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7. November 2019
Probleme in der Cyberversicherung wachsen

Probleme in der Cyberversicherung wachsen

Steigende Schadenquoten in der Cyberversicherung veranlassen Versicherer, einerseits die Prämien anzuheben und andererseits die Versicherungssummen zu kappen. Zudem gibt es weiterhin Klärungsbedarf bei Standards und Bedingungen. Die Absicherung von Cyberrisiken bleibt eine Herausforderung.

Achim Fischer-Erdsiek, Geschäftsführer von NW Assekuranz, war einer der ersten Versicherungsmakler, die sich intensiv mit der Absicherung von Cyberrisiken beschäftigt haben. Zuletzt stellte er die eigens entwickelte „360°-Cyber-Analyse“ vor, mit der sich digitale Risikopositionen in Unternehmen bestimmen lassen.

In seiner Funktion als BDVM-Vorstand macht er nun auf divergierende Entwicklungen im Markt der Cyberversicherungen aufmerksam. Derzeit steigende Schadenquoten führten zu steigenden Prämiensätzen und sinkenden Kapazitäten. Während sich die Prämiensätze teilweise verdoppelten, reduzierten die Versicherer ihre Limits auf eine Größenordnung um die 15 Mio. Euro, erklärte er in der vergangenen Woche vor Journalisten. Ein Dilemma für die Wirtschaftsunternehmen – einerseits sollen und müssen sie sich gegen Cyberrisiken absichern, andererseits werden die Kapazitäten kleiner, weil der Leidensdruck bei den Versicherern größer wird: Die Schadenhäufigkeit und die Schadenhöhen steigen dort tendenziell an. Die derzeitigen Prämienerhöhungen werden die aktuelle Schadenentwicklung nicht auffangen, ist sich Fischer-Erdsiek sicher.

Die Entwicklung hat auch direkte Auswirkungen auf die Schadenregulierung. Kleinere Schäden würden schnell vom Versicherer bezahlt, bei größeren Schäden im Bereich von 250.000 bis 500.000 Euro sähen Versicherer dagegen näher hin und prüften genauer, weiß Fischer-Erdsiek. Ein Problem sei auch, dass in der Schadenregulierung teilweise die Erfahrung und die personellen Kapazitäten bei den Versicherern fehlten. Ein wesentliches Problem bestehe im Abgleich der in den Fragebögen aufgenommenen und in den Bedingungen vorausgesetzten Risikoinformationen und Obliegenheiten. „Die Komplexität der IT-Realität geht über einfach abzufragende Informationen weit hinaus“, so der Cyberversicherungsexperte. „Dies führt bei dem Versicherer zu unerwarteten Regulierungssituationen, da der Versicherungsnehmer die Risikobewertung richtig durchgeführt, die Risikofrage aber das eigentliche Problem nicht erfasst hat.“

Weiterer Klärungsbedarf

Auf Bedingungsseite sei mittlerweile ein ausreichendes Niveau erreicht, so Fischer-Erdsiek. Allerdings gebe es weiterhin Klärungsbedarf bei verschiedensten Aspekten. Einer davon sei die Kriegsklausel. Die Bedeutung von Cyberangriffen als Kriegstätigkeit wachse – dies mache eine Klarstellung, Abgrenzung und Diskussion mit dem Kunden zu dem auch in der Cyberversicherung bedingungsgemäß vereinbarten Kriegs- und Terror-Ausschluss notwendig. Weitere Themen, mit denen man sich zu beschäftigen habe, seien Silent Cyber, Cloud-Computing und die strafrechtliche Relevanz von Lösegeldzahlungen.

Insgesamt vermisst der BDVM-Vorstand noch Standards und Richtlinien, die Klarheit und Struktur in die Bewertung von Risiken bringen könnten. Er begrüßt jedoch, dass mit dem VdS-Standard 10.000 ein KMU-tauglicher Risiko-Bewertungsstandard und mit der ISO 27001 ff. ein Industriestandard zur Verfügung stehe – beide hätten mittlerweile mehr Akzeptanz im Markt.

Cyber als Chance, Nachwuchskräfte zu finden

Als ein Fazit hält Fischer-Erdsiek fest, dass die Versicherungswirtschaft nun gefordert sei, qualifiziertes Personal aufzubauen und Standards zu entwickeln, bevor das Geschäfts- und Wachstumsmodell Cyberversicherung zum Bumerang werde. Ein positiver Nebeneffekt sei es dabei, Berufseinsteigern und Nachwuchskräften eine moderne Berufskarriere in der Versicherungswirtschaft bieten zu können: Insbesondere junge Mitarbeiter stiegen begeistert in die Cyberthematik ein und könnten als Digital Natives relativ schnell zu Kompetenzträgern in den Fachabteilungen oder der Kundenbetreuung werden. (bh)

Bild: BDVM-Vorstand Achim Fischer-Erdsiek am 29.10.2019 bei einem Pressegespräch des Maklerverbands in Hamburg