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Steuern & Recht
16. Juni 2020
Rückkauf von Lebensversicherungen: Schützt Unwissenheit vor Strafe?

Rückkauf von Lebensversicherungen: Schützt Unwissenheit vor Strafe?

Ein Rechtsdienstleister, der mit dem Rückkaufswert von Lebensversicherungen gewirtschaftet hatte, verfügte nicht über eine Erlaubnis zur Rechtsberatung. Ob der damalige verantwortliche Entscheidungsträger nun persönlich für fehlgeschlagene Kapitalanlagen haftbar gemacht werden kann, musste der BGH entscheiden.

Die Finanz- und Versicherungsbranche ist stark reguliert. Bei den Rechtsdienstleistungen ist das ganz ähnlich. Wenn man in diesen Bereichen ein Unternehmenskonzept entwickelt, sollte man sich also besser mit den einschlägigen Verpflichtungen und Vorschriften auseinandersetzen. Doch was geschieht, wenn man das nicht getan hat. Kann man sich als Entscheidungsträger im Einzelfall vielleicht doch darauf berufen, von nichts gewusst zu haben? Dazu musste der Bundesgerichtshof (BGH) im Falle eines mittlerweile liquidierten Unternehmens nun ein Urteil fällen.

Abtretungsverträge für Lebensversicherungen

Ein Unternehmen hatte es zum Anlagekonzept gemacht, sich Lebensversicherungen von ihren Kunden abtreten zu lassen. Deren Rückkaufswert wurde anschließend reinvestiert und schließlich nach einer gewissen Laufzeit mit hohen Zinsen wieder an den Kunden ausgezahlt. Das über Vermittler vertriebene Anlagekonzept nannte man „Cashselect“. Das Unternehmen war nicht nach dem Rechtdienstleistungsgesetz registriert, da die Gesellschafter der AG davon ausgingen, dass eine derartige Erlaubnis nicht benötigt würde.

Unternehmen wird von der Bankenaufsicht liquidiert

Eine Frau hatte sämtliche Rechte aus ihrer Lebensversicherung an das Unternehmen abgetreten. Doch bevor die Vertragslaufzeit endete und sie ihr Geld mit Zinsen zurückbekommen sollte, wurde die in der Schweiz beheimatete Gesellschaft von der schweizerischen Bankaufsicht liquidiert. Die Frau erhielt im Zuge dessen jedoch keine Zahlungen. Das wollte sie so nicht akzeptieren und klagte.

Persönliche Haftung möglich?

Die Geschädigte verlangte Schadensersatz und berief sich hierfür auf den Schutzcharakter des Rechtsdienstleistungsgesetzes. Nach diesem hatten die Gesellschafter ihr Unternehmen jedoch nie registriert. Die Frage, die sich nun stellte war, ob der Hauptentscheidungsträger, der auch Mitglied der Geschäftsleitung der AG war, persönlich haftbar gemacht werden könne.

Prozessverlauf

Die Vorinstanzen hatten keinen Vorsatz bei dem Verhalten des Geschäftsleiters festgestellt und waren im Hinblick auf die Registrierungspflicht von einem Tatbestandsirrtum ausgegangen. Dieser würde einen Vorsatz ausschließen und so die persönliche Haftung begrenzen. Der BGH sah dies jedoch anders.

Tatbestandsirrtum oder Verbotsirrtum?

Der BGH urteilte, der Beklagte habe sehr wohl gewusst, dass sein Unternehmen Inkassodienstleistungen nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz betrieben habe. Ihm habe damit auch klar sein müssen, dass er eine Erlaubnis zur Rechtsberatung benötige. Es läge folglich kein Tatbestandsirrtum vor, sondern allenfalls ein Verbotsirrtum. Der Mann habe dementsprechend lediglich die rechtlichen Gegebenheiten nicht gekannt. Dies entlaste ihn jedoch nur unter bestimmten Umständen, so der BGH. Ob der Mann tatsächlich persönlich haftbar gemacht werden kann, muss nun das Oberlandesgericht entscheiden, an das der Fall zurückverwiesen wurde. (tku)

BGH, Urteil vom 10.12.2019, Az.: VI ZR 71/19

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