Die Konjunkturerwartungen des Leibniz-Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sind im August kräftig gefallen, von 52,7 auf 34,7 Punkte. Das meldet die Investmentplattform eToro unter Berufung auf den ZEW-Erwartungsindex. Auch die Prognose von 40,0 wurde klar verfehlt. Dies sei ein weiterer Dämpfer für die wirtschaftliche Zuversicht in Deutschland und werfe neue Fragen zur Erholung auf.
Doch deutsche Privatanleger lassen sich davon bisher nicht beirren, so eToro. 45% sagen, sie liegen weiterhin auf Kurs mit ihren Anlagezielen. 72% fühlen sich sicher in Bezug auf ihren Arbeitsplatz. Das steht in starkem Kontrast zur Nervosität vieler Marktprofis – von Panik keine Spur.
Stimmungsdaten als Timing-Instrument?
Der ZEW-Erwartungsindex schwankt schon seit Jahren kräftig. Wer seine Entscheidungen nur auf diesen einen Stimmungsindikator gestützt hätte, hätte sein Depot ständig umgebaut. Stimmungsdaten sind eToro zufolge hilfreich, aber nicht immer als Timing-Instrument geeignet. Und das zeigt sich auch im Verhalten. 62% der deutschen Privatanleger haben ihre Beiträge in den letzten drei Monaten nicht verändert. 33% haben ihre Beiträge sogar erhöht, nur 5% reduziert. Es gibt demnach keine Anzeichen für Rückzug oder Hektik, trotz Zöllen, Industrieschwäche und politischer Unsicherheit.
Gold rückt in den Fokus
Auch die Einschätzung der aktuellen Lage trübt sich erneut ein. Der ZEW-Index fällt von 68,6 auf 59,5 Punkte und bleibt damit klar unter den Erwartungen. Ein Blick zurück zeigt, dass der letzte positive Wert fast drei Jahre zurückliegt – im November 2021. Die Kluft zwischen Erwartung und Realität bleibt damit groß, sodass die Unsicherheit anhält. Das geht auch an den Anlegern nicht spurlos vorüber, sie reagieren auf die anhaltende Unsicherheit mit entsprechenden Erwartungen. 57% der Deutschen erwarten, dass der Goldpreis in den nächstens sechs bis zwölf Monaten steigen wird. Das ist eToro zufolge ein deutliches Signal für verstärkte Absicherung und eine vorsichtigere Haltung im Portfolio.
Hoffnung bleibt
Positiv ist, dass der Erwartungswert weiterhin über dem historischen Durchschnitt liegt. Viele Finanzexperten hoffen also nach wie vor auf eine wirtschaftliche Erholung. In den Daten zur aktuellen Lage ist davon allerdings noch nichts zu sehen. Auch der Index zur aktuellen Lage zeigt, dass er kein verlässlicher Timing-Indikator für den Markt ist. Ein Beispiel macht dies besonders deutlich: Im Mai 2020 lag das Stimmungsbild an einem Tiefpunkt. Ende Mai hatte sich der Dax längst wieder um 40% vom Corona-Crash erholt. Ob das Stimmungsbarometer damals bereits den Tiefpunkt gesehen hatte, war übrigens noch völlig offen. Denn erste Erholungsanzeichen beim ZEW kamen erst im Juni, als der Markt seine Rallye schon weiter fortgesetzt hatte.
Handelskonflikt als zusätzlicher Belastungsfaktor
Die ohnehin angespannte Lage der deutschen Wirtschaft wird durch den neuen EU-USA-Handelsdeal zusätzlich belastet. US-Zölle von 15% auf deutsche Exporte treffen Schlüsselbranchen wie Auto, Chemie und Maschinenbau. Das erhöht laut eToro die strukturellen Risiken. Im zweiten Quartal schrumpfte das BIP um 0,1%, das dritte Rezessionsjahr droht. Zwar müssen Aktienmärkte nicht zwangsläufig fallen, aber die Anfälligkeit für Volatilität steigt. Anleger sollten wachsam bleiben, vor allem bei handelspolitischen Themen.
Langfristig denken
48% der Privatanleger zeigen sich wachsam gegenüber Marktschwankungen, nur 12% fühlen sich ängstlich. Das zeigt ein ruhiges und reflektiertes Verhalten vieler Anleger. Die Mehrheit scheint langfristig zu denken und sich nicht von kurzfristigen Unsicherheiten aus dem Konzept bringen zu lassen. Ganz nach dem Motto: Auch diese Krise wird vorübergehen. Für viele deutsche Anleger steht Durchhaltevermögen über Market Timing. (mki)
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