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25. Mai 2022
Interessenkonflikte bei der Vermittlung von Fondspolicen?
Interessenkonflikte bei der Vermittlung von Fondspolicen?

Interessenkonflikte bei der Vermittlung von Fondspolicen?

Die BaFin kritisiert in einer Studie zu Effektivkosten bei Lebensversicherungen insbesondere eine zu hohe Kostenbelastung bei Fondspolicen. Der Bund der Versicherten (BdV) legt nach. Die Kostenbelastung bei fondsgebundenen Lebensversicherungen ist auch in Brüssel ein Thema. Besonders im Fokus: Rückvergütungen der Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVG) an Lebensversicherungsunternehmen und/oder Vermittler.

Ein Artikel von Hans-Ludger Sandkühler

Die Gesamtkosten bei Fondspolicen setzen sich aus den Fondskosten und den Versicherungskosten zusammen. Bei Investmentfonds fallen üblicherweise einmalige Kosten (Ausgabeaufschlag) und laufende Kosten an. Laufende Kosten werden aus dem Fondsvermögen des Kunden entnommen und bestehen je nach Fonds aus pauschalen Managementgebühren, Transaktionskosten und gegebenenfalls auch aus an die Wertentwicklung des Fonds gebundenen Gebühren (Performance-Fee). Bei der Versicherung fallen je nach Tarif einmalige Abschluss- und Vertriebskosten, jährliche Verwaltungskosten (in Prozent des Beitrags), Stückkosten (jährliche Verwaltungskosten in Euro) sowie Anlagekosten (jährliche Kosten in Prozent des Fondsguthabens) an. Je nach Fallgestaltung kommt da so einiges zusammen.

Kostenausweis bei Fondspolicen

Damit Verbraucher sich einen Überblick über die Gesamtkosten verschaffen können, sind Versicherer nach § 2 der VVG-Informationspflichtenverordnung (VVG-InfoV) verpflichtet, den Versicherungsnehmer vor Abgabe von dessen Vertragserklärung über die in die Prämie einer Lebensversicherung einkalkulierten Kosten sowie über die durch diese Kosten bedingte Minderung der Wertentwicklung in Prozentpunkten (Effektivkosten) zu informieren. Zudem müssen Hersteller von Versicherungsanlageprodukten nach der Verordnung über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) ein Basisinformationsblatt für das Produkt abfassen und auf ihrer Website veröffentlichen. Vermittler (!) müssen dieses Basisinformationsblatt dem betreffenden Kunden rechtzeitig zur Verfügung stellen. Das Basisinformationsblatt informiert unter anderem über einmalige und wiederkehrende Kosten sowie über Performance-Gebühren nach Maßgabe der technischen Regulierungsstandards der Europäischen Kommission.

Produktfreigabeverfahren

Gemäß § 23 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) sind Versicherungsunternehmen verpflichtet, ein Produktfreigabeverfahren zu unterhalten, die freigegebenen Produkte regelmäßig zu überprüfen und allen Vertreibern sachgerechte Informationen zur Verfügung stellen. Und gemäß § 14 VersVermV müssen Vermittler über alle sachgerechten Informationen zu dem Versicherungsprodukt und dem Produktfreigabeverfahren einschließlich des bestimmten Zielmarkts des Versicherungsprodukts verfügen. Darüber hinaus enthält die Delegierte Verordnung zu den Aufsichts- und Lenkungsanforderungen detaillierte Vorgaben zum Produktfreigabeverfahren, das dort als „Produktgenehmigungsverfahren“ bezeichnet wird. Sie gelten unmittelbar und haben Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht.

Vermeidung von Interessenkonflikten

Versicherer müssen zudem auf Dauer wirksame, organisatorische und verwaltungsmäßige Vorkehrungen für angemessene Maßnahmen treffen, um zu verhindern, dass Interessenkonflikte den Kundeninteressen schaden (§ 48a Abs. 2 VAG). Auch Vermittler von Versicherungsanlageprodukten müssen gemäß § 18 VersVermV angemessene Maßnahmen treffen, um Interessenkonflikte zu erkennen und zu vermeiden, die zwischen ihnen und den Versicherungsnehmern oder zwischen den Versicherungsnehmern auftreten können. Darüber hinaus enthält die Delegierte Verordnung über Informationspflichten und Wohlverhaltensregeln beim Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten detaillierte Vorschriften zum Umgang mit Interessenkonflikten. Sie gelten unmittelbar und haben Anwendungsvorrang gegenüber dem nationalen Recht.

