Ein gebundener Vermittler ist ein Versicherungsvertreter, der seine Tätigkeit ausschließlich im Auftrag eines oder mehrerer Versicherungsunternehmen ausübt, deren Versicherungsprodukte nicht in Konkurrenz zueinander stehen (34d Abs. 4 GewO). Man spricht auch von sogenannten Ausschließlichkeitsvermittlern. Da diese „ausschließlich“ Produkte bestimmter Unternehmen vertreiben, ist das Produktangebot möglicherweise beschränkt und für den einen oder anderen Kunden nicht passend. Um dennoch weitere Produkte anbieten zu können, haben manche Ausschließlichkeitsvermittler noch einen Trumpf im Ärmel: die Ventillösung. Darunter versteht man die Kooperation von Versicherungsvertretern mit Pools und Servicegesellschaften, um auch die dort angebotenen Produkte vertreiben zu können.
Zeitgleiche Erlaubnis ist ausgeschlossen
Gemäß § 34d Abs. 1 GewO wird zwischen Versicherungsmakler und Versicherungsvertreter unterschieden. Während der Versicherungsvertreter von einem oder mehreren Versicherern damit betraut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge abzuschließen (§ 59 Abs. 2 VVG), übernimmt der Versicherungsmakler im Auftrag seines Kunden die Vermittlung und den Abschluss von Versicherungsverträgen (§ 59 Abs. 3 VVG). Sowohl der Versicherungsmakler als auch der Vertreter werden im Vermittlungsregister eingetragen. Der Kunde soll so nachvollziehen können, auf welcher Seite der Vermittler steht. Eine zeitgleiche Erlaubnis für beide Varianten ist ausgeschlossen. Wenn ein Versicherer oder eine Versicherungsgruppe eine uneingeschränkte Haftung für die Vermittlertätigkeit übernimmt, kann sich der Vermittler als gebundener Versicherungsvertreter gemäß § 34d Abs. 4 GewO registrieren lassen.
Zahlreiche Mischformen am Markt
Die makelnde Tätigkeit des Versicherungsvertreters ist ausgeschlossen. Dennoch gibt es in der Praxis eine Vielzahl von Mischformen. Manche Versicherungsvertreter werden in ihren Handelsvertreterverträgen sogar zu einer Ventillösung – teilweise zu einer Kooperation mit Maklern – verpflichtet. Weiter gibt es Konstellationen, wo ein Vermittler mit seinem Einzelunternehmen als Versicherungsvertreter eingetragen ist und zudem für eine juristische Person tätig ist, die als Versicherungsmakler agiert. Dies setzt voraus, dass es sich um zwei selbstständige Rechtspersönlichkeiten – bei dem Versicherungsmakler zum Beispiel um eine GmbH oder eine Personengesellschaft – handelt.
Die Ventillösung war übrigens eine ausdrückliche Empfehlung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) und des Bundesverbandes der Assekuranzführungskräfte (VGA). Danach wurde empfohlen, Ausschließlichkeitsvertretern in Ausnahmefällen eine Vermittlung von Versicherungen an fremde Versicherungen zuzulassen. Eine solche Empfehlung drängte sich auf, weil viele Versicherungsvertreter im Rahmen eines Handelsvertreterverhältnisses gemäß § 84 HGB tätig sind. Der Handelsvertreter hat gemäß § 86 Abs. 1 Hs. 2 HGB das Interesse des Unternehmers wahrzunehmen. Die wichtigste Verpflichtung, die sich hieraus herleitet, ist die Pflicht des Handelsvertreters, dem Unternehmer keine Konkurrenz zu machen. Dem Handelsvertreter ist es verboten, ein weiteres Unternehmen zu vertreten, das mit einem bereits vertretenen Unternehmen in Konkurrenz steht. Dies ist schon dann der Fall, wenn sich die Angebote von vertretenen Unternehmen überschneiden. Bei der Frage, ob eine Ventillösung erlaubt ist, ist also jedenfalls zunächst ein Blick in das Vertragsverhältnis erforderlich. Bei Verstoß drohen vertragliche Konsequenzen wie Abmahnung, Kündigung, Schadenersatzforderungen etc. Ventillösungen könnten auch außerhalb von Vertragsverhältnissen zu Rechtsstreitigkeiten führen. Insbesondere das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) reglementiert das Verhalten Gewerbetreibender am Markt und schützt auch die Mitbewerber vor unfairen Wettbewerbsverzerrungen und vor unlauteren geschäftlichen Handlungen.
BGH-Entscheidung zu sogenannten „Vertrauensleuten“
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich zuletzt am 30.01.2014 in einem Urteil (Az.: I ZR 19/13) mit der Ventillösung befasst. Eine Maklerin wollte im Rahmen einer Unterlassungsklage erreichen, dass die gebundenen Ausschließlichkeitsvertreter eines Versicherers nicht weiter Versicherungen von Kooperationspartnern über eine vom Versicherer eingerichtete Vermittlungsstelle – einem Versicherungsvermittler mit Gewerbeerlaubnis – anbieten. Der Versicherer hatte zu diesem Zeitpunkt etwa 450 als „Vertrauensleute“ bezeichnete Versicherungsvermittler unter Vertrag. Die Verträge sahen ausdrücklich vor, dass diese in gewissem Umfang auch Versicherungen für andere, als Kooperationspartner bezeichnete Versicherer vermitteln können, die Versicherungen außerhalb des angebotenen Leistungsspektrums zur Verfügung stellen. Man sollte dann über einen nicht gebundenen Versicherungsvermittler – eine GmbH – die Versicherungsverträge weiterleiten. Die Vertrauensleute waren ausschließlich bei „ihrem“ Versicherer haftpflichtversichert. Die im Rahmen dieser Ventillösung vermittelten Versicherungsverträge machten rund 3% des Geschäftsvolumens aus. Die klagende Maklerin verlangte nun, dass diese Ventillösung in Zukunft unterlassen wird. Schließlich seien die Vertrauensleute als gebundene Versicherungsvertreter zum Versicherungsvermittlerregister angemeldet und sie würden bei der Vermittlung an die Kooperationspartner über keine weitere Haftpflichtversicherung verfügen.
