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1. Januar 2021
Netto-Policen – Das unterschätzte Potenzial für die Versicherungsbranche

Netto-Policen – Das unterschätzte Potenzial für die Versicherungsbranche

Sie sind immer noch eine Randerscheinung im deutschen Lebensversicherungsmarkt: Netto-Policen. Bei Vermittlern und Kunden können sie mit Transparenz punkten, trotzdem erfordern sie eine hochwertige Beratung, meint der Spezialanbieter Liechtenstein Life Assurance.

Der Provisionsdeckel hängt schon länger drohend über der Versicherungswelt. Seit einer Weile herrscht Stillstand zu dem Thema in der Politik, sodass nun nicht wenige Teilnehmer der Branche darauf hoffen, dass er schlicht nicht kommen wird – vor allem nicht jetzt in der pandemie­bedingten Krise, die die Wirtschaft und mit ihr die Ver­sicherungsbranche in große Unsicherheit gestürzt hat.

Dass der Provisionsdeckel allerdings gar nicht beschlossen wird, ist eher unwahrscheinlich. Vielmehr sieht es danach aus, als würde er vielleicht nicht für das gesamte Altersvorsorge­geschäft eingeführt werden, sondern nur für Teilbereiche. So oder so hat der Diskurs um ihn aber bereits dazu geführt, dass Vermittler sich grundsätzlich die Frage stellen, welche alternativen Vergütungsmodelle neben dem klassischen Provisionsmodell für sie und ihre Kunden sinnvoll sind und gleichzeitig für ein weiterhin profitables Vermittlergeschäft sorgen.

Aufseiten von Verbrauchern und Verbraucherschützern besteht nach wie vor der Wunsch nach mehr Transparenz – das Fehlen derselben macht es nach wie vor für Endkunden schwer, die wirklich bestmögliche Police für sich zu finden. In einer Zeit, in der Kunden dank des Internets Produkte und Services jederzeit umfassend vergleichen und auch kaufen können, finden sie sich schlicht nicht mehr damit ab, wenn ausgerechnet ihre Altersvorsorge eine Blackbox für sie ist.

Eine Lösung mit noch wenig genutztem Potenzial: Die Netto-Police

Für die Herausforderungen, die der mögliche Provisions­deckel mit sich bringt, gibt es für Vermittler verschiedene Lösungsansätze. Vielen ist dabei aber gar nicht bewusst, dass es bereits Ver­sicherungsprodukte gibt, die die oben genannten Probleme lösen: Netto-Policen. Bisher eher eine Randerscheinung im Lebensversicherungsmarkt und bei Vermittlern, erst recht aber Verbrauchern weitgehend unbekannt, bieten sie viel Potenzial. Die beiden größten Vorteile: Sie sind sehr transparent und sie können dazu beitragen, Altersvorsorge und Altersvorsorgeberatung wieder einer breiteren Zielgruppe zu ermöglichen, insbesondere Geringverdienern und Jüngeren.

1. Transparenz für den Endkunden

Beim Rechtsanwalt oder Arzt ist es der Endkunde längst gewohnt: Die Beratungsleistung, die der eigentlichen Leistung vorausgeht, wird transparent und separat abgerechnet. Bei der Netto-Police ist dies genauso: Das Versicherungs­produkt selbst und die Vergütung des Vermittlers werden klar voneinander getrennt. Das macht dieses Produkt für den Endkunden sehr transparent.

Aber auch für Vermittler ist der Vertrieb von Netto-Tarifen interessant – dies gilt insbesondere dann, wenn ihnen ein Mitgestaltungsrecht bei der Höhe des zu zahlenden Honorars vonseiten des Versicherers zugestanden wird. Auch sollten sie selbst darüber entscheiden können, ob das Honorar fix oder stattdessen abhängig von der Bewertungssumme der Police abgerechnet werden soll – hier sollten sich Vermittler einfach intensiv mit dem Angebot verschiedener Versicherer auseinandersetzen, die Netto-Produkte anbieten, und ihre Entscheidung für oder gegen ein Produkt davon abhängig machen.

