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23. Februar 2023
Infrastrukturanlagen als „Inflation-Hedge“
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Infrastrukturanlagen als „Inflation-Hedge“

Der Nachholbedarf bei der Infrastruktur ist groß. Brücken, Straßen, Bahnstrecken, Netze – die Liste könnte den gesamten Beitrag füllen. Fakt ist: Viele Staaten erhöhen ihre Ausgaben massiv. Das treibt das Wachstum der Vermögensbasis von Infrastrukturunternehmen an. Welche Chancen bieten sich hier für Anleger?

Ein Artikel von Peter Gorynski, Director Sales Retail für Deutschland bei Franklin Templeton

Totgesagte leben länger – die Inflation und drastisch steigende Rohstoffpreise haben sich mit Wucht zurückgemeldet. Die gute Nachricht für Anleger gleich vorweg: Infrastruktur ist gegen erhöhte Inflation nur wenig anfällig. Doch woher kommt diese „Teflon-­Beschichtung“ des Segments?

Was für die einen ein Fluch ist, ist für die anderen ein Segen. Während viele Unternehmen steigende Preise nicht ohne Auswirkung auf die Nachfrage weitergeben können (Nachfrageelastizität), werden Grunddienstleistungen unabhängig von der Konjunktur oder einer Rezession nachgefragt – und dies selbst bei steigenden Preisen. So ist unser Verbrauch von Wasser, Strom und Wärmeenergie relativ konstant, anders als bei Luxuskonsumgütern, beim Urlaub oder bei anderen verzichtbaren Produkten und Dienstleistungen. Hier hängt die Nachfrage stark von der Stimmung der Konsumenten ab, und die steht natürlich in Zusammenhang mit der Konjunktur.

Und ein zweiter Grund, weshalb die Anlageklasse ein guter Infla­tionsschutz ist: Bei vom Nutzer bezahlten Anlagen gibt es meist langfristige Verträge und wenig Mengenrisiko. Die Preise sind vertraglich festgelegt, doch oft können sie an kurzfristige Inflationsbewegungen angepasst werden, ganz oder zumindest teilweise.

Energiesicherheit erfordert neue Infrastrukturprojekte

Franklin Templeton ist der Ansicht, dass Infrastrukturanlagen 2023 von mehreren makroökonomischen Faktoren profitieren werden. Erstens ist die Sicherheit der Energieversorgung weltweit derzeit der vorrangige Faktor bei politischen Entscheidungen. Um diese Sicherheit zu erreichen, müssen umfangreiche Infrastrukturprojekte umgesetzt werden. Die hohen Gaspreise und die Versorgungsengpässe durch den Angriffskrieg Russlands haben die Bedeutung von Energie­sicherheit und Energieinvestitionen aufgezeigt. Das begünstigt die Energieinfrastruktur, insbesondere in Europa, wo zusätzliche Kapazität erforderlich ist, um die russischen Öl- und Gaslieferungen zu ersetzen, sowie in den USA, wo – teilweise zur Deckung der zusätzlichen Nachfrage aus Europa – neue Vorkommen erschlossen werden.

Verkehr und Kommunikation profitieren ebenfalls

Auch im Verkehrsbereich steigt die Nachfrage nach neuer Infrastruktur. Grund dafür sind die sich ändernden Handelsrouten und Anpassungen der Lieferketten. Diese werden vorgenommen, um die Produktion wieder ins nähere Umfeld zu holen, sei es durch ihre Verlagerung ins Inland oder in die Region. Die Flughäfen haben immer noch Schwierigkeiten, an die Fluggastzahlen aus der Zeit vor der Pandemie anzuschließen, und dürften durch eine globale Rezession im Jahr 2023 einen weiteren Dämpfer erhalten. Außerdem zeigen die langfristigen Trends etwa für Geschäftsreisen, dass die Branche vor Herausforderungen steht. Im Bereich Kommunikationsinfrastruktur wird das 5G-Netz weiter ausgebaut, die 6G-Technologie entwickelt und daran gearbeitet, die Netzwerklatenz zu reduzieren. Dazu werden erhebliche Investitionen in Mobilfunkmasten-Unternehmen getätigt, in der Regel im Rahmen langfristiger inflations­gebundener Verträge.

