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Fort & Weiterbildung
25. Juli 2022
New Learning: Was bedeutet das für die Praxis?

New Learning: Was bedeutet das für die Praxis?

Beim Thema Aus- und Weiterbildung tauchen ständig neue Begriffe auf: agiles Lernen, Lernen 4.0, New Learning/New Work, LMS-Systeme, synchrone und asynchrone Lernformate, WBT, Live-Online-Seminare, Blended Learning, Learner-Journey. Doch was heißt „New Learning“ für die Praxis?

Ein Artikel von Stefan Pentenrieder; Senior-Trainer der Buhr & Team AG für mehr Unternehmenserfolg sowie Experte für Trainerausbildung, Lerndesigns und hybride Lernprozesse
In dieser Serie stellt Buhr & Team zusammen mit Experten die „New Ways of Learning“ und damit verbundene Vertriebsthemen der Branche vor.

Starten wir nicht mit dem Neuen, sondern „back to the roots“: Was bleibt rund um das Thema Lernen und Lernkonzepte unverändert?

  • Arbeit mit und an den eigenen Stärken
  • Der Mensch bleibt beim Lernen das Wichtigste
  • Wiederholung und Vertiefung als elementare Lerngrundlage
  • Lust am Lernen und am Thema bleiben die Erfolgsbringer
  • Gute Trainer sind nach wie vor sehr wichtig
  • Vielfalt der Methoden online und in Präsenz – Abwechslung macht Lust
  • Hohe „Sofortrelevanz“ der Inhalte

Und was ist bei „New Learning“ wirklich neu?

  • Die breite Akzeptanz, denn Online-Lernen funktioniert. Die Corona-Jahre haben das bewiesen und diese breite Zustimmung erst erschaffen.
  • schaffen vielfältige Möglichkeiten, die den Digitalisierungsschub für Bildung möglich machen.
  • Das Zusammenspiel: Lernen ist stärker als Prozess angelegt, der verschiedene Lernformate – inklusive Wiederholung/Vertiefung/Reflexion – in eine stimmige Struktur bringt.
  • Ort und Zeit sind selbstbestimmter. Das eröffnet sowohl für die Macher/Planer als auch für die Lernenden ganz neue Möglichkeiten der Bildung.
Lernen ist ein Prozess

Lernen wird so zu einer „Metakompetenz“. Die hybriden Lernangebote unterstützen lebenslange Lernschleifen und sorgen für eine zunehmende Reflexionsfähigkeit über individuelle Lernwege.

Weil ständig Neues auf uns einprasselt, ist das Gebot „einfach halten“ wichtig. Also die Vielfalt nutzen und trotzdem die Komplexität reduzieren. Was (zu) kompliziert ist, macht niemand, denn die Pflege wird zu aufwendig und ein „Verzetteln“ ist vorprogrammiert.

Das bedeutet, den Komplexitätsgrad für einen eigenen hybriden Ansatz so zu wählen, dass das Unternehmen ihn auch bewältigen kann.

Der Mensch bleibt im Mittelpunkt

Digitale Angebote können dazu verleiten, den Lernenden und seine (sozialen) Bedürfnisse aus den Augen zu verlieren. Menschen brauchen und wollen jedoch den persönlichen Austausch – auch Online.

Für eine breite Kompetenzentwicklung, die über das reine Fach­wissen hinausgeht, braucht der Mensch den Menschen. In Präsenz ist das automatisch gegeben, aber auch online ist es notwendig, weil das Erleben von Sinn und die eigene Potenzialentfaltung Teil des Lernens sind.

Eine zentrale Erkenntnis rund um das Thema „selbst gesteuertes Lernen“ ist der Zauber der Arbeit in Kleingruppen. Das diszipliniert, erzeugt einen positiven „Druck“, schafft eine (Selbst-)Verpflichtung und unterstützt auch das Lernprinzip „Teilnehmer lehren Teilnehmer“. Deshalb ist es wichtig, Lernen als gemeinschaftliche Aufgabe zu begreifen und wesentlich stärker systematisch in den Prozess einzubauen.

