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7. September 2021
Rentenpolitik: Diese Änderungen könnte Rot-Grün-Rot bringen

Rentenpolitik: Diese Änderungen könnte Rot-Grün-Rot bringen

Das Institut der deutschen Wirtschaft hat die Wahlprogramme der Parteien in puncto Rentenpolitik analysiert. Systemverändernde Reformen fordern vor allem SPD, Grüne und Linkspartei. Welche Änderungen wären von einem Linksbündnis zu erwarten und welche (kompatiblen) Systemänderungen planen Union und FDP?

Das drängendste Problem, um das sich die kommende Bundesregierung kümmern soll, ist einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge die Rente – und das quer durch alle Generationen. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat sich mit den Wahlprogrammen der im Bundestag vertretenen Parteien auseinandergesetzt und dabei insbesondere die Rentenpolitik unter die Lupe genommen. Das Wirtschaftsinstitut unterscheidet bei der Betrachtung der Parteiforderungen zwischen systemimmanenten und systemverändernden Vorschlägen.

Einigkeit und Streit im linken Lager

Besonders interessant sind dabei die systemverändernden Reformvorschläge. Sie umfassen nicht nur graduelle und zum Teil zaghafte Änderungswünsche an der Regelaltersgrenze und dem Sicherungsniveau, sondern wollen die gesetzliche und die staatlich geförderte Rentenversicherung auf ein grundlegend neues Fundament stellen. In ein paar Punkten besteht auch Einigkeit unter den Parteien aus dem linken Spektrum, wohin die Reise gehen soll, bei anderen scheinen die Gräben unüberwindbar.

Pflichtversicherung für alle Erwerbstätigen

Ein Punkt, bei dem unter den möglichen Bündnispartnern SPD, Grüne und Linke Einigkeit besteht, ist die Bürgerversicherung. Alle drei Parteien aus dem linken Spektrum fordern die Ausweitung der Pflichtversicherung auf bislang nicht integrierte Erwerbsgruppen. Während die langfristige Zielsetzung identisch ist, sind die kurzfristigen Maßnahmen aber unterschiedlich. Die Linkspartei fordert beispielsweise eine „solidarische Erwerbstätigenversicherung“, in der tatsächlich annähernd jeder pflichtversichert wäre. Von Selbstständigen, über Beamte bis hin zu Abgeordneten, sollen alle Erwerbstätigen in die Rentenkasse einzahlen.

Grüne klammern Beamte (vorerst) aus

Grüne und SPD sind da vorsichtiger. Die Grünen wollen vorerst nur bislang nicht anderweitig abgesicherte Selbstständige sowie Abgeordnete in den Kreis der Pflichtversicherten aufnehmen. Die SPD möchte zusätzlich auch die Beamten und Freiberufler in die Pflichtversicherung überführen, jedoch nur auf einem Wege, der nicht zu einer Schlechterstellung der Beamten hinsichtlich ihre Pensionsniveaus führt.

Versorgungsansprüche der Beamten

Das Zögern von SPD und Grünen bei dem Umgang mit den Beamtenpositionen ist verständlich. Das IW geht in seiner Einschätzung nämlich davon aus, dass die Ausweitung der Pflichtversicherung zwar durchaus temporär zu einer finanziellen Entlastung der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung führen könnte. Die Voraussetzung dafür wäre aber, dass zunächst ausschließlich junge Erwerbstätige integriert würden, die Beiträge entrichten, aber noch keine oder kaum Rentenansprüche im bisherigen System erworben haben. Andernfalls drohte durch die Überführung von Versorgungsansprüchen von Beamten und Pensionären ein Kollaps der gesetzlichen Rentenkasse.

Reform der privaten Altersvorsorge

Weniger versöhnlich ginge es in einer hypothetischen rot-grün-roten Regierung im Hinblick auf die Reform der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge zu (AssCompact berichtete). Einig sind sich die Parteien aus dem linken Spektrum hier nur bei dem Befund, dass die Riester-Rente gescheitert ist. Während die Grünen mit dem Bürgerfonds jedoch ein kapitalgedecktes Modell als Riester-Ersatz vorschlagen, stößt das bei der SPD auf Skepsis und bei der Linkspartei auf unmissverständliche Ablehnung.

Linkspartei will staatliche Förderung streichen

Die SPD kann sich lediglich ein Standardprodukt vorstellen, das nur noch im Falle von mittleren und niedrigen Einkommen staatlich gefördert würde. Die Linkspartei hingegen, möchte das Konzept der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge komplett beerdigen. Die Riester-Sparer sollen die Möglichkeit erhalten, bisher erworbene Ansprüche in die gesetzliche Rentenversicherung zu übertragen. Die staatliche Förderung entfiele nach dem Willen der Linken ersatzlos.

