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17. März 2021
Klimawandel – Herausforderung oder Chance? Beides!

Klimawandel – Herausforderung oder Chance? Beides!

Weil der Versicherungsbranche Nachhaltigkeit und langfristiges Denken sozusagen im Blut liegen, kann sie zum „First Mover“ beim Aufbau einer nachhaltigeren Wirtschaft werden. Marc Issel, Head of Carbon Intelligence beim Technologie-Start-up Planetly, erläutert, wie es gehen könnte.

Die Auswirkungen des Klimawandels sind für die Versicherungsbranche zunehmend spürbar. Versicherungsansprüche und Schadensummen im Zusammenhang mit den Folgen des Klimawandels durch Naturkatastrophen sowie die Ausgaben für das Gesundheitswesen steigen. Gleichzeitig stehen Versicherungsunternehmen für ihre emissionsintensiven Investitionen in der Kritik. Dabei liegt der Versicherungsbranche die Nachhaltigkeit und das langfristige Denken doch im Blut. Sie haben die Möglichkeit, die Rolle als „First Mover“ beim Aufbau einer nachhaltigeren Wirtschaft einzunehmen und gleichzeitig ihre eigene Resilienz zu stärken.

Neun der zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen liegen zwischen 2010 und 2020. Im Juli 2019 wurde der bisherige Hitzerekord mit 41,2 °C in Deutschland gemessen. Zudem verändern sich auch die Niederschlagsmengen. Im Jahr 2018 fielen nur 75% der üblichen Mengen. Die Folge: Dürre und Ernteausfälle.

Auch Sturm und Hagel nehmen zu. Laut Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) e. V. waren im Jahr 2018 Sturm und Hagel mit 2,6 Mrd. Euro die schadenschwersten Naturgewalten, gefolgt von Starkregen und Hochwasser mit gut 500 Mio. Euro. Allein bei den Kfz-Versicherern beliefen sich die von Sturm und Hagel angerichteten Versicherungsschäden auf insgesamt 520 Mio. Euro. Dieses Szenario dürfte in Zukunft normal werden.

Der Klimawandel bringt Herausforderungen mit sich und kostet Milliarden

Die Häufigkeit solcher Schadenfälle wird in Zukunft deutlich steigen und damit steht die Versicherungsbranche vor der Herausforderung, die Risiken des Klimawandels und die damit einhergehenden neuen Unsicherheiten zu bewältigen. Die Nachfrage nach ausreichender Gesundheitsversorgung und Gesundheitsdienstleistungen werden steigen und die Gesundheitskosten dürften sich in den nächsten Jahren deutlich erhöhen. Zudem können Versicherer ein starkes Wachstum bei Katastrophenversicherungen in Industrieländern und bei Lebensversicherungen in Schwellenländern beobachten. Die Steigerung der Schadenfälle wird dazu führen, dass Versicherungen insgesamt teurer werden und könnte für bestimmte Vermögenswerten sogar dazu führen, dass diese in einigen Regionen als zu riskant und damit nicht mehr versicherbar eingestuft werden.

Eine weitere Herausforderung: Kunden achten zunehmend nicht mehr ausschließlich auf den finanziellen Preis, sondern verstärkt auch auf den „grünen Preis“. Versicherungen, die diese Kunden abschließen, sollten also nachhaltig sein und den Klimaschutz fördern. 

Nachhaltige Investments: Verantwortung als größter Investor am Finanzmarkt

Versicherungen gehören zu den größten Investoren am Finanzmarkt, was eine Verantwortung erzeugt, mit ihren Investmentstrategien Klimaschutz zu fördern. Einige Versicherer, darunter AXA und Allianz, investieren bereits in klimafreundliche Sektoren. Kriterien wie ESG-Faktoren (Environment, Social, Governance) sind dabei eine relevante Richtlinie für die Einbeziehung oder den Ausschluss bestimmter Investments. Wirklich messbar ist hiervon insbesondere der CO2-Fußabdruck.

