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30. August 2021
Müssen Versicherungsmakler Direktversicherer berücksichtigen?

Müssen Versicherungsmakler Direktversicherer berücksichtigen?

Kann von Versicherungsmaklern verlangt werden, auch Tarife von Direktversicherern in ihre Marktanalyse einzubeziehen? In einem Urteil kommt das LG Konstanz zu dem Schluss, dass Makler ihre Marktgrundlage nicht grundsätzlich einschränken dürfen. Fachanwalt Jens Reichow erläutert, welche Gefahren das Urteil für Makler birgt.

Von Jens Reichow, Fachanwalt und Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Wird ein Versicherungsmakler vom Versicherungsnehmer damit beauftragt, eine passende Versicherung für ihn ausfindig zu machen, greifen viele Versicherungsmakler regelmäßig lediglich auf courtagepflichtige Tarife zurück. Viele Versicherungsmakler scheuen offenbar davor zurück, mit dem Versicherungsnehmer über ihre Vergütung zu reden und die Vermittlung von Nettopolicen samt Vermittlungshonorar als echte Alternative zur Vermittlung von courtagepflichtigen Tarifen darzustellen. Angebote von Direktversicherern oder andere nicht frei auf dem Versicherungsmarkt zugängliche Versicherungsangebote werden daher meist nicht berücksichtigt. Aber mit einem solchen Vorgehen könnte nun Schluss sein – zumindest wenn man der Ansicht des LG Konstanz und auch anderer Instanzgerichte folgt.

LG Konstanz urteilt zulasten der Versicherungsmakler

In einer Entscheidung vom 21.01.2021 hat das LG Konstanz (Az.: Me 4 O 90/19) verdeutlicht, dass ein Versicherungsmakler auch Angebote von Direktversicherern oder andere nicht frei auf dem Ver­sicherungsmarkt zugängliche Ver­sicherungsangebote nicht grundsätzlich unberücksichtigt lassen darf. Der dort beklagte Versicherungsmakler hatte nämlich versucht, solche Angebote von seiner Beratungsgrundlage durch eine entsprechende Klausel im Maklervertrag auszuschließen. Entsprechende Ausschlüsse finden sich in vielen Maklerverträgen.

Das LG Konstanz sah in dem vertraglichen Ausschluss von Direktversicherern eine Eingrenzung der Marktgrundlage nach § 60 VVG. Da eine solche Markteingrenzung nach dem Gesetzeswortlaut nur „im Einzelfall“ rechtlich zulässig ist, die vom Versicherungsmakler verwendete Klausel sich jedoch standardisiert und vorformuliert in seinem Versicherungsmaklervertrag befand, wertete das LG Konstanz den vom Versicherungsmakler verwendeten Ausschluss von Direktversicherern im Maklervertrag als unwirksam.

Der Versicherungsmakler wurde daraufhin vom LG Konstanz zu Schadensersatz verurteilt. Er hatte es nämlich unterlassen, für ein bestimmtes Risiko des Versicherungsnehmers Versicherungsschutz zu vermitteln. Der Ver­sicherungsnehmer hatte sich darauf berufen, dass für das konkrete Risiko bei einem Direktversicherer Ver­sicherungsschutz hätte erlangt werden können.

Rechtsprechung zum Ausschluss von Direktversicherern

Das Urteil des LG Konstanz ist nicht das erste, das sich kritisch zu dem Ausschluss von Direktversicherern im Maklervertrag äußert. Auch das LG Leipzig hat bereits kritisch Stellung zu einem solchen Ausschluss genommen und ihn im Ergebnis ebenfalls als unwirksam erachtet. Allerdings erging das Urteil des LG Leipzig noch zu einer wettbewerbsrechtlichen Streitigkeit. Das Urteil aus Konstanz betrifft nunmehr jedoch einen konkreten Haftungsfall eines Versicherungsmaklers.

Eingrenzung der Marktgrundlage oder Definition des Marktes?

Dieser Entwicklung der Rechtsprechung steht die Kanzlei Jöhnke & Reichow kritisch gegenüber. Insbesondere überzeugt die Urteilsbegründung des LG Konstanz nicht, wonach ein Ausschluss von Direktversicherern eine Anbietereinschränkung gemäß § 60 VVG darstellt. Entsprechend der Auffassung, wie sie von unserer Kanzlei vertreten wird, stellt ein Ausschluss von Direktversicherern vielmehr lediglich die Definition eines zu betrachtenden Marktes dar. Der Ausschluss von Direktversicherern im Maklervertrag ist nach Ansicht der Kanzlei Jöhnke & Reichow daher von vornherein nicht an den Maßstäben des § 60 VVG zu messen.

Rechtliche Einordnung

Es erscheint unverständlich, warum es einem Versicherungsmakler nicht gestattet sein soll, den zu betrachtenden Markt eigenständig im Vorfeld durch eine entsprechende Klausel im Maklervertrag zu definieren. Der Ausschluss von Direktversicherern schließt also nicht einzelne Versicherer von einem grundsätzlich eröffneten Markt aus, sondern definiert den zu berücksichtigenden Markt von vornherein als denjenigen der courtagepflichtigen Tarife. Insbesondere unter Berücksichtigung der gewöhnlich auch im Maklervertrag vereinbarten Vergütung in Form einer vom Versicherer zu zahlenden Courtage entspricht es ebenfalls nicht der Erwartungshaltung des Versicherungsnehmers, dass sich der Versicherungsmakler auf dem Markt der courtagefreien Tarife von Direktversicherern umschaut.

Fazit

Es bleibt zu hoffen, dass sich nicht weitere Gerichte der Auffassung des LG Konstanz anschließen. Versicherungsmaklern, die aktuell Direktversicherer noch in ihrem Maklervertrag von der Beratungsgrundlage ausschließen, ist nach der Entscheidung des LG Konstanz dennoch zu raten, ihren Maklervertrag rechtlich prüfen und den entsprechenden Ausschluss überarbeiten zu lassen.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 08/2021, Seite 116 f., und in unserem ePaper.

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Bild: © Stockdonkey – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Jens Reichow