Ein Beitrag von Niclas Karoff, Vorstandsvorsitzender der HAMBORNER REIT AG
Sucht man im deutschen stationären Einzelhandel nach Unternehmen, die substanziell von der Corona-Krise profitieren, stößt man insbesondere auf solche, die sich auf den Verkauf von Lebensmitteln konzentrieren. So blieben Supermärkte, SB-Warenhäuser und Discounter nicht nur während der bundesweiten Lockdowns geöffnet, sondern nutzten vielfach auch die Gunst der Stunde, um ihre Angebote um Non-Food-Sortimente zu erweitern. Denn der Non-Food-Handel war weitgehend geschlossen. Es überrascht daher nicht, dass die Umsätze im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) im vergangenen Jahr rasant anstiegen: Laut GfK erlöste die Branche in diesem Zeitraum 139,4 Mrd. Euro. Das waren 11,3% mehr als 2019 (125,3 Mrd. Euro) und bedeuten für dieses Handelssegment einen neuen Umsatzrekord. In diesen Zahlen sind nur die Umsätze mit dem Lebensmittel- und Nearfood-Sortiment wie Putzmittel, Heimtierbedarf, Papierhygiene enthalten. Die Aktionsware von Discountern etwa, ist nicht berücksichtigt. Addiert man diese Zahlen hinzu, fallen die Umsätze noch höher aus.
Wenngleich sich dieses Wachstum 2021 voraussichtlich nicht wiederholen lässt: Der LEH und viele weitere Händler von Waren der täglichen Nahversorgung werden gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen und stehen damit für eine herausragende Stabilität innerhalb der deutschen Einzelhandelslandschaft.
Mehrere Gründe sprechen für den Lebensmitteleinzelhandel
Dabei sorgten eine Reihe von Vorteilen für die nachhaltige Stärke des LEH, von denen nachfolgend einige beispielhaft angeführt werden:
1. Marktdurchdringung
Der deutsche LEH ist ein hoch konzentrierter Markt mit vier führenden Marktteilnehmern, die über langjährig erfolgreiche Geschäftsmodelle verfügen: Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) sowie Aldi. Zusammen decken die „großen Vier“ laut Bundeskartellamt gut 85% des Marktes ab. Dabei ist das LEH-Segment traditionell hart umkämpft. Gut positionierte Supermärkte und SB-Warenhäuser sind Umsatzgaranten, was sich aus der Sicht der Immobilieneigentümer wiederum positiv auf die längerfristige Mietperspektive auswirkt.
2. Online-Resistenz
Während der Non-Food-Handel seit Jahren spürbar an die Konkurrenz aus dem Internet verliert, ist der Online-Lebensmittelhandel in Deutschland (noch) eine Nische. Zwar bemühen sich Internetanbieter (wie beispielsweise Picnic, Gorillas, Flink, Getir) intensiv darum, einen größeren Marktanteil zu erobern, doch ihre Absatzgebiete liegen im Wesentlichen in Ballungsräumen, wo nicht zuletzt die logistischen Herausforderungen deutlich einfacher zu bewältigen sind. Auf dieser Basis wird das bundesweite Filialnetz der etablierten Handelsunternehmen von den Start-ups bis auf Weiteres nicht ernsthaft bedroht.
Gleichzeitig hat beispielsweise die Rewe-Gruppe kürzlich mit dem Lieferdienst Flink eine Partnerschaft verabredet und beliefert das junge Unternehmen nunmehr mit Ware. Rewe kann hierdurch seine bereits bestehenden Lebensmittel-Lieferaktivitäten weiter ausdehnen und profitiert gleichzeitig von einem sich dynamisch entwickelnden Start-up. Heißt: Der Erfolg von Flink stellt zunächst keine direkte Konkurrenz dar, sondern sorgt durch eine Verzahnung der Geschäftsmodelle dafür, dass Rewe im Erfolgsfall seine Marktposition insgesamt weiter ausbauen kann. Bestehende Filialen des Lebensmittelhändlers bieten sich dabei möglicherweise zukünftig als zusätzliche Mikro-Verteilzentren für den Online-Partner an.
3. Vertriebsstruktur
Die Lieferanten des LEH betreiben in der Regel keine eigenen Läden, sondern vertreiben ihre Produkte überwiegend in den Filialen der Händler. Auf der Non-Food-Seite hingegen sind eigene Geschäfte von etablierten Marken wie Adidas oder Boss längst ernsthafte Konkurrenten des traditionellen Einzelhandels. Zudem forcieren Hersteller von Non-Food-Artikeln den Onlineverkauf über eigene Webshops, was den stationären Handel zusätzlich schwächt – eine vergleichbar umfangreiche Entwicklung ist im Lebensmittelsektor bislang nicht erkennbar.
Wettbewerb um die besten Objekte wird intensiver
Die zuvor beschriebene Mischung aus belastbaren Geschäftsmodellen und attraktiven Wachstumsperspektiven im Lebensmittelhandel schätzen Immobilieninvestoren im aktuellen Marktumfeld mehr denn je. Als Folge hieraus sind Immobilien mit entsprechenden Ankermietern, aber auch Anbietern von Produkten für den täglichen Bedarf wie beispielsweise Drogerien, Bäckereien oder Apotheken besonders nachgefragt. Angesichts eines vergleichsweise restriktiven öffentlichen Genehmigungsumfeldes im Zusammenhang mit der Neuerrichtung größerer LEH-Standorte dürfte sich der Wettbewerb um die besten Objekte dabei zukünftig eher noch verschärfen.
Transaktionsvolumen legt deutlich zu
Die Marktsituation spiegelt sich ebenfalls in aktuellen Kennzahlen wider: Laut dem Immobiliendienstleister JLL betrug das Transaktionsvolumen für Handelsimmobilien im ersten Halbjahr 2021 rund 3,13 Mrd. Euro. Fachmärkte, Fachmarktzentren und Supermärkte/Discounter hatten hieran zusammen genommen einen Anteil von 59%. Das entspricht 14 Prozentpunkten mehr als im Fünfjahresschnitt.
Im Gesamtjahr 2020 betrug nach JLL-Berechnungen das Transaktionsvolumen 10,4 Mrd. Euro. Fachmärkte/Fachmarktzentren erreichten dabei einen Anteil von 37% nach lediglich 25% im gesamten Vorjahr. Der Anteil der Supermärkte/Discounter erreichte 21% – nochmals vier Prozentpunkte mehr als im bereits starken Jahr 2019 und ein mehr als doppelt so hoher Anteil verglichen mit dem Fünfjahresschnitt. In der Summe standen also Nahversorgungsimmobilien für 58% des Transaktionsvolumens und verdeutlichen damit in der Corona-Krise die Erwartung seitens vieler Investoren hinsichtlich eines sicheren Hafens.
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Bild: © © Piman Khrutmuang – stock.adobe.com; Porträtfoto: HAMBORNER REIT AG
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