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19. März 2022
Rente: Und sie bewegt sich doch

Rente: Und sie bewegt sich doch

Besteht doch noch Hoffnung für das deutsche Rentensystem? Die geplante Aktienrente wäre zumindest ein sinnvoller Ansatz, um das bisherige Umlageverfahren zu ergänzen. Wieso an Aktien bei der Altersvorsorge ohnehin kein Weg vorbeiführt, erklärt Thorsten Schrieber von der DJE Kapital AG.

Ein Artikel von Thorsten Schrieber, Vorstand für Marketing und Vertrieb bei der DJE Kapital AG

Die Rente – sie ist so etwas wie die heilige Kuh der deutschen Gesellschaft. „Denn eines ist sicher: die Rente“, ließ der damalige Arbeitsminister Norbert Blüm 1986 landauf, landab an Litfaßsäulen plakatieren. Sie muss es auch sein, weil das Eingeständnis, dass unser Rentensystem auf tönernen Füßen steht, jede deutsche Regierung, egal welcher Couleur, in enorme Schwierigkeiten bringen würde. Allein angesichts der steigenden Anzahl an Rentnerinnen und Rentnern. Also spendieren deutsche Regierungen reichlich Steuergeld, weil die von Arbeitnehmern und Arbeitgebern eingezahlten Rentenabgaben nicht ausreichen. 2021 waren es rund 77 Mrd. Euro bzw. 18,6% des Haushalts. Zum Vergleich: Es handelt sich um den zweitgrößten Einzelposten im Bundeshaushalt – für Infrastruktur und Verkehr wird nur die Hälfte ausgegeben und für Bildung nur ein Viertel davon. Nur die Bürokratie, die „allgemeine Finanzverwaltung“, lässt sich Deutschland noch mehr kosten als die Rente. Man könnte meinen, nicht die Jugend und ihre Bildung seien unsere Zukunft, sondern der abgesicherte Lebensabend.

Reformflaute seit den 1970ern

Was allerdings zu denken gibt: Man weiß seit den 1970er-Jahren, dass das Umlageverfahren nicht mehr ausreicht, um die Rente zu finanzieren. Getan hat sich seither aber nicht viel, wenn man von der vermutlich gescheiterten Riester-Rente (2001), diversen Kürzungen und fantasievollen Finanzierungsinitiativen wie der Einführung der Ökosteuer absieht, die dem Haushalt seit 1999 zufließt, das Tanken teurer macht und die nicht zweckgebunden ist. Ein Schelm, wer hier an eine Querfinanzierung der Rente denkt. Und natürlich die Rentenreform der ersten Regierung Merkel: Diese hob 2007 die Regelaltersgrenze stufenweise an, sodass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die nach 1964 geboren sind, ihre volle Rente erst mit 67 Jahren antreten können. Ohne diese Reform wäre die Schieflage im deutschen Rentensystem noch schlimmer. Aber all das reicht nicht aus, schließlich gehen immer mehr Menschen in Rente, als geboren werden bzw. neu ins Berufsleben eintreten – der demografische Wandel lässt grüßen. Die Überforderung der jüngeren Generationen zu stoppen oder zumindest zu mildern, ist daher eine der drängendsten gesellschaftlichen Aufgaben der nächsten Jahre.

Schweden als Vorbild

Mit dem Plan einer Aktienrente nach schwedischem Vorbild bringt die Ampelkoalition nun eine neue Initiative ins Spiel. In Schweden gibt es vereinfacht gesagt drei Arten staatlicher Rente: die Garantierente für Menschen, die nur ein geringes oder kein Einkommen hatten, die einkommensbasierte Rente, für die 16% des rentenfähigen Einkommens vom Lohn abgezogen werden, und die Prämienrente. Diese ist der springende Punkt: Denn für diese Rente zieht der Staat seit rund 20 Jahren zusätzliche 2,5% des rentenfähigen Einkommens ab. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben die Wahl zwischen verschiedenen Fonds, in die dieser Anteil fließt. Wird keiner ausgewählt, landet das Geld im AP7 Såfa. Dieser offensive Mischfonds investiert überwiegend am Aktienmarkt und zu einem geringeren Teil in Anleihen. Seine Rendite von ca. 10% p. a. treibt vermutlich jedem verantwortlichen deutschen Arbeitsminister Tränen in die Augen.

Kursgewinne mit laufenden Erträgen kombinieren

Dabei ist es eigentlich keine Überraschung, dass ein solches Potenzial im Aktienmarkt steckt. Blicken wir weit zurück bis ins Jahr 1900: Auf US-Dollar-Basis haben weltweite Aktien seitdem für eine Rendite von 5,5% p. a. gesorgt – und das trotz zweier Weltkriege, mehrerer Wirtschaftskrisen und vor allem: nach Abzug der Inflation! Mögliche Kursgewinne sprechen langfristig für die Aktienanlage, aber kurzfristige Schwankungen kommen immer wieder.

Bringen wir darum noch eine weitere Komponente mit ins Spiel, die Aktien attraktiv macht, und zwar das Thema Dividenden. Viele Unternehmen beteiligen ihre Aktionäre direkt am Geschäftserfolg, indem sie einen Teil der Gewinne ausschütten. Wahrscheinlich ist nur wenigen Privatanlegern bewusst, dass diese freiwilligen Ausschüttungen einen wesentlichen Teil der Gesamtrendite von Aktien darstellen. Am stärksten gilt das für europäische (und auch deutsche) Aktien. Hier machen Dividenden seit 2001 über zwei Drittel der Aktienrendite aus, Kursgewinne etwa ein Drittel. Davon haben beide etwas, Unternehmen und Anleger: Unternehmen wollen Aktionäre an sich binden und zu weiteren Anteilskäufen motivieren. Für Anleger wiederum, die für ihr Alter vorsorgen wollen, ist eine hohe Dividendenrendite vor dem Hintergrund von Niedrigzins und der „sicheren“ gesetzlichen Rente vielversprechend. Zur Veranschaulichung: Unser ausgewogener Mischfonds DJE – Zins & Dividende setzt auf dieses Potenzial und kombiniert es mit laufenden Erträgen aus Dividenden und den Renditen hochwertiger Anleihen, wobei diese mindestens 50% des Portfolios ausmachen. Allein mit seiner Ertragskomponente sollte der Fonds 2022 geschätzt 2,9% Rendite erzielen. Hinzu kommen mögliche Kurs­gewinne, sodass der Fonds auf eine Rendite von rund 6,1% p. a. seit seiner Auflage kommt. Die durchschnittliche Inflationsrate betrug seit 2011 ca. 2,1% in Deutschland. Damit wäre also ein ordentliches Plus übrig geblieben.

An Aktien führt kein Weg vorbei

Für den als vorsichtig geltenden deutschen Anleger sollte dies eine mögliche Alternative zu Tagesgeld und Sparbuch sein. Blickt man auf die Zinsen, die ein Sparbuch heute hergibt, oder auf die gesellschaftsfähig gewordenen Strafzinsen für nicht angelegtes Geld auf dem Konto, kann man nur immer wieder betonen: Zur finanziellen Alterssicherung führt langfristig kein Weg an Aktien vorbei, egal in welcher Form. Und das gilt im Kleinen für Privatanleger wie im Großen – für die mögliche Rentenreform der Ampelkoalition.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2022, S. 60 f., und in unserem ePaper.

Bild: © ArTo – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Thorsten Schrieber