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14. März 2022
Nachhaltigkeit: Status quo in der Versicherungsbranche

Nachhaltigkeit: Status quo in der Versicherungsbranche

Getrieben durch regulatorische Vorgaben und einen gesellschaftlichen Wertewandel gewinnt Nachhaltigkeit in der Assekuranz rasch an Bedeutung. Doch wie ist gegenwärtig der Status quo in der Versicherungsbranche? Gleich zwei Studien gewähren einen Einblick – und die BaFin sieht auch Risiken.

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in der Assekuranz rasch an Bedeutung. Regulatorische Vorgaben und der gesellschaftliche Wertewandel hin zu einer vermehrt klima- und umweltbewussten Lebensweise geben entscheidende Impulse für die Versicherungswirtschaft. Doch wie weit ist die Implementierung einer Nachhaltigkeitsstrategie in der Assekuranz bereits vorangekommen? Zwei aktuelle Studie liefern einen Einblick in den Status quo, während die Aufsichtsbehörde Bafin bei diesem Wertewandel auch neue Risiken auf den Finanzsektor zukommen sieht. 

Nachhaltigkeit entlang der Wertschöpfungskette

Die Ergebnisse einer Studie des German Sustainability Network (GSN) zeigen, dass sich Nachhaltigkeit auf alle Bereiche und Abläufe entlang der Wertschöpfungskette bei Versicherern auswirkt. So wird jeder der abgefragten Wertschöpfungsaktivitäten von mindestens der Hälfte der Befragten Handlungsbedarf zugeschrieben. Im Mittelpunkt der Agenda steht laut den 32 befragten Versicherern der Bereich der Kapitalanlage: Knapp 80% sehen hier einen großen Handlungsbedarf. Es folgen die Bereiche „Produktentwicklung“, „Vertrieb“ und „Risikomanagement“, bei denen von mindestens 60% der Befragten ein hoher Handlungsbedarf gesehen wird. Der im Schnitt geringste Handlungsbedarf wird den Funktionsbereichen „Human Resources“ und „Compliance“ zugeordnet.

Nachhaltigkeit als Erfolgsfaktor

Obwohl Nachhaltigkeit im Allgemeinen an Stellenwert gewinnt, bewerten die Befragten den Beitrag des Themas zum unternehmerischen Erfolg sehr unterschiedlich. Durchschnittlich schreiben die Versicherer dem Thema Nachhaltigkeit für das kommende Geschäftsjahr einen mittleren Erfolgsbeitrag zu. Während rund ein Drittel der Unternehmen einen relevanten Erfolgsbeitrag sieht, schätzen etwa 20% der Unternehmen diesen als gering oder sehr gering ein. Immerhin 97% der Befragten erwarten aber, dass der Erfolgsbeitrag in den nächsten fünf Jahren zunehmen wird.

Nur spärliche personelle Ressourcen

Betrachtet man die für Nachhaltigkeit verwendeten Ressourcen fällt auf, dass in vier der 32 befragten Versicherern keine einzige Person im Schwerpunkt mit dem Thema Nachhaltigkeit betraut ist. Der Durchschnitt über alle befragten Unternehmen liegt bei drei Personen. In Relation zu den Gesamtbeschäftigten liegt der Anteil der Personen, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigen, meist bei deutlich unter 5%. Beschäftigtenanteile größer 10% weisen nur drei der befragten Versicherer auf. Gleichzeitig gab über die Hälfte der Befragten an (62%), die personellen Ressourcen ausbauen zu wollen. Bei einem Viertel der Unternehmen ist dies wiederum nicht vorgesehen.

Herausforderungen in der internen Umsetzung

Zugleich macht eine weitere Studie unter 529 Befragten der Branche durch das Center for Sustainable Insurance (CSI) deutlich, dass die Versicherungswirtschaft bei Nachhaltigkeit vor großen internen Herausforderungen steht. Die größte Schwierigkeit für eine konsistente Nachhaltigkeitsstrategie besteht demnach beim unternehmensweiten Wissensaufbau und -transfer. Aber auch fehlende Daten zur Umsetzung der bestehenden Regulatorik erschweren ihre Umsetzung. Außerdem fällt es noch vielen Befragten schwer, die Endkundenperspektive in Bezug auf das Thema Nachhaltigkeit richtig einschätzen zu können. Abschließend fehlen den Unternehmen der Versicherungsbranche aber auch die notwendigen zeitlichen Ressourcen für die konsequente Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie.

Neue Risiken durch das Thema Nachhaltigkeit

Unterdessen ergeben sich für die BaFin durch den Wandel in Richtung Nachhaltigkeit auch zunehmend finanzielle Risiken für die Unternehmen des Finanzsektors und deren Kunden. Nach Angaben der Aufsichtsbehörde spielen hierbei insbesondere physische, transitorische und Greenwashing-Risiken eine bedeutende Rolle:

  • Physische Gefahren bringen zum Beispiel Extremwetterereignisse mit sich, die aufgrund von Veränderungen klimatischer und ökologischer Verhältnisse entstehen. Wenn Kunden oder Sicherungsgüter von solchen Ereignissen betroffen sind, kann sich dies negativ auf Kreditexposures auswirken. Für Versicherer könnten sich Groß- oder Kumulschäden häufen.
  • Transitorische Entwicklungen, etwa die Abkehr von fossilen Energiequellen, haben zur Folge, dass Vermögenswerte neu bewertet werden müssen und möglicherweise ihren Wert vollständig verlieren – sogenannte stranded assets. Das kann hohe Wertberichtigungen nach sich ziehen.
  • Eine dritte Gefahr besteht darin, dass Anbieter Greenwashing betreiben, dass sie also irreführende Angaben zur Nachhaltigkeitskonformität ihrer Produkte machen oder Verbraucherinnen und Verbraucher täuschen, um den Vertriebserfolg zu maximieren.

Die BaFin fordert daher die Unternehmen der Real- und der Finanzwirtschaft dazu auf, die erforderlichen Daten und Erkenntnisse zu gewinnen, diese systematisch in ihr Risikomanagement einzuspeisen und bei der strategischen Unternehmenssteuerung zu berücksichtigen. (as)

Bild: © Coloures-Pic – stock.adobe.com