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18. Dezember 2025
Kein Provisionsverbot aus Brüssel, aber strengere Regeln
Kein Provisionsverbot aus Brüssel, aber strengere Regeln

Kein Provisionsverbot aus Brüssel, aber strengere Regeln

Nach zähen Verhandlungen zur Retail Investment Strategy gibt es nun mehr Klarheit: Ein EU-weites Provisionsverbot kommt nicht, Vermittler müssen aber künftig Provisionsmehrwert und -bestandteile offenlegen. Zudem gelten neue Regeln zu Produktkosten und Erleichterungen bei der Geeignetheitsprüfung.

Wie unter anderem der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung berichtet, haben sich die Trilog-Unterhändler des Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten auf einen Kompromiss zur EU-Strategie für Privatanleger (Retail Investment Strategy, RIS) geeinigt. Ein allgemeines Provisionsverbot ist vom Tisch, dennoch müssen sich Vermittler künftig auf deutlich strengere Transparenz- und Rechtfertigungspflichten bei Zuwendungen („Inducements“) einstellen.

So werden Vermittler verpflichtet, klar darzulegen, welchen konkreten Mehrwert eine erhaltene Provision für die Kunden bietet. Zudem müssen sämtliche Provisionsbestandteile künftig gesondert ausgewiesen werden. Unabhängig davon behalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, auf nationaler Ebene weitergehende Regelungen einzuführen – bis hin zu einem vollständigen Provisionsverbot.

Auch Anlagefirmen im Privatkundengeschäft („Retail Investment Firms“) bekommen neue Pflichten auferlegt. Sie müssen künftig alle Produktkosten vollständig offenlegen, deren Angemessenheit nach EU-weit einheitlichen Standards prüfen und dürfen wohl Produkte mit unverhältnismäßigen Kosten nicht mehr vertreiben.

„Wir begrüßen, dass es kein Provisionsverbot auf EU-Ebene geben wird“, erklärt AfW-Vorstand Frank Rottenbacher. „Der Einsatz des AfW und vieler anderer für eine Regulierung mit Augenmaß hat sich in Punkt zumindest gelohnt. Ob und wie nun die neuen Anforderungen in der Praxis umsetzbar und für Vermittlerinnen und Vermittler sachgerecht sind, können wir jedoch erst beurteilen, wenn uns der endgültige Richtlinientext vorliegt.“

Erleichterungen bei Geeignetheitsprüfung

Der AfW ergänzt, dass die RIS-Vereinbarung Erleichterungen bei der Geeignetheitsprüfung vorsieht: Bei Empfehlungen einfacher, kostengünstiger und breit diversifizierter Produkte entfällt die Abfrage von Kenntnissen und Erfahrungen, während finanzielle Situation und Anlageziele weiterhin geprüft werden, um den Zugang zu einfachen Produkten zu erleichtern, ohne den Anlegerschutz zu schwächen.

„Diese neue Regelung zur Geeignetheitsprüfung wird Auswirkungen auf die tägliche Beratungspraxis haben – sowohl im Hinblick auf die Dokumentation als auch auf die Auswahl geeigneter Produkte“, erklärt AfW-Vorstand Frank Rottenbacher. „Positiv ist, dass der Gesetzgeber den Vermittlern in bestimmten Fällen mehr Flexibilität einräumt. Gleichzeitig muss genau beobachtet werden, ob dadurch auch regulatorische Unsicherheiten entstehen.“

Die RIS führt wohl zudem neue, stärker standardisierte und verständlichere Anforderungen an Kundeninformationen wie KIDs ein, die künftig auch maschinenlesbar sein sollen, und adressiert zudem neue Themen wie den Einfluss von Social Media und Finfluencern sowie die Stärkung finanzieller Bildung und transparenteres Marketing.

Weitere Reaktionen vonseiten der Verbände

„Einerseits freut es uns sehr, dass ein drohendes Provisionsverbot endgültig vom Tisch ist und zukünftig Finfluencer beaufsichtigt werden sollen, indem die Finanz- und Versicherungsunternehmen mit ihnen schriftliche Vereinbarungen treffen und deren Aktivitäten auf den sozialen Plattformen kontrollieren müssen“, sagt BVK-Präsident Michael H. Heinz zu der Einigung. „Das heißt, dieser Vertriebskanal wird zukünftig reguliert. Das hatten wir vom BVK im Sinne gleicher Wettbewerbsbedingungen und zum Schutz der Verbraucher immer gefordert und sehen uns daher durch das Trilogergebnis vollauf bestätigt. Andererseits haben die EU-Kommission, der EU-Ministerrat und die Vertreter des EU-Parlaments unter dem Leitbild des Verbraucherschutzes viele neue regulatorische Maßnahmen für den Vertrieb von Finanz- und Versicherungsanlagen getroffen, die unsere Arbeit zukünftig noch mehr belasten werden.“

Kurz und knapp reagiert der Fondsverband BVI. Thomas Richter, BVI-Hauptgeschäftsführer kritisiert: „Die EU hat die Chance vertan, ein überflüssiges Gesetzesvorhaben und damit neue Bürokratie zu verhindern. Die Kleinanlegerstrategie verursacht mehr Aufwand als Nutzen, und praktisch alle Beteiligten sind mit ihr unzufrieden. Leider beweist die EU damit, dass sie die Dringlichkeit des Bürokratieabbaus nicht wirklich verstanden hat.“

So geht es weiter

Die Rechtstexte zur RIS werden nun technisch finalisiert, die endgültige Fassung soll Anfang 2026 vorliegen. Nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt haben die Mitgliedstaaten 24 Monate für die Umsetzung, die Regelungen gelten 30 Monate nach Veröffentlichung, PRIIPs-Vorgaben bereits nach 18 Monaten. In Deutschland ist zu der EU-Richtlinie mit weiteren nationalen Gesetzgebungsverfahren zu rechnen. (bh)