherträge dieser Immobilien würden somit weniger stark sinken als vielerorts angenommen. Was sich hingegen negativ auf die Immobilienwerte auswirken wird, ist das durch den Mietendeckel bewirkte geringere Mietpreissteigerungspotenzial sowie die infolge der Marktregulierung große Unsicherheit des Marktes.

Ein weiteres Instrument zur Regulierung der Mieten wird in diesem Jahr ebenfalls einige Veränderungen mit sich bringen. Am 01.01.2020 ist das „Gesetz zur Verlängerung des Betrachtungszeitraums für die ortsübliche Vergleichsmiete“ in Kraft getreten. Wird für ein Mieterhöhungsbegehren als Begründungsmittel ein Gutachten herangezogen, so hat der Gutachter bisher die maßgebliche Miete auf Basis der in den letzten vier Jahren vereinbarten Mieten bestimmt. Jetzt wurde die Länge des Betrachtungszeitraums hierfür und auch für die Ermittlung der Mietwerte eines Mietspiegels auf sechs Jahre angehoben. Dadurch sollen sich kurzfristige Schwankungen des Mietwohnungsmarktes geringer auf die ortsübliche Vergleichsmiete auswirken und der Anstieg der ortsüblichen Vergleichsmiete gedämpft werden.

Trend 3: Vorverlagerung der Immobilienbewertung auf den Vertrieb

Schnelle, zuverlässige und einfache Bewertungsmöglichkeiten werden auch deshalb immer wichtiger, weil Aufgaben wie Immobilienbewertungen, Objektbesichtigungen und Unterlagenbeschaffung zunehmend von der Kreditsach- und -folgebearbeitung der Banken auf Vertriebe vorverlagert werden. Die Kreditgeber sparen so Personal, während die Vermittler davon profitieren, die Prozesse zu beschleunigen und transparenter zu machen.

Für diesen Trend hat Sprengnetter das in der Branche weitverbreitete Wertermittlungstool Five2Click entwickelt. Dank dieser Lösung können Vertriebspartner der Bank optimal die Erfolgsaussichten eines Kreditantrags abschätzen, ihre Kunden entsprechend beraten und zugleich fehlende Unterlagen auf Knopfdruck beschaffen.

Trend 4: Immobilienpreise steigen 2020 weiter

Trotz all dieser Entwicklungen setzt sich der Anstieg der Immobilienpreise fort. Allerdings war 2019 das Wachstum etwas weniger stark ausgeprägt als 2018. Lag der durchschnittliche Preisanstieg für Ein- und Zweifamilienhäuser, Eigentumswohnungen sowie Mehrfamilienhäuser in den Jahren 2017 und 2018 noch bei 8,2%, betrug er 2019 nur 6,7%. Auffallend ist, dass die Immobilienpreise besonders stark im weiteren Umfeld von Metropolen ansteigen. Hier lagen sie 2019 mehr als 10% über dem Niveau von 2018.

Ursache dafür dürfte vor allem sein, dass in den Großstädten das Angebot an bezahlbarem Wohnraum erschöpft ist und der Bedarf nicht mehr abgedeckt werden kann. In der Hauptstadt sind die Preise zwischen 2010 und 2019 jährlich um rund 13% angestiegen. Erst die Diskussionen um den Mietendeckel brachten einen Umschwung. Ob die weiteren Maßnahmen zur Mietpreisbremse und die Verlängerung des Betrachtungszeitraums zur Bemessung der ortsüblichen Vergleichsmiete einen ähnlichen Effekt erzielen, bleibt abzuwarten.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2020 auf Seite 66f und in unserem ePaper.

© tanu – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Jochen Kierig