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17. Mai 2021
Keine Kapitalertragssteuer auf Scheinrenditen?

Keine Kapitalertragssteuer auf Scheinrenditen?

Opfer eines betrügerischen Schneeballsystems müssen keine Kapitalertragssteuer für Scheinrenditen nachzahlen, wenn der Betrüger ihnen versichert hat, dass die Steuer bereits abgeführt wurde. Der BFH entschied, dass es bei der Abgeltungswirkung auf die subjektive Sicht des Anlegers ankomme.

Betrüger, die ein Schneeballsystem aufbauen wollen, müssen gerade skeptischen Anlegern gegenüber irgendwie vorweisen, dass sie tatsächlich in der Lage sind, Rendite zu erwirtschaften. Dabei kommt es vor, dass die Betreiber des Schneeballsystems nicht nur echt aussehende Dokumente vorlegen, sondern tatsächlich Geld an die Anleger überweisen, um so deren Vertrauen zu erlangen. Dabei wird dann so getan, als handele es sich dabei um Gewinnausschüttungen, die man mit dem beworbenen Geschäftsmodell gemacht habe.

Nachversteuerung von Scheinrenditen?

Wandern diese vermeintlichen Gewinnausschüttungen auf das Konto des Anlegers, müssen sie auch versteuert werden. Der Bundesfinanzhof (BFH) musste nun klären, ob Anleger diese vermeintlichen Renditen nachversteuern müssen, wenn der Betrüger ihnen gegenüber den Anschein erweckt hatte, dass die Kapitalertragssteuer bereits abgeführt wurde.

Betrügerisches Schneeballsystem

Ein Ehepaar hatte Geld in eine Firma investiert, die in Wahrheit nur als Fassade für den Betrieb eines betrügerischen Schneeballsystems diente. Das Ehepaar wurde bei der Stange gehalten, indem ihm immer wieder erhebliche Gewinne aus dem Verkauf von Aktien bescheinigt wurde und diese Renditen zum Teil auch auf dem Konto der Tochter des Ehepaars landeten. Auf den Abrechnungen wies die Firma den rechnerisch zutreffenden Einbehalt der Kapitalertragssteuer und des hierauf entfallenden Solidaritätszuschlags für die Erträge aus. An das Finanzamt wurde aber nichts abgeführt. 2013 flog der Schwindel dann auf. Das Ehepaar hatte sein Geld verloren.

Finanzamt fordert Kapitalertragssteuer nach

Da auf die Ausschüttungen, die das Ehepaar auf das Konto ihres Kindes erhalten hatte, in Wahrheit nie Kapitalertragssteuer geflossen war, forderte das Finanzamt, dass diese Zahlungen nachversteuert werden müssten. Das sah das Ehepaar nicht ein und klagte gegen das Finanzamt. Das Paar gab an, man sei davon ausgegangen, dass die Steuer entsprechend der Abrechnungen abgeführt wurde und somit abgegolten sei.

Abgeltungswirkung ist eingetreten

Der BFH gab den Eheleuten Recht. Die Abgeltungswirkung des § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG trete auch dann ein, wenn die Kapitalertragsteuer vom Schuldner der Einkünfte zwar einbehalten, nicht aber beim Finanzamt angemeldet bzw. an das Finanzamt abgeführt wurde. Das habe zur Folge, dass Kapitaleinkünfte aus einem betrügerischen Schneeballsystem in diesem Fall grundsätzlich nicht mehr der Einkommensteuerfestsetzung zugrunde gelegt werden könnten.

Scheinrenditen müssen grundsätzlich versteuert werden

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH unterlägen auch Kapitaleinkünfte aus vorgetäuschten Gewinnen im Rahmen eines Schneeballsystems der Besteuerung. Das gilt zumindest dann, wenn der Anleger über diese Scheinrenditen verfügen kann (beispielsweise im Rahmen einer Wiederanlage) und der Schuldner der Kapitalerträge zu diesem Zeitpunkt leistungsbereit und leistungsfähig ist. Dieser Umstand bleibe auch unberührt, wenn das Schneeballsystem zu einem späteren Zeitpunkt zusammenbreche und der Anleger sein Geld verliere, so die Bundesrichter.

Eintritt der Abgeltungswirkung ist von subjektiver Sicht abhängig

Es sei jedoch nicht nur bei der Besteuerung der Scheinrenditen auf die subjektive Sicht des Anlegers abzustellen. Vielmehr sei auch bei der Frage, ob die Abgeltungswirkung für die von dem Betreiber des Schneeballsystems einbehaltene Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 5 Satz 1 EStG) eintritt, die subjektive Sicht des Anlegers entscheidend. Sofern der Anleger davon ausgehen könne, dass der Steuerabzug auf die Scheinrenditen erfolgt sei, ist die Einkommensteuer wirksam abgegolten. Dies gelte auch dann, wenn die Kapitalertragsteuer von dem Betrüger nicht beim Finanzamt angemeldet bzw. an es abgeführt wurde und der Betrüger keine Genehmigung nach § 32 des Kreditwesengesetzes hatte. (tku)

BFH, Urteil vom 14.05.2021 – VIII R 17/17

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