Ergebnis der BaFin-Studie

In der Studie hat die BaFin deutsche Lebensversicherer nach den Effektivkosten und weiteren Informationen zur Kostenbelastung von Versicherungsanlageprodukten befragt. Die Effektivkosten der meistverkauften Fondspolicen lagen im Mittel bei 1,9%, teilweise auch deutlich höher bis oberhalb von 4%. Die dem jeweiligen Vertrag zugrunde liegenden Kapitalanlagen müssten also mindestens entsprechend hohe Renditen erzielen, damit die Kunden nicht ins Minus laufen. Insbesondere bei den überdurchschnittlich hohen Effektivkosten sieht die BaFin Mängel im Produktfreigabeverfahren und potenzielle Interessenkonflikte im Vertrieb. Der BdV hat ausgerechnet, dass eine Effektivkostenquote von 1,9% rechnerisch einen Abzug von 29,2% auf jeden eingezahlten Betrag bedeutet.

Darüber hinaus zahlen die KVG bei etwa einem Drittel des Neugeschäfts Rückvergütungen an den jeweiligen Lebensversicherer oder an den Vermittler. Die Höhe der Rückvergütung liegt zwischen 0,3% und über 1,2% des Fondsguthabens. Bei etwa 80% der Versicherer werden die Rückvergütungen in Form spezieller Überschussanteile teilweise oder vollständig an die Versicherungsnehmer weitergegeben. Bei den restlichen 20% werden die Rückvergütungen nur in der versicherungstechnischen Ertragsrechnung verbucht und nur bei einem positiven übrigen Ergebnis auf der kollektiven Ebene des Bestands nach Maßgabe der Mindestzuführungsverordnung berücksichtigt.

Bei etwa 19% des Neugeschäfts werden Rückvergütungen direkt an Vermittler gezahlt, im Mittel rund 0,5%.

Die Rückvergütung wird zwar bei der Berechnung der Effektivkosten gemäß VVG-InfoV berücksichtigt. Sie zählen aber nicht zu den einkalkulierten Abschlusskosten, die als Gesamtbetrag mitzuteilen sind. Durch diese Intransparenz kann nach Ansicht der BaFin ein falscher Eindruck von der faktischen Gesamthöhe der Abschlusskosten entstehen. Im Basisinformationsblatt gemäß PRIIP-VO sind Rückvergütungen nicht vorgesehen. Sowohl bei Versicherern als auch bei Vermittlern können durch die Rückvergütungen Interessenkonflikte entstehen. Bei Versicherern kann die Höhe der Rückvergütung die Fondsauswahl beeinflussen, bei den Vermittlern die Auswahl der Fondspolice.

Fazit

Versicherungsmaklern ist zu empfehlen, sich ab sofort intensiv mit der Kostenbelastung von Fondspolicen zu befassen. Spätestens jetzt ist das Thema im Markt. Bei überdurchschnittlichen Kosten wird es im Streitfall schwierig, die Produktempfehlung mit fachlichen Kriterien zu begründen. Policen mit schlanken und transparenten Kostenstrukturen begründen dagegen ein langfristig erfolgreiches Geschäftsmodell. Auf jeden Fall ist zu klären, ob und in welchem Umfang Versicherer Rückvergütungen erhalten. Ist dies der Fall, sollten diese zu 100% an die Kunden weitergeleitet werden. Erhält ein Versicherer keine Rückvergütung, ist der Vermittler auf der sicheren Seite, wenn er darüber eine schriftliche Bestätigung hat. Rückvergütungen an Vermittler indizieren Interessenkonflikte und sollten deshalb gemieden oder zumindest offengelegt und an den Kunden weitergeleitet werden. Wer heute den Hals nicht voll bekommt, muss morgen Fragen beantworten.

Über den Autor

Hans-Ludger Sandkühler ist aus­gewiesener Experte in Maklerfragen, gefragter Referent und Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Außerdem ist er Mitinitiator des Arbeitskreises „Beratungsprozesse“ sowie Geschäftsführer des Instituts für Verbraucherfinanzen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2022, S. 82 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Weissblick – stock.adobe.com;  Song about summer – stock.adobe.com