Interview mit Christian Nuschele, Head of Sales & Marketing bei Standard Life, und Martin Stenger, Director Sales Business Development Insurance & Retirement Solutions bei Franklin Templeton
Herr Nuschele, was hat Standard Life und Franklin Templeton dazu bewogen, gemeinsam einen Fonds aufzulegen?
Christian Nuschele Die Auflage des Fonds war das Ergebnis eines sehr offenen Dialogs und einer sehr intensiven Zusammenarbeit. Das erste Gespräch fand am Rande eines Kongresses statt. Es war nicht so, dass Franklin Templeton auf uns zukam und alle bestehenden Lösungen vorgestellt hat. Martin Stenger hat ganz offen gefragt, was aus unserer Sicht Kundinnen und Kunden im Fondspolicen-Angebot vermissen könnten. Wir kamen recht schnell zum Ergebnis, dass ein aktiv gemanagtes ESG-Multi-Asset-Portfolio im Fondspolicenmarkt fehlt. Wir haben danach gemeinsam die Anforderungen an den Fonds immer weiter konkretisiert und Franklin Templeton hat mit seinen ESG- und Portfoliomanagement-Experten eine maßgeschneiderte Lösung entwickelt. Mit der Auflage des Franklin ESG-Focused Balanced Fund haben wir also ganz gezielt eine bestehende Angebotslücke geschlossen.
Weshalb haben Sie sich bei Auflage des Fonds gerade für eine Multi-Asset-Lösung entschieden?
CN Wir sehen seit Jahren, dass sich Kundinnen und Kunden für aktiv gemanagte Multi-Asset-Lösungen entscheiden und den Asset-Managern die Zusammenstellung bzw. die Anpassungen des Portfolios überlassen wollen. Gleichzeitig sehen wir eine deutliche Entwicklung hin zu nachhaltigen Fonds. Umso überraschender ist es, dass es im Bereich der Aktien- oder Anleihefonds zwar gute Einzellösungen gibt, die unter Artikel 8 oder 9 der Offenlegungsverordnung einsortiert werden können, eine überzeugende aktiv gemanagte Multi-Asset-Lösung aber gefehlt hat. Diese Lücke haben wir mit dem neuen Fonds geschlossen. Der Multi-Asset-Fonds legt ausgewogen an, also gleichgewichtet in Aktien und Anleihen, wobei der jeweilige Anteil je nach Marktsituation um 10 Prozentpunkte angepasst werden kann. Die erwartete Volatilität liegt im niedrigen zweistelligen Bereich, maximal bei 15%. All dies passt ganz hervorragend zum Bedarf langfristig orientierter Vorsorgekunden und macht den Fonds zum passenden nachhaltigen Core-Investment für Anlegerinnen und Anleger.
Herr Stenger, Fondsgesellschaften wird immer wieder vorgeworfen, mit dem Label ESG nur Greenwashing betreiben zu wollen – zuletzt beispielsweise von der Bürgerbewegung Finanzwende. Wie sorgen Sie dafür, dass Ihr Fonds wirklich „grün“ ist?
Martin Stenger Wir schauen auf allen drei Ebenen – Umwelt, Soziales und Governance – sehr genau hin, was im Fonds stattfinden darf, und das Forum Nachhaltige Geldanlagen, kurz FNG, hat die hohe Qualität unseres Ansatzes mit zwei Sternen attestiert. Auf der Aktienseite beziehen wir nicht nur ESG-Daten von mehreren Dienstleistern, sondern kategorisieren und priorisieren diese auch je nach Relevanz für unser Portfolio. Das ist aufwendig und erfordert viel „in house“-Expertise, unterscheidet uns aber von anderen. Auf der Anleihenseite haben wir uns auf europäische Anlagen konzentriert, um die Qualität in Bezug auf den ESG-Ansatz hoch zu halten. Dies ist ein wichtiger Punkt, der in den jüngsten Überlegungen zur EU-Taxonomie vertieft wurde und uns im Nachhinein in unserem Ansatz bestätigt hat.
Blicken wir einmal tiefer in den Anlageprozess: Wie wird die ESG-Strategie konkret umgesetzt?
