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17. Mai 2025
Pflege und Beruf: Das sollten Arbeitgeber wissen
Pflege und Beruf: Das sollten Arbeitgeber wissen

Pflege und Beruf: Das sollten Arbeitgeber wissen

Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege wird für Unternehmen zunehmend relevanter, da immer mehr Beschäftigte pflegebedürftige Angehörige betreuen. Zwei gesetzliche Regelungen bieten die Möglichkeit, Arbeitszeiten vorübergehend anzupassen. Eine Rechtsexpertin erläutert die Details.

Ein Artikel von Smaro Sideri, Rechtsanwältin Fachanwältin für Arbeitsrecht, Referentin für arbeitsrechtliche Seminare, Podcasthost von „Attraktive Arbeitgeber“

Das Thema Pflege von Angehörigen betrifft heute schon viele Menschen und wird in Zukunft immer relevanter und immer mehr Beschäftigte betreffen, die pflegebedürftige Angehörige haben und zwischen Beruf und Pflege hin- und herjonglieren und einen anstrengenden Spagat leisten müssen. Hier gibt es zwei Gesetze, die Beschäftigte entlasten und in dieser schwierigen Situation unterstützen, die jedoch kaum bekannt sind und deshalb auch in der Praxis kaum genutzt werden: das Pflegezeitgesetz und das Familienpflegezeitgesetz.

Was ist die Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz?

Die Pflegezeit bedeutet, dass Beschäftigte bei ihrem Arbeitgeber beantragen können, komplett bis zu sechs Monate freigestellt zu werden, um Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen. Sie können auch eine Kombination zwischen kompletter Freistellung und Teilzeitbeschäftigung wählen, zum Beispiel zwei Monate eine komplette Freistellung als Pflegezeit und vier Monate Pflegezeit plus Teilzeitbeschäftigung.

Hier stecken schon ein paar Voraussetzungen drin. Es geht nämlich um eine Situation, in der Beschäftigte in einem Anstellungsverhältnis pflegebedürftige Angehörige haben, die sie pflegen möchten. Das Pflegezeitgesetz definiert in § 7 Abs. 3 PflegeZG den Kreis der Angehörigen, der sehr weit geht: Nicht nur die Eltern oder die Kinder werden darunter gefasst, sondern auch die Groß-eltern, Schwiegereltern, Stiefeltern, Geschwister, Ehegatten der Ge-­schwister, Adoptiv- und Pflegekinder und einige mehr. Hier hat der Gesetzgeber versucht, so viele Familienkonstellationen wie möglich zu erfassen.

Was bedeutet „pflegebedürftig“?

Der Begriff der Pflegebedürftigkeit wird in § 7 Abs. 4 PflegeZG und in §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch 11 zur Pflegeversicherung definiert. Dort steht: „Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.“ Es geht also um den festgestellten Pflegegrad. Wenn eine Begutachtung zur Ermittlung des Pflegegrads noch nicht stattgefunden hat, dann ist auf die voraussichtliche Pflegebedürftigkeit abzustellen.

Die pflegebedürftigen Angehörigen müssen auch nicht in Deutschland leben, sondern können auch im Ausland leben. Es können somit Beschäftigte in Deutschland auch Pflegezeit für einen im Ausland pflegebedürftigen Angehörigen nehmen, sofern der Angehörige in häuslicher Umgebung, also nicht in einer Pflegeeinrichtung gepflegt wird.

Möchten z. B. Geschwister die Pflege eines Elternteils übernehmen, können sie die Pflegezeit beide gleichzeitig oder nacheinander bei ihren jeweiligen Arbeitgebern in Anspruch nehmen. Die Pflegezeit kann pro Angehörigem einmal genommen werden. Tritt aber für einen anderen Angehörigen Pflegebedürftigkeit ein, kann erneut Pflegezeit genommen werden. Der Anspruch auf Pflegezeit besteht für Arbeitnehmer/-innen nicht gegenüber Arbeitgebern mit in der Regel 15 oder weniger Beschäftigten. Natürlich kann die Pflegezeit in kleineren Unternehmen auf freiwilliger Basis gewährt werden.

Besonderer Kündigungsschutz

Es ist ein Antrag, der frei formuliert werden kann, beim Arbeitgeber einzureichen mit einer Frist von zehn Tagen vor dem Beginn der Pflegezeit und der Angabe, für welchen Angehörigen und für welche Dauer Pflegezeit beansprucht wird.

