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29. September 2023
Ist Deutschland der kranke Mann Europas?
Ist Deutschland der kranke Mann Europas?

Ist Deutschland der kranke Mann Europas?

Der französische Vermögensverwalter Amundi hat die Herbstversion seiner Investmentkonferenz ausgestrahlt. Dabei ging es um verschiedenste Themen: das aktuelle Wirtschaftsumfeld, künstliche Intelligenz und auch um die Wirtschaftsstärke Deutschlands.

Gut zwei Stunden dauerte die Herbstauflage der Investmentkonferenz von Amundi, moderiert von ntv-Börsenexpertin Sabrina Marggraf. Amundi-CIO Thomas Kruse und Multi-Asset-Chefin Dr. Anja Hochberg gaben einen Einblick in die Erwartungen an den Markt in den kommenden Monaten. Außerdem behandelte Peter Bofinger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Würzburg, die Frage, ob Deutschland wirklich „der kranke Mann Europas“ ist.

Deutsches BIP soll sinken

Der Begriff „kranker Mann Europas“ für die deutsche Wirtschaft ist zurück. Vor etwa 20 Jahren wurde die Republik schon einmal so betitelt, jetzt geistert die Bezeichnung wieder durch die Medien. Auf die Stirn schreiben will man sie sich gewiss nicht – schon gar nicht als eine der eigentlich wirtschaftsstärksten Nationen der westlichen Welt. Passend dazu haben die fünf Wirtschaftsweisen diese Woche ihre Erwartungen für das deutsche Bruttoinlandsprodukt veröffentlicht: voraussichtlich –0,6% für 2023.

Prof. Bofinger, selbst von 2004 bis 2019 einer der Wirtschaftsweisen, schildert in seinem Vortrag im Rahmen der Konferenz seine Sicht der Dinge. Als den „kranken Mann Europas“ würde er Deutschland wohl nicht bezeichnen, Tatsache sei aber dennoch, dass es aktuell Probleme gebe, die das Wirtschaftswachstum hemmen. An der so häufig kritisierten Bürokratie könne es seiner Meinung nach nicht liegen, denn die sei woanders auch nicht viel besser.

Die Wurzel des Problems liege für Bofinger eher im Geschäftsmodell. Seiner Meinung nach sei die Schuldenbremse ein ökonomischer Denkfehler, der in Deutschland gemacht werde, um den Staat vor Schulden zu schützen. Dabei entgingen Deutschland allerdings auch sinnvolle Investitionen, die nur aufgrund der Schuldenbremse nicht getätigt würden. Zukunftsorientiert sei dies nicht. Auch habe Deutschland aktuell Schwierigkeiten in der Automobilbranche. Diese sei gebeutelt, weil sie vom Trend zur Elektromobilität bedroht werde. China habe hierbei bessere Arbeit geleistet, da man dort schon viel früher begonnen habe, in erneuerbare Energien zu investieren. Bofinger fordert in diesem Zusammenhang eine strategischere Planung. Schlussendlich müsse Deutschlands Geschäftsmodell grundlegend erneuert werden, um wieder eine aktive Rolle in der EU und im globalen Wettbewerb einnehmen zu können.

Renten treiben Multi-Asset

Mehrfach betont wurde in der Konferenz auch von Thomas Kruse und Dr. Anja Hochberg, dass Anleihen wieder wichtig bei der Anlage seien und Multi-Asset-Portfolios im Wert steigen ließen – bedingt durch die vielen Zinserhöhungen seit Juli 2022. Die Rentenpapiere würden durch ihre Renditen das Portfoliorisiko bei Multi-Asset stark reduzieren. Laut Kruse werde es keine weiteren Zinserhöhungen seitens der Fed in den USA oder der Europäischen Zentralbank in Europa geben. Anders gestalte sich dies in den Schwellenländern. Dort gebe es nun schon erste Zinssenkungen, die sich positiv auf Rentenpapiere auswirken, so Hochberg. Es lohne sich also, einen Blick über Europa hinaus zu wagen.

Am Aktienmarkt könne Hochberg allerdings aktuell noch keine Entwarnung aussprechen. Es werde zwar ein Soft Landing geben, die Fallhöhe sei aber dennoch im Falle einer Rezession recht hoch. Von dieser gehe Amundi derzeit allerdings nicht aus, weswegen man jetzt in jedem Fall durchhalten und investiert bleiben solle. (mki)

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