Ventillösung auch nach der Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie zulässig
Der BGH führte in seiner Entscheidung aus, dass die Vertrauensleute als Vermittler gemäß § 34d Abs. 4 GewO keiner Erlaubnis bedürfen. Dieser Ausnahmetatbestand greife auch hier. Schließlich, so der BGH, würde es genügen, wenn das Versicherungsunternehmen, für das der Vermittler in erster Linie tätig ist, die uneingeschränkte Haftung auch für dessen übrige Vermittlungstätigkeiten übernehme. Eine solche Ansicht entspreche im Übrigen dem europäischen Recht und dem Willen des Gesetzgebers, der die Haftungsübernahmeerklärung eines Versicherungsunternehmens als entscheidend für die in § 34d Abs. 4 GewO geregelte Befreiung ansieht. Damit hat der BGH die Ventillösung in „kleinem Rahmen“ für gebundene Vermittler auch nach der Umsetzung der EU-Vermittlerrichtlinie zugelassen. Ist nun der „kleine Rahmen“ das Zünglein an der Waage?
Anschein der Maklertätigkeit nicht zulässig
Mit einer einstweiligen Verfügung vom 30.12.2015 (Az.: 12 O 86/15 KfH) hat das Landgericht Freiburg einem Versicherungsvertreter verboten, Kunden zu besuchen und diesen vorausgefüllte – jedoch noch nicht unterschriebene – Maklervollmachten vorzulegen sowie diese von den Kunden unterzeichnen zu lassen. Bei den Kunden handelte es sich um Kunden, die von dem Versicherungsvertreter betreut wurden und teilweise gleichzeitig noch laufende Maklermandate bei der klagenden Maklerin besaßen. Der Versicherungsvertreter wurde nunmehr durch eine einstweilige Verfügung vom Landgericht Freiburg an der Fortsetzung dieser Ventillösung gehindert. Das Landgericht Freiburg sah hier einen Anspruch wegen eines Wettbewerbsverstoßes gemäß § 3a UWG in Verbindung mit § 34d Abs. 1 GewO.
Das Gericht stellte darauf ab, dass ein Versicherungsvertreter nicht gleichzeitig Versicherungsmakler sein kann. Eine Doppelerlaubnis könne nicht erteilt werden. Hier würde der Beklagte gleichzeitig als Versicherungsvertreter und als Versicherungsmakler auftreten. Schließlich gelte gemäß § 59 Abs. 3 S. 2 VVG als Versicherungsmakler auch, wer gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler.
Fazit
Die beiden Urteile stehen nicht im Widersprich zueinander. Der BGH lässt die kleine Ventillösung des Ausschließlichkeitsvermittlers zu. Die gemeinsame Erklärung von GDV, BVK und VGA scheint sich bis heute niederzuschlagen. Ein Versicherungsvertreter, der jedoch das Maß übersteigt und gegenüber Kunden den Anschein erweckt, er sei Makler, geht allerdings einen riskanten Weg.
Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2016, Seite 116f.
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Leserkommentare
Comments
Ventillösung
Der Artikel verwirrt mich eher. Aus der Historie war es ein BGH-Urteil, dass Handelsvertretern mit einer Ausschließlichkeitsbindung erlaubte Ventilgeschäfte zu tätigen, wenn das vom Kunden benötigte Produkt vom AO-Produktgeber nicht angeboten wurde oder eine Risikodeckung abgelehnt wurde. (Handelsvertreter dürfen in Ihrer unternehmerischen Geschäftsausübung nicht vertraglich so eingeschränkt werden - entsprechende Vertragsklauseln sind ungültig !) Darauf entstanden die sog. "Ventilgesellschaften" bei den Versicherern.
Das oben zitierte Urteil bestätigt, dass bei einem gebundenen Handelsvertreter mit einer Gewerberegistrierung nach § 34d Abs. 4 GewO und somit Haftungsübernahme durch den AO-Versicherer die "Ventilgesellschaft" zum Unternehmensverbund gehört und damit unter die Patronatserklärung und Vermittlerregistrierung fallen.
Hingegen darf ein Handelsvertreter mit einer Gewerbeerlaubnis nach § 34 d Abs. 1 GewO mit eigener VSH von der Erlaubnis her den Haupt.- und weitere Produktpartner vermitteln. Von seinem Handelsvertretervertrag muss er die Interessen seines Vertragspartners beachten, hat aber sehr wohl die Spielräume nach der Rechtsfortschreibung.
Neben der Betrachtung aus der Richtung Erlaubnis, der Richtung Ventilgesellschaft beim Vertragspartner gibt es dann die Richtung Haftung gegenüber dem Kunden und Beachtung der Spielregeln im Wettbewerb.
Ist die Erstinformation nicht vollständig richtig und auf die später folgende Vermittlungsweise abgestellt, so tritt die sog. "Pseudo-Makler-Haftung" ein - für den Kunden somit unkritisch, weil volle Haftung und voller erforderlicher Marktüberblick. So auch im Wettbewerb und dem UWG ..... diese vier sehr unterschiedlichen Fälle sind nicht so ganz richtig im Artikel dargestellt und heraus gearbeitet.
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