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24. August 2022
Immobilienfinanzierung: „Monatliche Belastung im Blick“
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Immobilienfinanzierung: „Monatliche Belastung im Blick“

Infolge der gestiegenen Zinsen ist der Traum vom Eigenheim für viele teurer geworden. Wie verhalten sich potenzielle Käufer aktuell und worin bestehen derzeit die größten Herausforderungen in der Finanzierung? Nachgefragt bei Daniel Larisch, Vertriebsleiter bei der Engel & Völkers Finance Germany GmbH.

Herr Larisch, steigende Zinsen, die Inflation, die unsichere politische Lage und die Energiekrise – wie erleben Sie derzeit die Lage auf dem Immobilienmarkt?

Die Situation am Immobilienmarkt ist gerade auch für Privatkunden komplex: Durch den sprunghaften Zinsanstieg in den ersten Monaten des Jahres 2022 hat sich die Finanzierung deutlich verteuert. Die Kaufpreise hingegen sind in den meisten Lagen stabil geblieben. Auf der anderen Seite bleibt das Eigenheim nach wie vor ein großer Traum vieler Menschen: In einer Umfrage haben wir festgestellt, dass sich acht von zehn Deutschen eine eigene Immobilie wünschen. Gerade auch in Zeiten steigender Inflation bietet Betongold neben der emotionalen Komponente die Chance auf Wertstabilität. Zwei Faktoren, auf die Käuferinnen und Käufer aktuell großen Wert legen, sind die Lage und die Energieeffizienz. Diese Aspekte wurden vor den Krisen etwas vernachlässigt, bekommen nun aber einen hohen Stellenwert.

2. Wie nehmen Sie die Reaktion der Kunden wahr, die ja zunehmend verunsichert sind? Herrscht Hektik oder üben sich potenzielle Käufer in Zurückhaltung?

In den Beratungsgesprächen erleben unsere Finanzierungsexpertinnen und -experten bei vielen Interessenten eine Verunsicherung. Die große Frage aktuell lautet: Wie viel Haus kann ich mir noch leisten? Während des Zinsanstiegs im ersten Quartal 2022 haben einige Käuferinnen und Käufer noch zugeschlagen und schnell eine Immobilie erworben. Im zweiten Quartal war die Zurückhaltung deutlich zu spüren.

Erleben Sie bereits einen Rückgang der Nachfrage?

Wir würden eher von Abwarten sprechen. Mussten Finanzierungen vor dem Zinsanstieg möglichst schnell gesichert sein, so lassen sich die Kundinnen und Kunden heute mehr Zeit. Die Dynamik ist deutlich abgeflacht. Grundsätzlich ist der Traum von der eigenen Immobilie aber nach wie vor existent. Viele scheinen abzuwarten, wie sich die Märkte entwickeln. Bleibt die Inflation auf diesem hohen Niveau, was ja auch die Lebenshaltungskosten beeinflusst? Fallen die Zinsen oder fallen gar die Immobilienpreise?

Welche Kriterien sind für Kaufende aktuell wichtig bei der Immobilienfinanzierung?

Hier sehen wir eine Verschiebung: Noch vor einem Jahr lag der Fokus klar auf dem Zins. Dieser sollte möglichst niedrig sein, dafür wurden auch kurze Zinsbindungen gewählt. Aktuell liegt der Blick eindeutig auf der monatlichen Belastung. Die soll leistbar sein. Und dafür gibt es einige Stellschrauben: Zinsbindungsdauer, Sondertilgungen oder auch die Tilgungshöhe sind hier zu nennen.

Worin besteht denn aktuell die größte Herausforderung im Bereich der Immobilienfinanzierung?

Das hängt natürlich immer von der individuellen Situation der Finanzierenden ab. Allgemein lässt sich sagen: Möglichst niedrige Zinsen bei möglichst langer Zinsbindung funktionieren ebenso wenig wie hohe Tilgung und niedrige Rate. Das galt auch schon vor dem Zinsanstieg, bekommt angesichts des gestiegenen Zinsniveaus nun aber eine neue Bedeutung. Wer eine möglichst niedrige Rate haben möchte, wird vermutlich keine lange Zinsbindung eingehen und erst recht keine hohe Tilgung leisten können.

Durch die aktuell hohe Inflation haben die finanzierenden Banken zudem die Haushaltskostenpauschalen nach oben angepasst. Das bedeutet, dass die leistbare Rate bei gleichem Einkommen und gleicher Finanzierungssumme eigentlich sogar niedriger liegt als noch vor einem Jahr.

Nach dem starken Anstieg der Zinsen im ersten Halbjahr 2022 war zuletzt eine kurzzeitige Entspannung zu beobachten. Was erwarten Sie für den weiteren Jahresverlauf?

Eine Zinsprognose ist weiterhin schwierig, aktuell ist es tatsächlich der berühmte Blick in die Glaskugel. Wir gehen nicht davon aus, dass die Zinsen in diesem Jahr noch einmal so sprunghaft steigen wie in den ersten Monaten. Ein erneutes Anziehen auf moderatem Niveau ist aber durchaus denkbar.

Was ist Immobilienkäufern derzeit zu raten? Abwarten oder jetzt schnell kaufen?

Panik ist nie ein guter Ratgeber. Wer seine Traumimmobilie gefunden hat, sollte jedoch kaufen, auch wenn die Finanzierung nun teurer ist als noch vor einem Jahr. Der Zins ist nur einer von ganz vielen Faktoren beim Immobilienerwerb. Und verglichen mit dem Zinsniveau vor 20 Jahren sind die Zinsen immer noch niedrig.

Nun haben steigende Zinsen ja auch Auswirkungen beim Thema Umschuldung. Was ist hier zu beachten?

Wir empfehlen allen Kreditnehmerinnen und Kreditnehmern, deren Immobilienfinanzierung in den nächsten Jahren ausläuft, sich frühzeitig mit dem Thema Anschlussfinanzierung zu beschäftigen. Diese ist übrigens bei jedem Darlehensgeber möglich, nicht nur bei dem Institut, das ursprünglich finanziert hat.

Möchte man sich heute bereits die Zinsen für eine Finanzierung sichern, die erst in einigen Monaten oder Jahren zu laufen beginnt, so kommt ein sogenanntes Forward Darlehen in Frage. Hier gibt es einen kleinen Trost mit Blick auf die gestiegenen Zinsen: Die Aufschläge für Forward Darlehen haben sich nicht verändert. Sie betragen etwa 0,3 Prozentpunkte auf den aktuellen Zins, wenn man sich das Darlehen 36 Monate im Voraus sichert. Was noch vor einem Jahr bei Zinsen von 0,6% viel erschien, relativiert sich nun.

Bild: © PIC SNIPE – stock.adobe.com

 
Interview mit
Daniel Larisch