Wichtig ist zu wissen, dass, sobald diese Pflegezeit in einem Arbeitsverhältnis beantragt wird, ein besonderer Kündigungsschutz nach dem Pflegezeitgesetz für die Dauer der Pflegezeit greift. Das heißt, in dieser Zeit kann das Arbeitsverhältnis vom Arbeitgeber nicht gekündigt werden. In der Pflegezeit sind Arbeitnehmer/-innen weiterhin in der Sozialversicherung versichert. Während der Pflegezeit wird keine Vergütung vom Arbeitgeber bezahlt und es existiert auch keine Ersatzleistung, wie das etwa beim Elterngeld bekannt ist. Hier können Zeitwertkonten helfen, die in einem Unternehmen eingerichtet werden können. Diese Zeitwertkonten sind besondere Arbeitszeitkonten, die auch insolvenzgesichert sind und auf die Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen im Laufe des Arbeitsverhältnisses ansparen können. In einer Pflegesituation kann dann aus diesem Zeitwertkonto angespartes Geld herausgenommen werden. Hier kann eine Variante der Pflegezeit helfen mit einer weiteren gesetzlichen Regelung: dem Familienpflegezeitgesetz.

Was ist das Familienpflegezeitgesetz?

In Betrieben mit mehr als 25 Beschäftigten ist es möglich, eine Kombination zwischen einer Pflegezeit und einer Reduzierung der Arbeitszeit für die Dauer von zwei Jahren zu beantragen. Voraussetzung ist, dass die reduzierte Arbeitszeit mindestens 15 Stunden in der Woche betragen muss. Eine maximale Stundenzahl gibt es nicht, solange es nicht Vollzeit ist.

Denkbar wären also 30 Stunden oder 20 Stunden in der Woche. Möchten Beschäftigte für die Pflege von Angehörigen eine Familienpflegezeit beanspruchen, müssen sie in ihrem Antrag angeben, wie lange sie Familienpflegezeit in Anspruch nehmen möchten und in welchem Umfang die Arbeitszeit reduziert werden soll.

Die Familienpflegezeit muss nicht gleich für zwei Jahre beantragt werden. Es kann erst ein Jahr beantragt und dann verlängert werden. Auch eine Kombination zwischen Pflegezeit und Familienpflegezeit ist möglich, solange die zwei Jahre insgesamt nicht überschritten werden. Der Antrag muss mit einer Frist von acht Wochen vor der gewünschten Familienpflegezeit beantragt werden. Auch während der Familienpflegezeit gilt ein besonderer Kündigungsschutz, sodass das Arbeitsverhältnis in dieser Zeit vom Arbeitgeber nicht ordentlich gekündigt werden kann. Im Familienpflegezeitgesetz existiert eine weitere Besonderheit. Beschäftigte haben die Möglichkeit, ein zinsloses Darlehen für den Ausgleich der fehlenden Vergütung, die durch die Reduzierung der Arbeitszeit entsteht, in Anspruch zu nehmen. Das Darlehen wird vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben gewährt.

Akut eintretende Pflegesituation

In einigen Fällen tritt eine Pflegesituation eines Angehörigen plötzlich ein, zum Beispiel durch eine Verletzung, sodass man kurzfristig reagieren muss. Für solche Fälle sieht das Pflegezeitgesetz in § 2 PflegeZG vor, dass Beschäftigte bis zu zehn Tagen eine Freistellung in Anspruch nehmen können, ohne dass dafür Urlaub genommen werden muss.

Bei dieser kurzzeitigen Arbeitsverhinderung, die auch telefonisch beim Arbeitgeber angegeben werden kann, handelt es sich um eine unbezahlte Freistellung. Die Beschäftigen können für diese Zeit stattdessen von der Pflegekasse Pflegeunterstützungsgeld beantragen, welches in Höhe des Krankengelds (70%) ausbezahlt wird. Den Anspruch auf Pflegezeit haben Arbeitnehmer/-innen in Betrieben mit mindestens 15 Beschäftigten. Natürlich kann die Pflegezeit in kleineren Unter­nehmen auf freiwilliger Basis gewährt werden.

Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 04/2025 und in unserem ePaper.

Weitere Infos unter arbeitsrecht-sideri.de

 
Ein Artikel von
Smaro Sideri