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11. Oktober 2019
Nachhaltige Finanzberatung: Zeit zu handeln

Nachhaltige Finanzberatung: Zeit zu handeln

Die EU macht Ernst. Um die Klimaziele zu erfüllen und künftig ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu erreichen, sollen die Kapitalströme umgelenkt werden. Das Ziel sind verstärkte Investitionen in Unternehmen, die nachhaltig aufgestellt sind. Das hat auch Auswirkungen auf den Arbeitsalltag von Finanzberatern.

Von Steffen Merker, Leiter Nachhaltige Investments und Fondsmanager bei der LBBW Asset Management

Es ist offensichtlich: Die Menschheit lebt derzeit über ihre Verhältnisse. Bereits am 29.07. dieses Jahres hatte die Weltbevölkerung all jene natürlichen Ressourcen verbraucht, welche die Erde innerhalb eines Jahres regenerieren und somit nachhaltig zur Verfügung stellen kann. Das hat die Organisation Global Footprint Network berechnet. Der entsprechende Earth Overshoot Day beziehungsweise Weltüberlastungstag ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten immer weiter nach vorne gerückt. Insbesondere der Lebensstil der Menschen in den reichen Industrienationen trägt zum raschen Verbrauch der natürlichen Ressourcen bei. So waren beispielsweise die Ressourcen in Deutschland bereits am 03.05. dieses Jahres aufgebraucht.

Auch wenn man die Berechnungsmethoden des Earth Overshoot Days in Teilen hinterfragen kann, steht eines fest: Die Menschheit verbraucht die vorhandenen Ressourcen in überproportionaler Weise und beeinflusst damit auch massiv das Klima. Experten des UN-Weltklimarates IPCC weisen darauf hin, dass menschliche Aktivitäten bereits zu einer Erderwärmung von 1,0 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter beigetragen haben. In einem Bericht haben die Forscher vor Kurzem darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, weil die Folgen der Klimaveränderungen ansonsten noch drastischer wären.

EU definiert Handlungsempfehlungen

Zeit zu handeln also. Das hat auch die EU-Kommission erkannt. Im März 2018 hat sie einen Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums vorgelegt, der seitdem kontinuierlich weiterverfolgt und ausgearbeitet wurde. Die Kommission verfolgt damit im Grunde drei Ziele: Sie will innerhalb der EU die Transparenz und die Langfristigkeit der Finanz- und Wirtschaftstätigkeit fördern, sich für finanzielle Risiken wappnen, die sich aus dem Klimawandel, der Ressourcenknappheit, der Umweltzerstörung und sozialen Problemen ergeben, und die Kapitalflüsse hin zu nachhaltigen Investments lenken. Letzteres ist nach Ansicht von Experten auch nötig, um die Erderwärmung einzudämmen.

Die ökonomisch größte Gefahr

Ökonomisch betrachtet besteht die größte Gefahr für das Klima darin, dass zu viel Geld in CO2-intensive und zu wenig Geld in CO2-arme Technologien und Branchen fließt. In diesem Fall wären die Klimaziele der EU in Gefahr. Und die will die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen weiter verschärfen. Vor ihrer Wahl hatte sie vorgeschlagen, die Treibhausgasemissionen in der EU bis zum Jahr 2030 nicht nur, wie bislang vorgesehen, um 40%, sondern um 50% gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 zu senken und bis 2050 eine Klimaneutralität in der EU herzustellen.

Auswirkungen für Finanzberater

Die Pläne der EU haben auch Auswirkungen für Finanzberater, denn was auf den ersten Blick vielleicht etwas vage klingen mag, wird in Form von Gesetzesvorschlägen immer konkreter. So sollen Finanzberater in Zukunft zum Beispiel verpflichtet werden, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden zu erfragen. Diese Verpflichtung soll in die Richtlinien MiFID II und IDD eingearbeitet werden und spätestens ab 2020 gelten. Die Antworten ihrer Kunden sollen die Finanzberater dann in Empfehlungen für passende Finanzinstrumente umsetzen. Die EU ist dabei, dafür eine sogenannte Taxonomie zu entwickeln, mit der sich klassifizieren lässt, wie nachhaltig ein Finanzprodukt ausgerichtet ist. Bei Aktien- oder Rentenfonds etwa soll offengelegt werden können, wie hoch der prozentuale Anteil der Wertpapiere im Fonds ist, der die Vorgaben der EU-Taxonomie als nachhaltiges Investment erfüllt.

