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Sachwerte
23. September 2020
Ist Silber das bessere Gold?

Ist Silber das bessere Gold?

In den letzten Monaten haben Gold und Silber eine sagenhafte Rally hingelegt. Nachdem Silber bedingt durch die globalen Lockdowns zunächst im Preis angebrochen war, ist es wenige Monate später der Outperformer. Ist Silber also das bessere Gold? Eine Analyse von Marko Mähner, Gründer und Geschäftsführer der GranValora GmbH & Co. KG.

Zwar gilt Silber ähnlich wie Gold Anlegern als sicherer Hafen in Krisenzeiten. Während Gold allerdings abseits akuter Krisen in erster Linie für die Schmuckindustrie essenziell ist, ist Silber für weite Teile der Industrie schlicht unverzichtbar. Besonders interessant: Gerade zahlreiche Zukunftstechnologien kommen nicht um das glänzende Industriemetall herum. Um nur einige Bereiche zu nennen, die eine silberne Zukunft haben:

  • Smartphones, Wearables wie Smartwatches und Co: Die Menschheit trägt schon heute Unmengen Silber am Körper – und das nicht in Form von Schmuck.
  • Anwendungen rund um das Internet of Things (IoT) kommen nicht ohne Silber aus. Das gilt auch für Zukunftstechnologien wie das vielbeschworene autonome Fahren.
  • Silber wird auch in RFID-Chips verbaut, die eine berührungslose Informationsübertragung ermöglichen, und künftig in etlichen Bereichen zum Einsatz kommen könnten.
  • Für die elektrischen Komponente, die für den Ausbau des 5G-Netzes erforderlich sind, ist ebenfalls Silber erforderlich.
  • Photovoltaik-Module, wichtige Komponente von Elektroautos, Sensoren für Windräder, Systeme zur Energiespeicherung: Ohne Silber keine Energiewende.
Silber-Recycling und mögliches Goldverbot

Neben der hohen Abhängigkeit der Industrie von Silber hat das Edelmetall noch zwei weitere gewichtige Vorteile gegenüber Gold:

Recycling: Ähnlich wie die Gold- sind auch die Silbervorräte begrenzt. Gold allerdings wird in großem Stil recycelt und geht so gut wie nicht verloren. Ganz anderes sieht es beim Silber aus. Silber-Recycling ist in vielen Bereichen ökonomisch nach wie vor kaum sinnvoll möglich. Entsprechend gehen Jahr für Jahr Unmengen des industriell verwendeten Silbers verloren. Nimmt man in den Blick, dass die globalen Silbervorräte bei der jetzigen Fördermenge in gut 20 Jahren erschöpft sein werden, zeichnet sich schon jetzt eine erhebliche Verknappung des Silberangebots am Horizont ab. Man muss kein Guru sein, um auf dieser Basis langfristig einen Anstieg des Silberpreises zu prognostizieren.

Goldverbot: Zugegeben, ein Goldverbot ist nach jetzigem Kenntnisstand eher unwahrscheinlich. Dennoch haben Staaten in Krisenzeiten immer mal wieder entsprechende Verbote ausgesprochen, um sich abzeichnende Währungskrisen zu verhindern. Prominentes Beispiel: Das Goldverbot in den USA, das noch bis 1974 Bestand hatte. Da ein Silberverbot wegen der Bedeutung des Edelmetalls für die Industrie kaum vorstellbar ist, ist Silber für Verfechter des Goldverbot-Szenarios die bessere Wahl.

Stand bisher also: 3:0 für Silber.

In der Corona-Krise ist Silber anfälliger als Gold

Aber, und das ist ein großes Aber, die stärkere Bedeutung von Silber als Industriemetall macht das Edelmetall deutlich krisenanfälliger als Gold. Das gilt insbesondere für die ungewöhnlichen Umstände der Corona-Krise. Als im März weltweit die ersten Lockdowns beschlossen worden waren, ging auch der Silberpreis auf Talfahrt. Der Grund ist offensichtlich: Wo Fließbänder und Maschinen stillstehen, ist schlicht auch kein Silberbedarf mehr vorhanden. Dieser plötzliche Nachfrageeinbruch setzte dem Silberpreis entsprechend zu – und konnte auch durch die (gegenüber Gold ohnehin schwächere) Sichere-Hafen-Funktion des Edelmetalls nicht aufgefangen werden.

Mittlerweile ist der globale Lockdown weitestgehend aufgehoben, sodass auch Silber in Zeiten der lockeren Geldpolitik wieder als sicherer Hafen für Anleger auftrumpfen kann. In Deutschland, wo die Wirtschaft schon wieder einen Erholungskurs eingeschlagen hat, scheint die Erinnerung an die harten Beschränkungen der Corona-Krise für die Industrie schon fast wieder zu verblassen. Als sei alles nur ein böser Traum gewesen. Dabei wird leider nur allzu häufig vergessen: Wir befinden uns noch immer inmitten einer Pandemie, deren Zenit womöglich noch lange nicht überschritten ist. Gut möglich, dass uns SARS-CoV-2 noch über mehrere Jahre hinweg beschäftigt – erneutes Aufflammen der Infektionszahlen, wie es derzeit vor allem in Südeuropa der Fall ist, nicht ausgeschlossen.

Das heißt auch: Gewinnt die COVID-19-Pandemie wieder an Dynamik, sind neuerliche Lockdowns nicht ausgeschlossen. Und diese könnten auch der derzeitigen Silber-Rally ein jähes Ende bereiten.

Gold vs. Silber: die wichtigsten Punkte auf einen Blick
  • Gold ist der sichere Hafen schlechthin. In Krisenzeiten wenden sich die meisten Anleger zunächst Gold zu, bevor sie – etwa in Folge gestiegener Preise – zu Silber greifen.
  • Silber ist in erster Linie ein Industriemetall, das in den nächsten Jahrzehnten sehr gefragt sein dürfte. Damit hat Silber gute Chancen, in den nächsten Jahren ein neues Allzeithoch zu erreichen.
  • Während ein Goldverbot unwahrscheinlich ist, scheint ein Verbot des Industriemetalls Silber (fast) unmöglich.
  • Von Lockdowns, wie wir sie im Zuge der Corona-Krise gesehen haben, wird Silber als Industriemetall weitaus schwerer getroffen als Gold.
  • Bei jetziger Fördermenge reichen die Silbervorräte noch rund 20 Jahre – und das Recycling bewegt sich auf niedrigem Niveau.
Fazit: Silber ist volatiler, hat aber größeres Potenzial

Ist Silber nun also das „bessere Gold“? Kommt darauf an. Kurzfristig betrachtet scheint Silber in Folge der Pandemie-Dynamik weitaus volatiler als Gold zu sein. Wer sich gegen akute Krisen und steigende Inflation absichern möchte, wird daher zurecht in erster Linie auf Gold setzen (und die eine oder andere Silbermünze als Absicherung gegen ein Goldverbot halten).

Für spekulative Anleger ist Silber aber höchst interessant. Mittel- und langfristig könnte Silber Gold also durchaus in der Preisentwicklung schlagen. Immerhin wird Silber in etlichen Zukunftstechnologien gebraucht – und spielt insbesondere bei der Energiewende eine bedeutende Rolle. Eine absehbare Verknappung der Silbervorräte in Folge des niedrigen Recycling-Niveaus könnte die Preise zusätzlich nach oben treiben.

 
Ein Artikel von
Marko Mähner