In der EU treten schrittweise Einschränkungen und Verbote für bestimmte Gruppen von per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) in Kraft. Mittelfristig ist ein generelles Verbot geplant. PFAS – auch als „Ewigkeitschemikalien“ bekannt – sind wasser-, fett- und schmutzabweisend sowie extrem hitze- und kältebeständig. Wegen ihrer potenziellen Gesundheitsrisiken stehen die über 10.000 Verbindungen jedoch seit Jahren in der Kritik.
Die Industrie wehrt sich gegen ein pauschales EU-weites Verbot. Unterstützung erhält die Industrie von Versicherungsmaklern, die sich in dem Zusammenhang gegen pauschale Risikoausschlüsse beim Versicherungsschutz und für Einzelfallprüfungen einsetzen.
GDV fügt Musterbedingungen PFAS-Klausel hinzu
Kürzlich hat der GDV seinen unverbindlichen Musterbedingungen eine neue Vertragsklausel hinzugefügt. Sie kann bei Bedarf in Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherungen sowie Umweltrisikoversicherungen ergänzt werden. „Mithilfe dieser PFAS-Klausel können Versicherer Schäden durch diese Chemikalien grundsätzlich erst einmal ausschließen – um dann in einem zweiten Schritt mit den Kunden konkret zu vereinbaren, unter welchen Bedingungen und in welcher Höhe Schäden durch bestimmte PFAS-Verbindungen wieder versichert werden“, sagt Anja Käfer-Rohrbach, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des GDV.
Versicherungsmakler Aon: Absicherung wird massiv erschwert
Bei Versicherungsmaklern stößt die neue Klausel allerdings auf Kritik. Thomas Gahr, Director und Spartenleiter Haftpflicht und Luftfahrt bei Aon Deutschland: „Wir bewerten die neuen unverbindlichen Musterbedingungen des Gesamtverbands der Versicherer (GDV), PFAS-bezogene Schäden zunächst standardmäßig in Betriebs- und Produkthaftpflichtversicherungen sowie Umweltrisikoversicherungen auszuschließen, kritisch. Denn dies erschwert die Absicherung solcher Schäden für die deutsche Wirtschaft ganz massiv.“
Nicht alle Unternehmen seien in gleichem Maße von PFAS-Risiken betroffen. Die Diskussion über PFAS sollte nicht mit einem pauschalen Ausschluss beginnen, sondern mit einer Analyse des individuellen Risikos. Gahr erklärt: „Aus guten Gründen sehen bisher die meisten Versicherer in Deutschland keine Standard-Ausschlüsse bezüglich PFAS in ihren Policen vor. Stattdessen wurden Einzelfalllösungen für Unternehmen mit signifikanter PFAS-Exposition gesucht. Ein Ausschluss ist dabei nur die letzte Option am Ende der Diskussion.“
Versicherungsmakler VSMA: Versicherer sollen Klausel nicht übernehmen
Nach Ansicht der VSMA GmbH, dem Versicherungsmakler des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e. V. (VDMA), bedeutet die neue Klausel trotz der suggerierten Offenheit für Einzelfalllösungen de facto einen Totalausschluss. Dies sei damit ein erheblicher Rückschritt in der bisherigen Diskussion. „Mit der neuen Vertragsklausel setzt der GDV ein fatales Signal: Statt sich in einer kritischen Übergangsphase als Partner der Industrie zu positionieren, schürt er Unsicherheit und erhöht den wirtschaftlichen Druck auf den industriellen Mittelstand. Das gefährdet nicht nur einzelne Unternehmen – sondern auch Vertrauen, Investitionsbereitschaft und langfristige Standortsicherung in Deutschland“, erklärt Birger Jeurink, Geschäftsführer der VSMA. Er appelliert an die Versicherer, dem Vorschlag des GDV nicht zu folgen, sondern Verantwortung zu übernehmen und gemeinsam mit der Industrie tragfähige und zukunftsorientierte Lösungen zu entwickeln.
Gemeinsame Aufgabe: Alternativen zu PFAS entwickeln
Allseits besteht die Hoffnung, dass die Versicherungswirtschaft – sei es durch die GDV-Klausel oder auf anderem Wege – dazu beiträgt, dass die Industrie zügiger Alternativen zu den gefährlichen Formen der Ewigkeitschemikalien entwickelt.
Die Relevanz des Themas zeigt sich auch im Blick auf die USA, wo es in den vergangenen Jahren zu groß angelegten Klagen gegen Unternehmen wegen PFAS gekommen ist. Ähnliche Entwicklungen werden nun auch in der EU befürchtet. Versicherer befürchten unter anderem, dass sie bei einer Deckung von PFAS-Risiken Gefahr laufen, unbeabsichtigt eine Vielzahl von Schäden über verschiedene Branchen und Verträge hinweg zu kumulieren – mit schwer kalkulierbaren Folgen. (bh)
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