Nachfrage nach nachhaltigen Investmentlösungen steigt

Finanzberater können davon ausgehen, dass sich in der Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden ein steigender Wunsch nach nachhaltigen Investments niederschlagen wird. 2018 ist das Volumen der nachhaltigen Geldanlagen in Deutschland gegenüber dem Vorjahr um 28% auf insgesamt 219,1 Mrd. Euro angewachsen und hat damit ein Rekordniveau erreicht. Und die Nachfrage wird in den kommenden Jahren weiter wachsen. In der Finanzberatung ist das Thema Nachhaltigkeit damit längst kein Nischenthema mehr, sondern wird immer mehr zum „Mainstream“.

Nachhaltigkeit muss keine Rendite kosten

Ein gutes Argument für den Privatanleger sind dabei neben der emotionalen Rendite – nämlich der Gewissheit, gemäß den eigenen Werten zu investieren und zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen – auch die tatsächlichen Renditechancen. Nachhaltiges Investieren muss schließlich nicht zulasten der Rendite gehen. Zahlreiche Studien zeigen, dass sich nachhaltige Fonds in puncto Performance nicht hinter herkömmlichen Fonds verstecken müssen. So hat etwa der LBBW Global Warming in den vergangenen zehn Jahren eine Rendite von 185% erzielt. Der Fonds ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass Anleger mit Fonds­lösungen bereits gezielt auf bestimmte Nachhaltigkeitsaspekte setzen können. Der Aktienfonds investiert über­wiegend in Aktien von Unternehmen, die Produkte oder Dienstleistungen anbieten, die der globalen Erderwärmung entgegenwirken oder deren Folgen abmildern. Anleger, die eher eine einer Vermögensverwaltung ähnlichen Anlagemöglichkeit suchen, können auf Mischfonds wie den LBBW Multi Global Plus Nachhaltigkeit zurückgreifen. Der Fonds kombiniert die langjährige Erfahrung in der Asset-Allokation mit der Nach­haltigkeitsexpertise der LBBW Asset Management.

Nachhaltige Investments können Portfoliorisiken senken

Doch ganz gleich, für welche nachhaltige Investmentlösung sich die Anleger entscheiden. Ein Umdenken und eine Überprüfung des Portfolios sind in jedem Fall ratsam. So können sie Risiken vermeiden – zum Beispiel die Gefahr von „stranded assets“ („gestrandete Vermögenswerte“), die durch die Begrenzung der Förderung fossiler Reserven im Zuge der Erreichung der UN-Klimaziele entstehen können. Das hat folgenden Hintergrund: Um die CO2-Emissionen in die Atmosphäre zu verringern, müssen Unternehmen in der EU für den Ausstoß von Kohlendioxid CO2-Zertifikate erwerben. Im Sinne der Klimaziele werden diese Zug um Zug verknappt und verteuert.

Anlagegefahr einer „Carbon Bubble“

Ein im April 2018 von Carbon Trackers veröffentlichter Bericht prognostiziert, dass sich die CO2-Preise in der EU bis 2021 verdoppeln, bis 2030 sogar vervierfachen werden. Unternehmen, die fossile Brennstoffe anbieten oder verbrauchen, müssen daher ihre Geschäftsmodelle überdenken. Für Anleger ergibt sich damit die Gefahr einer „Carbon Bubble“, also einer nicht mehr den Risiken angemessenen Bewertung von Unternehmen, die fossile Brennstoffe herstellen oder verkaufen. Große Investoren wie etwa der Norwegische Pensionsfonds, der ein Vermögen von rund 895 Mrd. Euro verwaltet, haben daraus bereits Konsequenzen gezogen und ihre Beteiligungen an Kohleunternehmen abgestoßen. Weitere institutionelle Investoren wie zum Beispiel die Versicherer Allianz und AXA sind diesem Beispiel eines „Divestments“ gefolgt. Ein Wertpapierdepot, das dem Klimaschutz dient, liegt damit unter Rendite- und Risikogesichtspunkten zunehmend auch im Interesse von Privatanlegern – und ihrer Finanzberater.

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2019, Seite 70f und in unserem ePaper.

Bild: © farizun amrod – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Steffen_Merker