Inflation Reduction Act bringt Rückenwind für Energieversorger & Co.

Werfen wir nun einen Blick auf die US-Haushaltspolitik: Der Inflation Reduction Act (IRA), der im August 2022 verabschiedet wurde, ist eine der bedeutendsten Errungenschaften der Klimagesetzgebung in der Geschichte der USA. Das Gesetzespaket wird Franklin Templeton zufolge ganze Branchen grundlegend verändern, insbesondere den Versorgungssektor und den Bereich erneuerbare Energien. Angesichts der zunehmend drängender werdenden Elektri­fizierung – mit mehr Ladeinfrastruktur für Elektroautos und mehr Solaranlagen auf den Dächern von Wohnhäusern und kleineren Gewerbeimmobilien – sind neue Umspannwerke, neue Transformatoren und verbesserte Leitungen für die Verteilnetze erforderlich. Dies hat sich bereits in den Investitionsplänen der Versorger für 2023 niedergeschlagen, ebenso wie in den Auftragsbüchern von Unternehmen, die an der Energiewende beteiligt sind. Unternehmen, deren Wachstumsprofil sich dadurch verbessert, sind zum Beispiel Anbieter von erneuerbaren Energieträgern, Energiespeichern und Bauteilen.

Eine wichtige makroökonomische Botschaft des IRA lautet: Alles spricht dafür, von nun an nur noch erneuerbare Energien auszubauen. Der Hauptgrund? Steuervorteile. Steuervergünstigungen für die Produktion von Solar- und Windenergieanlagen können bis 2032 oder bis zum Erreichen einer 75-prozentigen Verringerung der Treibhaus­gase – auf Grundlage der Zahlen von 2022 – angenommen werden. In jedem Fall ergibt sich daraus ein Rückenwind für Investitionen, der noch weit über ein Jahrzehnt anhalten wird.

US-Präsident Joe Biden will die Emissionen in den USA bis 2030 um 50% senken. Bis 2050 soll etwa die Hälfte des US-Stroms aus Solaranlagen stammen. Bis 2030 müssen fast 320 Mrd. US-Dollar in die Infrastruktur der Stromübertragung investiert werden, um die Nettoemissionen bis 2050 auf null zu reduzieren. Der dringende Bedarf an Infrastrukturausgaben bildet die Grundlage für das Wachstum im nächsten Jahrzehnt und darüber hinaus, und die ersten Schritte zum Erreichen dieser langfristigen Ziele werden jetzt unternommen.

Infrastrukturunternehmen bieten Diversifikationsvorteile

Die Marktunsicherheiten sind groß, aber Anleger sollten dennoch der Börse nicht den Rücken kehren, sondern bei Unternehmen, in die sie investieren, auf hohe Verlässlichkeit und Widerstandsfähigkeit der Einnahmen, Cashflows und Dividenden achten. Gelistete Infrastrukturunternehmen bieten einen „Inflation-Hedge“, da steigende Preise zu steigenden Erträgen führen können. Sie sind konjunkturunabhängiger als Unternehmen aus anderen Sektoren und, da es sich um notwendige Dienstleistungen handelt, auch in Krisenzeiten nachgefragt. Nicht zuletzt bieten Infrastrukturunternehmen Diversifikationsvorteile im Portfolio. Sie sind handfeste Vermögenswerte, die aufgrund der immensen Fördertöpfe von Regierungen über einen sehr langen Zeitraum sehr viel Geld verdienen werden.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 02/2023, S. 46 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Artinun – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Peter Gorynski