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4. August 2021
Immobilienfinanzierungen: Effizienz und Professionalität durch die Blockchain

Immobilienfinanzierungen: Effizienz und Professionalität durch die Blockchain

Die Blockchain-Technologie könnte die Finanzierung von Immobilienprojekten zukünftig entscheidend prägen. Transparente Angebote, beschleunigte Prozesse und schnellere Transaktionen gehen mit der neuen Technologie einher. Und kostengünstiger wird es auch noch.

Von Martin Cichowski, Head of Product and Technology bei Linus Digital Finance

Die Digitalisierung verändert unser Leben, Arbeiten und Wirtschaften. Auch in der Immobilienfinanzierung hat sie bereits Spuren hinterlassen. Kauf- und Verkaufsangebote und deren Konditionen können über Vergleichsportale geprüft und Verträge online eingesehen werden. Dies ist ein Anfang – und dennoch fast schon Geschichte. Denn während sich die vom Mittelstand geprägte Immo­bilienwirtschaft erst langsam neuen Technologien nähert und den Nutzen digitaler Plattformen für sich entdeckt, haben Anlage­klassen wie Aktien und Anleihen schon einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht: Digitale Investmentplattformen sind hier längst keine Zukunftsmusik mehr, sondern häufig schon gängige Praxis.

Blockchain und Smart Contracts auf der Überholspur

Genau das dürfte bald auch für die Blockchain gelten – die virtuelle Verkettung von Datensätzen, die es Unternehmen ermöglicht, Geschäfte schnell und sicher abzuwickeln und Prozesse effizienter zu steuern.

Bislang ist den meisten Menschen dieses Verfahren hauptsächlich durch Transaktionen von Digitalwährungen wie Bitcoin bekannt. Aber diese Technologie ist flexibel einsetzbar, wie die Experimente zahlreicher Großbanken längst gezeigt haben. So hat beispielsweise der Autokonzern Daimler schon 2017 im Rahmen eines Pilotprojekts über die Landesbank Baden-Württemberg ein Schuldscheindarlehen rein digital platziert: Initiierung, Platzierung, Zuteilung und Vertragsabschluss bis hin zu den Zins- und Rückzahlungen – alle Vorgänge wurden auf einer Blockchain digital abgebildet.

Das Ergebnis des Piloten: Der Aufwand wurde enorm reduziert und sparte viel Zeit, weil sich bislang manuelle Arbeitsschritte mithilfe der neuen Technik automatisieren ließen. Statt zeitaufwendig zu unterzeichnende Dokumente hin- und herzuschicken, schafften „Smart Contracts“ Abhilfe. Diese in der Blockchain hinterlegten Computerprotokolle bildeten die Ver­träge in Code ab und führten sie automatisch aus.

So läuft Immobilienfinanzierung über eine Blockchain ab

Wie so eine Blockchain aus Investorensicht bei einer Immobilien­finanzierung funktionieren kann, lässt sich anhand eines Beispiels aus der Praxis von Linus Digital Finance demonstrieren, einem Blockchain-­gestützten Co-Investment, das den Umbau des AccessTowers in Frankfurt-Niederrad mitfinanziert – auch für Linus Digital Finance war das Neuland. Beim AccessTower können Anleger erstmals ein tokenisiertes Treuhandverhältnis abschließen.

Wie funktioniert das für Investoren in der Praxis?

Potenzielle Investoren stellen zunächst online ihre Anfrage. Das ist der erste Schritt zu mehr Transparenz, da alle denselben Weg beschreiten müssen und niemand bevorzugt behandelt wird. Jeder Anfragende muss sich online oder offline identifizieren. Danach erhalten Interessenten eine Zusammenfassung aller Angaben und die Verträge vorab zur Ansicht. Linus Digital Finance überprüft alle Angaben den Interessenten gemäß der Anforderungen an die Investoren und gibt erst nach positivem Ergebnis Zugriff auf die Tokenisierungsplattform.

Mit wenigen Klicks lässt sich eine individuelle digitale Geldbörse (Wallet) erstellen. Im Anschluss können alle Unterlagen herunter­geladen und eine zahlungspflichtige Bestätigung eingeleitet werden. Ist der Investor vom Angebot überzeugt, kann er die jeweilige Summe auf das Konto des Treuhänders überweisen und erhält im Gegenzug Token auf die von ihm eingerichtete Krypto-Geldbörse – und damit die mit ihrem Besitz verbundenen übertragbaren Treuhandverhältnisse mit allen Rechten und Pflichten einschließlich des Anspruchs auf die vereinbarten Zinszahlungen.

Auch an Dritte weiterreichbar

Theoretisch kann ein Investor seine Token auch an Dritte weiterreichen. In der aktuellen Praxis wollen Investoren lukrative Investitionen zwar eher halten als verkaufen, aber grundsätzlich können sie sie sowohl vollständig als auch teilweise veräußern. Dazu muss der Käufer/neue Investor dem Treuhänder, der gleichzeitig auch Betreiber der Plattform ist, namentlich benannt werden.

Erst wenn geklärt ist, dass der neue Investor alle Kriterien erfüllt, wird er für den Empfang der Token freigeschaltet. Sowohl Kaufvertrag als auch Abwicklung bedürfen nicht der Zustimmung des Treuhänders, in diesem Fall also Linus Digital Finance. Mit der Übertragung des Tokens wird dann auch das neue Treuhandverhältnis eta­bliert. Dabei ist auch eine partielle Übertragung möglich.

Generalist unter den Protokollen

Basis des digitalen Verfahrens, das all dies ermöglicht, ist der Generalist unter den Protokollen: die Ethereum-Blockchain. Der Vorteil: Ist man als Investor einmal angemeldet, können alle folgenden Transaktionen schnell, einfach, transparent und kostengünstig ausgeführt werden. Darüber hinaus ist dieses Blockchain-Verfahren sicher, weil es nachvollziehbar und dadurch manipulationssicher ist. Das ist ein weiterer Vorteil von Blockchain, der auf lange Sicht mit dazu beitragen wird, den gesamten Markt der Immobilienfinanzierung nicht nur transparenter, sondern auch professioneller zu gestalten.

Nicht mehr aufzuhalten

Noch stehen wir am Anfang einer Entwicklung. Diese ist aber nicht mehr aufzuhalten – in einer globalisierten Welt, in der Schnelligkeit in Kombination mit Sicherheit als entscheidende Kriterien den wirtschaftlichen Erfolg mitbestimmen werden. Bislang gibt es noch eine Vielzahl an Herausforderungen – vor allem regulatorischer Natur –, die angegangen werden müssen, um Blockchain als „Mainstream-Instrument“ zu etablieren. Grundsätzlich aber kann man zuversichtlich sein, dass in den kommenden zwei bis drei Jahren Blockchain – oder breiter gefasst: Distributed-Ledger-Technologie – zum Alltag gehören wird. Wenn notarielle Prozesse drastisch vereinfacht und ein Grundbuch problemlos digitalisiert werden könnten, wäre das ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu effizientem und modernem Arbeiten, das mit den neuen Technologien einhergeht. Die Grund­lagen dafür sind mehr Vertrauen in technologischen Fortschritt und mehr Mut zu Reformen.

Diesen Arikel lesen Sie auch in AssCompact 07/2021, Seite 70 f., und in unserem ePaper.

© thodonal – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Martin Cichowski