Die deutsche Versicherungswirtschaft will das Geld ihrer Kunden bis spätestens zum Jahr 2050 klimaneutral anlegen. „Mit dem Beschluss des GDV-Präsidiums haben sich die Versicherer ehrgeizige Ziele gesetzt“, kommentiert GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. „Versicherungen werden grüner werden.“ Auch in den Versicherungspolicen selbst solle Nachhaltigkeit zukünftig eine größere Rolle spielen. Nach Angaben des GDV wollen rund 90% der Mitgliedsunternehmen Nachhaltigkeitsaspekte verstärkt in ihrer Kapitalanlage berücksichtigen. Denn als langfristig orientierte Investoren hätten sie ein „natürliches Interesse an ökonomisch nachhaltigen Kapitalanlagen“.

Die richtige Botschaft: Die Versicherer selbst werden Klimaneutral

Die aktuelle Situation bietet den Versicherungen großartige Chancen, sich neu auszurichten, um die Bedürfnisse der Kunden von morgen zu erfüllen und zukunftsfähige Produkte und Dienstleistungen anzubieten. Die neue Generation an Kunden achtet immer mehr auf Nachhaltigkeit. Natürlich spielt der Preis nach wie vor die ausschlaggebende Rolle, aber der Anteil deutscher Verbraucher „mit umwelt- und sozialethischer Konsumhaltung“ beträgt mittlerweile mehr als 12%. Diese Kundschaft verfügt in der Regel über eine relativ hohe Bildung und früher oder später auch über ein überdurchschnittliches Einkommen. Und sie schauen sich genau an, in wessen Hände sie ihr Geld legen.

Neben der Neuausrichtung von Geschäftsmodellen und Anlageportfolios können Versicherer zudem mithilfe neuester Technologien ihre unternehmenseigenen CO2-Emissionen angehen und so mit gutem Beispiel vorangehen – hier kommt beispielsweise die Corporate-Carbon-Management-Software des Technologie-Start-ups Planetly ins Spiel, mit der Unternehmen ihren CO2-Fußabdruck kontinuierlich tracken und so passende Maßnahmen zur Reduktion ergreifen können. Das schafft Transparenz, und Unternehmen können sich aktiv dafür einsetzen, dass sich das gesamte Unternehmen der Klimarisiken bewusst ist und Ressourcen bereitstellt, um diese im Unternehmen kontinuierlich zu bewerten und reduzieren. Einige First Mover hierzulande sind beispielsweise Rückversicherer wie Swiss Re und Munich RE, der digitale Versicherer Friday oder die BKK ProVita, die sich in Klimaschutzinitiativen engagieren, kontinuierlich ihren CO2-Fußabdruck berechnen und reduzieren oder aber Produkte anbieten, bei der die Kunden selbst ihre privaten CO2-Emissionen einsparen oder kompensieren können. 

Versicherungsunternehmen können darüber hinaus die Relevanz der gesamten Branche nutzen, um Versicherte und politische Entscheidungsträger über die Auswirkungen des Klimawandels aufzuklären und ihnen Möglichkeiten aufzeigen, wie sie beispielsweise ihre Immobilien vor Unwetterereignissen schützen können. Sie sind damit Vorreiter für viele weitere Branchen, die es ihnen gleichtun werden.

Über den Autor

Marc Issel verantwortet als Head of Carbon Intelligence die Methodik der CO2-Bilanzierung unter anderem für die Branchen Versicherung und Finanzen sowie Logistik beim Technologie-Start-up Planetly. Vor Planetly hat er bei Volkswagen die Entwicklung und Implementierung der Carbon-Accounting-Methodik für die globale Logistik des Konzerns vorangetrieben. Issel bringt über fünf Jahre Erfahrung in der Standardisierung von Treibhausgasemissionen mit und ist Mitglied der ISO WG 14 für ISO 14083 (Quantifizierung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen von Transportvorgängen).

Bild: © Nicola – stock.adobe.com bzw. Planetly (Autorenfoto)

 
Ein Artikel von
Marc Issel