Grundsätzlich ist wichtig zu wissen: Netto-Policen stehen Honorarberatern ebenso offen wie Vermittlern, die sonst auf Provisionsbasis arbeiten. Empfehlenswert ist, diese Produkte einfach einmal für sich im eigenen Portfolio zu testen und herauszufinden, inwiefern sie es ergänzen und bereichern können.

2. Altersvorsorge muss nicht elitär sein – Netto-Policen als Option für Geringverdiener

Viele Verbraucher winken gleich ab, wenn sie Begriffe wie Altersvorsorge und Wohlstandsaufbau hören – gerade dann, wenn sie sich für die Auswahl geeigneter Policen und Produkte kostenpflichtig beraten lassen sollten. Das gilt insbesondere für Jüngere und Geringverdiener. Das aber sollte keineswegs der Fall sein. Gerade Geringverdiener mit wenig finanziellem Spielraum sollten frühzeitig und möglichst effektiv für ihr Alter vorsorgen – dazu gehört vielfach kompetente Beratung durch Experten. Dass diese auch angemessen vergütet werden muss, denken nicht nur die Vermittler selbst, das sehen auch die meisten Endkunden so.

Beides kombinieren und Altersvorsorge „für jedermann“ möglich machen: Auch das kann mit Netto-Policen gut funktionieren. Und zwar dann, wenn der Ver­sicherer Factoring-Verträge anbietet. Diese werden über Finanzdienstleister abgewickelt. Sie machen es möglich, dass der Endkunde die Vergütung über einen längeren Zeitraum in Raten abbezahlt. So profitiert er davon, dass er nicht den vollen Preis auf einmal bezahlen muss (der laut Stiftung Warentest bei bis zu 2.000 Euro liegen kann); gleichzeitig schlägt sich diese stückweise Zahlungsweise nicht auf die Rendite seiner Police nieder, was ebenfalls von Vorteil ist. Diese Faktoren führen dazu, dass Netto-Policen auch für Zielgruppen interessant sind, für die Lebensversicherungen bisher nicht infrage kamen.

Und wo liegt der Haken?

Verbraucher können also von Netto-Policen profitieren. Eines aber sollte ihnen transparent vermittelt werden: Auch wenn sie einen Netto-Police-Vertrag vorzeitig kündigen, müssen sie für die geleistete Beratungsleistung bezahlen. Dieser ganz legitime Sachverhalt ist nicht jedem Kunden klar, weswegen Transparenz hier umso wichtiger ist.

Ganz allgemein sollten Vermittler sich bewusst sein, dass eine hochqualitative Beratung des Kunden auch hier extrem wichtig ist. Denn so vorteilhaft der Netto-Tarif für ihn auch sein mag, so ist auch er nur ein weiteres Produkt auf dem schon schwer durchschaubaren Versicherungsmarkt. Vermittler sollten hier für mehr Vertrauen und Transparenz sorgen.

Ein Schritt in die Zukunft

Netto-Tarife sind also interessant für alle Beteiligten. Zudem bieten sie Potenzial, das Vertrauen in den Versicherungsmarkt und die Vermittler zu stärken. Ein nicht ganz unwichtiges Argument, ist doch deren Ansehen in der Bevölkerung eher begrenzt.

Eine Umfrage, die die Liechtenstein Life bei der DKM 2019 unter 77 Versicherungsexperten durchführte, spiegelte eine Offenheit und Sensibilität auf Vermittlerseite hinsichtlich dieser Themen wider: Immerhin 23,4% von ihnen waren der Ansicht, Netto-Policen anzubieten, könne das Ansehen der Vermittler beim Endkunden steigern. 40,3% sagten, Netto-Policen könnten die Transparenz der Beratungsleistung steigern. Und ganze 44,2% hielten Netto-Tarife für eine gute Lösung, wenn der Provisionsdeckel kommt.

Der Auftrag an die Branche ist nun also, solche Tarife populärer zu machen und transparent zu erläutern. Nur so können sie aus ihrer Nische heraustreten und für die Mehrheit der Vermittler und Berater zu einer Alternative oder Ergänzung zu Policen im Provisionsmodell werden.

Von Gordon Diehr, COO der Liechtenstein Life Assurance AG.

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Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 12/2020, Seite 42f., und in unserem ePaper.

Bild: © thongsan – stock.adobe.com