AssCompact suche
Home
Assekuranz
22. Juni 2020
Lebensversicherer müssen Federn lassen

Lebensversicherer müssen Federn lassen

Anders als in den Vorjahren konnten die Lebensversicherer ihre Kapitalausstattung nicht erneut ausbauen, ihre Solvenz ist rückläufig. Dies geht aus dem aktuellen map-report hervor, der Solvabilität und Finanzlage der Lebensversicherer und privaten Krankenversicherer nach Solvency II beleuchtet. Die PKV-Anbieter zeigen sich dagegen gut gerüstet.

Der jüngste map-report hat die aktuellen Berichte der Lebensversicherer und privaten Krankenversicherer zu Solvabilität und Finanzlage nach Solvency II unter die Lupe genommen. In diesem Jahr mussten die Gesellschaften ihre SCFR-Berichte (Solvency and Financial Condition Report) nicht wie geplant zum 07.04.2020 veröffentlichen, sondern aufgrund der Corona-Krise zum Stichtag 2. Juni. Vor allem die Solvenzquoten (SCR-Quoten) stehen im Mittelpunkt des Interesses. Diese werden durch die Gegenüberstellung von zwei Werten ermittelt: aus der Solvenzkapitalanforderung (SCR) auf der einen und den anrechnungsfähigen Eigenmitteln des Unternehmens auf der anderen Seite. Vereinfach dargestellt zeigt die Solvenzquote, ob Versicherer einen ausreichenden Kapitalpuffer haben, um auch in Extremszenarien ihre Verpflichtungen noch erfüllen zu können.

Vergleichbarkeit der Solvenzquoten schwierig

Berechnet werden kann die Quote mit einer Standardformel oder einem internen, gesellschaftsindividuellen Modell. Zudem sind Übergangsmaßnahmen sowie Erleichterungen bei den Rückstellungen zulässig. Dies führt im Ergebnis dazu, dass Solvency-II-Quoten einschließlich aller Übergangsmaßnahmen nicht direkt verglichen werden können. „Quote ist nicht gleich Quote“, erklärt Reinhard Klages, Chefredakteur des map-reports. „Je nachdem, wie die Quote ermittelt wurde, kann das Ergebnis leicht um mehrere hundert Prozent abweichen.“ Im map-report werden die Solvabilitätsquoten deshalb sowohl mit Volatilitätsanpassung (VA) und Übergangsmaßnahmen (ÜM) als auch ohne Hilfsmaßnahmen abgebildet.

Laut Analysten nutzten 71 der insgesamt 81 untersuchten Gesellschaften die Standardberechnung SCR. 51 Versicherer verwendeten Übergangsmaßnahmen für versicherungstechnische Rückstellungen und Volatilitätsanpassung. Acht Gesellschaften nutzten ausschließlich die Übergangsmaßnahme für versicherungstechnische Rückstellungen. Weitere acht Lebensversicherer machten ausschließlich von Volatilitätsanpassung Gebrauch. Die WWK nutzte als einziges Unternehmen die Übergangsmaßnahme für risikofreie Zinssätze in Kombination mit der Volatilitätsanpassung.

Solvenz von Lebensversicherern rückläufig

Anders als in den Vorjahren konnten die Lebensversicherer ihre Kapitalausstattung nicht erneut ausbauen. Laut map-report hat sich die Solvenzquote insgesamt rückläufig entwickelt. Ohne Übergangsmaßnahmen beträgt sie 249,1% gegenüber einem Wert von 269,6% im Vorjahr. Klages führt die insgesamt niedrigere Eigenmittelausstattung insbesondere auf den dramatischen Zinsrückgang im Jahresverlauf 2019 zurück. „Scheinbar konnte auch die garantiereduzierte und somit eigenmittelschonenderen Produktpolitik der Lebensversicherer dem fallenden Trend nicht entgegenwirken“, so Klages. Mittelfristig sei davon auszugehen, dass die marktweite Zunahme an Produkten ohne nennenswerte Garantien die Kennzahlen tendenziell weiter stabilisiere. Denn unter Solvency II werden die Kapitalanforderungen risikobasiert ermittelt. Verringert sich das Risiko, nimmt auch der Kapitalbedarf ab. „Doch wie dramatisch sich alles binnen kürzester Zeit ändern kann, haben nicht zuletzt die Auswirkungen der Corona-Maßnahmen eindrucksvoll bewiesen,“ betont Klages.

Enorme Spannweite bei Quoten

Blickt man auf die Solvenzquoten der einzelnen Versicherer, so zeigt sich eine weite Spanne. Die höchste Solvenzquote verzeichnen die Europa mit 823,2% und die Dialog mit 784,0%. Es folgen DLVAG mit 641,7% und Direkte Leben mit 550,7%.

 

Lebensversicherer müssen Federn lassen

 

Zwölf Versicherer landen unter der 100%-Marke. Dies bedeutet nicht, dass diese Unternehmen von der Insolvenz bedroht sind und es ihnen an Eigenmitteln mangelt, sondern an Risikotragfähigkeit. Sie haben derzeit nicht ausreichend Kapital, um eine Extremsituation zu überstehen, wie sich rechnerisch in einem von 200 Jahren vorkommt.

MCR-Bedeckungsquoten mit noch größerer Bandbreite

Das MCR (Minimum Capital Requirement = Minimumsolvenzkapital) legt die Kapitaluntergrenze fest. Wird diese anhaltend unterschritten, wird die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb entzogen. Bei den MCR-Bedeckungsquoten (inklusive Volatilitätsanpassung und Übergangsmaßnahmen) driften die Lebensversicherer noch stärker auseinander als bei der SCR-Variante. Die Werte reichen von 3.292,9% der Europa bis zu 353,7% für Rheinland. Ohne Übergangshilfen kommen insgesamt sieben Lebensversicherer nicht über die Hürde von 100%. Von diesen Gesellschaften zeichnen aber drei Anbieter kein Neugeschäft mehr.

Private Krankenversicherer für Solvency II gut gewappnet

Vergleichsweise gut aufgestellt für Solvency II präsentieren sich die privaten Krankenversicherer. Im Gegensatz zu den Lebensversicherern können sie ihre Beiträge bei Bedarf erhöhen. Das schlägt sich in hohen SCR-Quoten nieder. Hier zeigt sich eine Spanne von 1.497,8% der Landeskrankenhilfe bis hin zu 193,7% der Ergo. Insgesamt sank die SCR-Bedeckung ohne Volatilitätsanpassung und Übergangsmaßnahmen leicht von 551,2% im Jahr 2018 auf 538,7% im Jahr 2019. (tk)

Der map-report Nr. 915 – „Solvency im Vergleich“ kann gegen Gebühr bei service@fb-research.de bezogen werden. Eine Kurzzusammenfassung gibt es hier. (tk)

Bild: © Marina Lohrbach – stock.adobe.com