MS Wichtig für Anleger ist es zu wissen, dass die Integration von ESG-Daten an mehreren Stellen der Portfoliokonstruktion passiert, und zwar bei Aktien, Staats- sowie Unternehmensanleihen. Für das Aktienportfolio identifiziert das Portfoliomanagement Unternehmen mit starken ESG- und fundamentalen Eigenschaften, die durch unsere proprietäre Scoring-Methode untermauert werden. Aufseiten der Staatsanleihen kommt ebenfalls ein proprietäres ESG-Ratingmodell zum Einsatz, bei dem Länder auf Basis ihrer Exposition gegenüber bestimmten Risiken bewertet werden. Bei den Unternehmensanleihen werden die Manager von dem fundamentalen ESG-Research der Sektorexperten innerhalb von Franklin Templeton unterstützt.
Warum haben Sie sich gegen eine kostengünstigere Lösung basierend auf nachhaltigen ETFs entschieden?
CN Es war eine ganz bewusste Entscheidung für einen Asset-Manager, der von Anfang an auf den Bedarf unserer Kunden und Vermittler eingegangen ist und diesen ganz gezielt umgesetzt hat. Franklin Templeton bietet ja auch passive Lösungen an. Im Rahmen der Entwicklung des Konzeptes sind wir aus unterschiedlichen Gründen zum Entschluss gekommen, dass ein aktiv gemanagtes Portfolio die bessere Lösung für unsere Kundinnen und Kunden ist. Natürlich haben wir bei der Entwicklung auch darauf geachtet, dass wir den Fonds zu einem sehr günstigen Preis anbieten können. Dank spezieller Vorzugskonditionen ist der Fonds in unseren Fondspolicen zu einer TER (Gesamtkostenquote) von nur 0,35% p. a. verfügbar. Kundinnen und Kunden erhalten damit einen aktiv gemanagten Multi-Asset-Fonds auf dem Preisniveau eines ETFs.
Anbieter trimmen aktuell große Teile ihres Produktportfolios auf Nachhaltigkeit. Ist das eine Reaktion auf die anziehende Nachfrage oder wird hier nur ein Marketing-Trend bedient?
MS Das Thema nachhaltiges Investieren wird aufgrund von zwei Effekten immer bedeutender: aufgrund des Push-Effekts, da die Regulatorik hier immer weiter voranschreitet und immer mehr Standards setzt, und aufgrund eines Pull-Effekts, da das Bewusstsein für nachhaltige Geldanlagen in der Breite der Anlegerschaft gestiegen ist. Beides zusammen genommen ist weit mehr als ein Marketing-Trend. Ich glaube, es ist nicht vermessen zu behaupten, dass echte nachhaltige Fonds dabei helfen, unsere Welt ein Stück weit besser zu machen.
Die EU macht beim Thema ESG Druck. Auch Berater müssen sich künftig verstärkt der ESG-Thematik stellen. Welche Rolle kann hierbei Ihre neue Fondslösung spielen?
MS Vermittlerinnen und Vermittler sollten sich intensiv mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigen. Aktuell ist das zwar eher noch etwas für Spezialisten, aber über kurz oder lang wird an dem Thema kein Weg mehr vorbeiführen. Und das nicht nur, weil Nachhaltigkeitspräferenzen voraussichtlich ab August 2022 bei der Beratung angesprochen werden müssen, sondern vor allem auch, weil die Nachfrage weiter steigen wird. Der neue Fonds ist speziell für den Bedarf nachhaltig orientierter Kundinnen und Kunden entwickelt, er erfüllt die regulatorischen Anforderungen und die Nachhaltigkeit wird von unabhängigen Institutionen wie dem FNG bestätigt. Darüber hinaus ist Multi-Asset ein zentrales Investmentthema der vergangenen Jahre. Umso erstaunlicher ist es, dass es noch sehr wenige Fonds gibt, die beides – Nachhaltigkeit und Multi-Asset – sinnvoll miteinander kombinieren. Die Berater sind damit bestens aufgestellt, die großen Investmentchancen mit nachhaltigen Aktien und Anleihen für sich und ihre Kunden zu nutzen.
Gehen Sie davon aus, dass Ihr Vorgehen Schule machen wird und es zu weiteren Partnerschaften zwischen Versicherern und Fondshäusern kommen wird?
CN Fondspolicen sind mehr als nur eine Alternative zum Depot – sie sind ein wesentlicher Bestandteil der Altersvorsorge und der Finanzplanung unserer Kunden. Um den Besonderheiten eines Versicherungsproduktes gerecht zu werden, sind maßgeschneiderte Konzepte nötig – und diese entstehen durch enge Partnerschaften. Das wird in der Zukunft immer häufiger passieren, da bin ich mir sicher.
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 03/2022, S. 62 f., und in unserem ePaper.
Bild: © Pcess609 – stock.adobe.com


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