Tiefe Gräben zwischen Grünen und Linken

Das IW hält der Forderung der Linken entgegen, dass Riester-Ansprüche systembedingt nicht ohne Weiteres auf die gesetzliche Rentenkasse übertragen werden können. Auch ungeachtet dessen, bleiben jedoch berechtigte Zweifel daran, dass Rot-Grün-Rot eine substanzielle Reform der privaten Altersvorsorge vornehmen würde. Worin die Grünen einen zukunftsweisenden Schritt sehen, mit dem Nachhaltigkeitsziele und Altersvorsorge gleichzeitig angegangen werden können, wittert die Linkspartei ein Zocken mit der Altersvorsorge der Bürger. Ein Kompromiss in etwaigen Koalitionsverhandlungen könnte schließlich zugunsten der SPD-Forderung ausfallen und zu einer Minimallösung führen – sprich, zu einem Standardprodukt in der privaten Altersvorsorge oder zu einer weiteren Vertagung einer zunehmend dringend nötigen Rentenreform.

Koalitionsoptionen

Wagt man sich jedoch an eine Prognose, mit welchem Bündnis eine umfangreiche Rentenreform denkbar wäre, drängen sich die Szenarien Jamaika-Bündnis (Union, FDP und Grüne) und Ampel (SPD, Grüne und FDP) auf. Gemeinsam haben diese Varianten die Beteiligung der Liberalen und der Grünen. Gerade die FDP zeigt sich beim Thema Altersvorsorge experimentierfreudig. Die Liberalen möchten von der umlagefinanzierten gesetzlichen Rente ein paar Prozentpunkte abknapsen und einen kapitalgedeckten Rentenversicherungsanteil – die sogenannte Aktienrente – etablieren (quasi als vierte Säule der Altersvorsorge). Außerdem wünschen sich die Liberalen jenseits der gesetzlichen Rentenversicherung ein Altersvorsorge-Depot, das sich grob an dem vergleichsweisen flexiblen US-amerikanischen Konzept des 401k-Plans orientiert.

Annäherung zwischen FDP und Grünen denkbar

Die Konzepte der Liberalen und jene der Grünen sind bei genauerer Betrachtung gar nicht so weit voneinander entfernt. Ein öffentlich-rechtlich verwalteter Bürgerfonds könnte beispielsweise durchaus als Standardprodukt in ein Altersvorsorge-Depot integriert werden, solange sich die Bürger auch für andere Vorsorgeprodukt entscheiden können.

Sowohl Reform- als auch Konfliktpotenzial

Sollten beide Parteien in eine Regierungskoalition eintreten, wären größere Reformen denkbar – wenngleich verbunden mit einem unübersehbaren Konfliktpotenzial. Und das unerheblich davon, ob als Dritter im Bunde eine Union an der Regierung beteiligte wäre, die zumindest bereit ist, über eine kapitalgedeckte Komponente bei der Altersvorsorge nachzudenken (Generationenrente), oder ob die Sozialdemokraten sich auf das Projekt Ampelbündnis einlassen. (tku)

Bild: © P.C. – stock.adobe.com

 

Leserkommentare

Comments

Gespeichert von Wilfried Stras… am 07. September 2021 - 11:30

Es wird, wie in der Vergangenheit bei der Umwelt oder dem Digitalen etc., nichts ZUKUNFTSFÄHIG angegangen. Vereinfacht: Bei bald doppelt so viel Rentnern, die 10 Jahre länger die Rente benötigen und 60% der heutigen Einzahler-davon 30% mit Mindestlohn, ist nichts mehr im bisherigen Rentensystem finanzierbar. 50% der Neurenten unter € 800,00 spricht Bände. Genauso, dass Beamtenpensionen nicht RÜCKGEDECKT werden und im angeblich SCHULDENFREI D ein Defizit von 3 BILLIONEN EURO MEGACOOL der Jugend überlassen wird, ist JENSEITS von GUT und BÖSE.

In A, CH, NL, wo Beamtenprivilegien wegen Unfinanzierbarkeit längst abgeschafft wurden, beziehen die Bürger die doppelte Altersversorgung. Beispiellos wie man die Jugend in fast allen Bereichen aushungert. Blöd, weil man das Boot, in dem man selbst sitzt nicht anbohren will. Demgegenüber steht der Eid Schaden vom Bürger abzuwenden. Schlechteste Eltern seit der Steinzeit.

Ich habe mit meiner Jahrhundertidee, die Lösung auch für staatliche Altersversorgung, würde aber diese wegen des o.a. Defizits eher privaten Versicherungen anvertrauen.

Wenn Amazon, Google, Facebook oder Tencent usw. zuvor zugreifen, ist die Chance dafür, wegen der Geheimhaltungsvereinbarug, bis zu einem Jahr blockiert.