Ein Beitrag von Michael Richthammer, Geschäftsführer bei Richthammer Versicherungsmakler GmbH & Co. KG
Anzug, Krawatte, Aktenkoffer. Der Versicherungsmitarbeiter aus dem Bilderbuch. Es war eine andere Zeit damals in den 1980er-Jahren, als unser Unternehmen gegründet wurde. Wer bei einem Versicherer eine Stelle antrat – meist waren es Männer –, wurde Teil einer Branche, die noch weniger veränderlich erschien als die Prinzipien der Arbeitswelt an sich. Vier Jahrzehnte und eine Pandemie später sieht vieles anders aus. Polo und Sneaker sind das neue Outfit zum Tablet. Und das sind nur die äußerlichen Zeichen dessen, was sich in den Köpfen vieler im Land verändert hat: die Einstellung zum Arbeiten. Die Vollzeitstelle im Büro mit gutem Auskommen ist nicht mehr alles. Insbesondere junge Frauen und Männer erwarten mehr vom (Arbeits-)Leben. Und das mit Recht.
„Mitarbeiter müssen gewonnen werden.“ Das ist das Mantra der HR-Profis. Und doch wirkt es so, als täten sich Unternehmen quer durch alle Branchen immer noch schwer damit, neue Wege zu gehen, um für Fachkräfte und den Nachwuchs attraktiv zu sein. Wir haben frühzeitig den Schalter umgelegt und vor allem damit aufgehört, über die Situation zu jammern. Das liegt vielleicht an unserer Mentalität als Oberpfälzer. Man sagt uns nach, dass wir nicht viel reden, sondern die Dinge einfach in die Tat umsetzen.
Studienangebot vor der Haustür
Auf der Suche nach Lösungen kamen wir zum Angebot eines dualen Studiums – und zwar am Ort, nicht irgendwo in der Republik. Die kleine, feine Ostbayerische Technische Hochschule (OTH) in Weiden ermöglicht ein dreijähriges Bachelorstudium der Betriebswirtschaftslehre bzw. Digital Business Management, begleitend zu unserer betrieblichen Ausbildung der Kaufleute für Versicherungen und Finanzanlagen. Für die jungen Menschen liegen die Vorteile auf der Hand, wie es einer unserer dualen Studenten ausdrückt: „Es wollen immer mehr Leute studieren, trotzdem wollen oder müssen die meisten Geld verdienen. Mit einem dualen Studium vereint man beide Aspekte.“
Apropos Geld. Ich höre aus Unternehmen, duale Studenten kosteten nur Geld: während der frühen Ausbildungsphase, zu der auch die Berufsschulzeit gehört, und vor allem dann während der Semester an der Hochschule. Aber ich rechne da anders: Die dualen Studenten sind das Geld wert, das sie kosten. Zunächst einmal sind sie in der Ausbildung auch im Betrieb und leisten wertvolle Arbeit. Sobald sie fertig ausgebildet sind, haben wir perfekt auf unsere Bedürfnisse ausgebildete Fachkräfte, die wir sofort überall einsetzen können; sei es im Innendienst, sei es im Außendienst. Diesen Typ bei uns gewachsener und loyaler Mitarbeiter, eingearbeitet und mit besten Kenntnissen, würden wir auf dem Arbeitsmarkt kaum bekommen.
Konferenz aus dem Camper
Wir haben gelernt, wie wir erfolgreich unsere eigenen neuen Leute nachziehen können. Es ist davon auszugehen, dass wir diese dann langfristig an uns binden können. Wir haben uns aber zusätzlich einiges einfallen lassen, um alle Mitarbeiter zu halten und zudem attraktiv auf dem Arbeitsmarkt zu sein. Priorität hat für uns dabei die Flexibilität, die die neue Arbeitswelt, das sogenannte New Work, heute schon prägt und in Zukunft noch viel deutlicher prägen wird. Ich sehe keine zwingenden Gründe, warum im Jahr 2023 das Büro bei uns in der Firma der feste Arbeitsplatz für alle unsere Beschäftigten sein soll. Mobiles Arbeiten und Home-Office sind auch nach Corona für alle geblieben, die es wollen und können. Für ein klassisches Unternehmen noch vor Jahren undenkbar, haben wir heute kein Problem damit, dass ein Teil der Belegschaft aus Co-Working-Spaces, aus Business-Hotels oder von Campingplätzen aus den Job macht – wo er oder sie sich gerade eben aufhält, spielt keine Rolle mehr.
Wir sehen in all dem keine Mode, die wieder verschwinden wird. Das Arbeiten, das Erwerbsleben, hat sich stetig entwickelt, nur eben seit einigen Jahren beschleunigt. Unsere Gesellschaft – übrigens auch die Kundinnen und Kunden – besteht nicht mehr aus Steinzeit-Sammlern und Akkord-Malochern des Frühkapitalismus. Selbst die geregelte 40-Stunden-Woche im Büro sehen Teile der Jugend nicht mehr als erstrebenswert an. Junge Leute fragen, warum sie 40 Stunden arbeiten sollen. Und wofür und für wen.
Als Arbeitgeber bald auch Sinngeber
Die Rolle des Arbeitgebers wird automatisch eine andere, wenn Mitarbeiter eine Arbeit als sinnstiftend ansehen. Für uns könnte die Antwort darauf sein, dass wir noch mehr darüber reden werden müssen, welchen Stellenwert für die Kollegen die Bezahlung hat und welche Rolle andere Faktoren wie etwa zusätzliche Freizeit oder Altersvorsorge dabei einnehmen werden. Wir setzen als familiär geprägter Mittelständler gezielt auf Benefits, so wie wir sie eher von den Großbetrieben her kennen. Unsere Betriebsfeiern und vor allem die teambildenden Ausflüge in den Hochseilgarten oder zum Wildwasserrafting bleiben im kollektiven Gedächtnis unserer Mitarbeiter.
Lerneffekte im ländlichen Afrika
Seit einigen Jahren schicken wir junge Leute auch in die Wüste. Nicht im übertragenen Sinn, sondern ganz direkt ins ländliche Namibia. Das südwestafrikanische Land ist mir seit Langem ans Herz gewachsen; ich bin beruflich und privat regelmäßig dort. Der persönliche Eindruck von dieser fernen Welt ist durch nichts zu ersetzen, auch wenn ich gerne und viel darüber erzähle. Unsere dualen Auszubildenden dürfen nach Namibia und von dort arbeiten, aber eben mit all den Erlebnissen, die sie nur vor Ort im ländlichen Afrika bekommen können.
Das Maklerhaus Richthammer bietet seinen dualen Studenten Aufenthalte in Namibia an. Hier sind die Unterkunft (links) und das Büro (Bild oben) für die Arbeit vor Ort abgebildet.
Drei duale Studenten waren bereits in Afrika und wir werden es weiteren anbieten. Der Trip ist mehr als ein klassisches Benefit. Er soll ein prägendes Erlebnis sein. Reisen bildet, das ist ein alter Hut. Aber mir geht es darum, dass die jungen Leute, die unser aller Zukunft – und die meines Unternehmens – mitgestalten werden, eine wichtige Erkenntnis mit nach Hause bringen: Selbst im ländlichen Namibia verändert sich das Leben mindestens in einer Geschwindigkeit wie hier bei uns. Die Welt bleibt nicht stehen. Nirgends.
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 07/2023, S. 82 f., und in unserem ePaper.
Bilder: © Richthammer

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