Ein hybrider Lern- und Entwicklungsprozess

Folgende Lernformate sind in einem hybriden Lernprozess sinnvoll:

  • Webinare: Ein online stattfindendes Training mit allen Teilnehmern und Teilnehmerinnen.
  • Lernimpulse: Micro-Learning-Einheiten (bis ca. 15 Minuten) mithilfe von Videos oder Podcasts sowie einem Skript zum Vertiefen und zum Transferauftrag. Inhalt sind fachliche Themen oder auch Impulse, die nur einen kurzen Themenaspekt aufgreifen und idealerweise mit einer guten Geschichte verbunden sind.
  • Präsenzteile: Alle treffen sich live vor Ort.
  • Kleingruppenarbeit: Kooperatives Online-Lernen in Gruppen zu je drei Personen in unterschiedlicher Ausgestaltung.
  • (Reine) Selbstlernprogramme: Jeder Teilnehmer lernt Inhalte online. Quiz, Lernerfolgskontrollen & Co. sind Geschmackssache und abhängig vom Ziel und vom Inhalt. Eine gute Sache sind Selbstlernmodule dann, wenn alle durch die Vorbereitung einen ähnlichen inhaltlichen Sach- und Fachstand erreichen sollen. Im Präsenztraining bleibt dann mehr Zeit für das Üben und die Interaktionsformen. Größere Unternehmen nutzen dazu meist webbasierte Lernplattformen. Auf kleinerer Flamme geht das auch über visualisierte Videos und digitale Handouts.
  • Chats und Foren können über den gesamten Prozess parallel laufen. Sie sorgen für rasche Kommunikation und informellen Austausch.
Die Rolle der Führungskraft im Prozess

Auch hier hat sich in Bezug auf die hohe Bedeutung wenig verändert. Ideal ist es, wenn die Führungskraft Bestandteil des Lernprozesses ist, sich für die Mitarbeiter und deren Lernentwicklung interessiert und auf diese Weise – durch das Feedback der Mitarbeiter – auch selbst schlauer wird. So übernimmt die Führungskraft eine Mitverantwortung für die Lernentwicklung. Diese Führungsaufgabe kommt fast immer zu kurz!

Voraussetzungen für das Funktionieren: Was sollte das Unternehmen leisten?

Dieser Punkt wird häufig zu kurz gedacht. Ein zweimal stattfindendes zweitägiges Training ist rasch aufgesetzt, extern vergeben und fertig. Das ist bei einem hybriden „Lernprozess“ anders. Der Prozess muss zuerst erdacht, stimmig strukturiert und intern abgestimmt werden. Es ist also eine Bereitschaft nötig, sich auf einen Lernprozess, der eventuell über mehrere Monate geht, einzulassen.

Dazu ist eine interne Person notwendig, die das Thema treibt, sich verantwortlich fühlt, an den Teilnehmern und Teilnehmerinnen dranbleibt und Interesse am Lernfortschritt zeigt. Das kann beispielsweise über enge und fortlaufende Feedbackschleifen stattfinden. So können Unternehmen ganz praktisch „New Learning“ lernen und entwickeln.

Aber eines muss beim Aufsetzen auch klar sein: Das Lernen wird intensiver, gleichzeitig wird aber das Handling anspruchsvoller. Gerade am Anfang, wenn noch wenig Erfahrung im Unternehmen vorliegt, ist externe Begleitung hilfreich. Das kann die Unterstützung beim Aufbau eines Lernsystems oder die Übernahme der fachlichen Themenfelder (Trainer) sein.

Der Effekt

Die Mischung macht’s: zeitliche Flexibilität und Struktur, Präsenz- und Online-Lernformate, Selbststeuerung und Eigenverantwortung, Lernschleifen und rasches Feedback, kollegiale Fallberatung und Erfahrungsaustausch, Wiederholung und Vertiefung, Micro-­Learning und Transfer sowie eine (Mit-)Verantwortung der Führungskraft. Schon ist eine „New-Learning-Strategie“ im Unternehmen integriert, und das (fast) ohne Fremdwort – gemäß dem Motto: „Verstehen macht Lust auf mehr.“

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 07/2022, S. 96 f., und in unserem ePaper.

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Bild: © Coloures-Pic – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Stefan Pentenrieder