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12. August 2022
Renteneintritt an Lebenserwartung koppeln
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Renteneintritt an Lebenserwartung koppeln

Der neu in den Rat der „Wirtschaftsweisen“ berufene Martin Werding fordert eine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Die Regelaltersgrenze solle an die Lebenserwartung gekoppelt werden und sukzessive ansteigen. Erst vor Kurzem erfuhren ähnliche Forderungen sowohl Lob als auch Kritik.

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ist wieder vollzählig. Die Bundesregierung hat den Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen Martin Werding sowie die Finanz- und Wirtschaftsprofessorin Ulrike Malmendier als „Wirtschaftsweise“ vorgeschlagen. Werding war bereits letztes Jahr im Bundestagswahlkampf stärker in Erscheinung getreten, als er gemeinsam mit verschiedenen FDP-Politikern das Konzept der Aktienrente vorgestellt hatte.

Gerangel um Wirtschaftsweise

Der regulär aus fünf renommierten Wirtschaftswissenschaftlern bestehende Sachverständigenrat war 1,5 Jahre lang nicht nur unvollständig, sondern wies auch keinen Vorsitzenden auf. Zuerst hatte sich die Große Koalition nicht auf eine Amtszeitverlängerung bzw. eine Nachfolge für den Ratsvorsitzenden Lars Feld einigen können. Im April 2022 legte dann auch Volker Wieland sein Amt vorzeitig nieder. Er hatte zuvor vor einer Verfestigung der hohen Inflation gewarnt und die lockere Geldpolitik der EZB massiv kritisiert.

Diskussion um Regelaltersgrenze

Mit der Berufung der beiden neuen Ratsmitglieder beendet die Bundesregierung zwar die Phase der Handlungsunfähigkeit im Sachverständigenrat, aber ruhiger wird es deshalb um das Gremium nicht. Denn der Experte für soziale Sicherungssysteme, Martin Werding, bricht, noch bevor er seinen Ratsposten offiziell angetreten hat, eine Diskussion über das Renteneintrittsalter vom Zaun.

Finanzierung gerät aus dem Ruder

Werding hatte in verschiedenen Interviews gefordert, den fixen Renteneintritt mit 67 Jahren zu flexibilisieren und an die durchschnittliche Lebenserwartung zu koppeln. Das sei nötig, da der demografische Alterungsprozess bis 2035 ein enormes Tempo entfalten werde. „Die Bundesregierung muss dringend grundlegende Reformen der sozialen Sicherungssysteme anstoßen. Ansonsten läuft die Finanzierung komplett aus dem Ruder“, sagte Werding diesbezüglich in einem Interview mit dem Handelsblatt.

Arbeitgebervertreter schlägt Renteneintritt mit 70 vor

Man könnte aber auch sagen, dass der Wirtschaftsweise die Diskussion um den Renten-Hebel Regelaltersgrenze nur erneut aufgriff. Erst wenige Tage vor Werding hatte der Chef des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Stefan Wolf, eine Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre gefordert. Auch der Ökonom und Rentenexperte Bernd Raffelhüschen sprang Wolf in der Bild-Zeitung bei. Dort sagte er, dass eine Erhöhung des Renteneintrittsalters „richtig und wichtig“ sei. Und auch Ifo-Chef Clemens Fuest glaubt, dass das Rentenniveau nicht nur über höhere Beiträge und Steuerzuschüsse des Bundes finanziert werden dürfe.

Anhebung des Mindestlohns als Alternative?

Genauso erwartbar wie der Beifall einiger Akteure auf den Vorschlag, das Renteneintrittsalter zu erhöhen, hagelt es von anderer Seite Kritik. So sprach VdK-Präsidentin Verena Bentele davon, dass eine Erhöhung des Rentenalters faktisch einer Rentenkürzung gleichkomme. Der Sozialverband sei vielmehr der Ansicht, dass die Renten-Misere über mehr Beitragszahler gelöst werden könne. Hier sei ein höherer Mindestlohn das Mittel der Wahl. Auch Vertreter von Gewerkschaften und SPD äußerten sich ablehnend in Bezug auf eine Erhöhung der Regelaltersgrenze.

Generationenrente

Doch es gibt auch Alternativen, die weder lediglich ein „Weiter so“ noch eine deutliche Anhebung des Renteneintrittsalters umfassen. Beispielsweise hatte das Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung erst vor Kurzem das Konzept der Generationenrente vorgeschlagen, bei dem der umlagefinanzierten gesetzlichen Altersvorsorge eine kapitalgedeckte Komponente zur Seite steht.

Starthilfe für jedes Neugeborene

Anders als bei der FDP-Aktienrente jedoch, bei der die kapitalgedeckte Komponente vom Rentenversicherungsbeitrag abgeknapst würde, geht das Leibniz-Institut von einer Lösung aus, die die Rentenversicherungsbeiträge unangetastet lässt. Für die Generationenrente müsste der Staat für jeden Neugeborenen einmalig 5.000 Euro an den globalen Kapitalmärkten anlegen – breit diversifiziert. Das öffentlich-rechtlich verwaltete Geld stünde erst ab einem Alter von 63 Jahren für eine monatliche Rente zur Verfügung. Mit welchen Unwägbarkeiten jedoch auch dieses vielversprechende Konzept zu kämpfen hätte, kann hier auf AssCompact.de nachgelesen werden. (tku)

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