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21. Dezember 2022
Resturlaub darf nicht mehr automatisch verfallen
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Resturlaub darf nicht mehr automatisch verfallen

Das Bundesarbeitsgericht hat die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs zur Verjährung von Urlaubsansprüchen für Arbeitnehmer umgesetzt. Demnach verjährt übrig gebliebener Jahresurlaub nur dann, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer ausdrücklich auf den Urlaubsanspruch hinweist.

Bereits im September 2022 gab es eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union, nach der der gesetzliche Anspruch eines Arbeitnehmers auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch verjähren darf. Jetzt hat auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit einem Urteil vom 20.12.2022 seinen Stempel auf die Regelung draufgesetzt. Denn grundsätzlich unterliegt der Urlaubsanspruch der gesetzlichen Verjährung – der automatische Verfall des Urlaubs ist aber wohl nicht rechtens.

Klage über 101 Urlaubstage

Vom 01.11.1996 bis zum 31.07.2017 war die Klägerin beim Beklagten als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin beschäftigt. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zahlte der Beklagte an die Klägerin zur Abgeltung von 14 Urlaubstagen 3.201,38 Euro brutto. Der weitergehenden Forderung der Klägerin, Urlaub im Umfang von 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren abzugelten, kam der Beklagte nicht nach.

Das Arbeitsgericht wies die am 06.02.2018 eingereichte Klage ab, doch das Landesarbeitsgericht sprach der Klägerin 17.364,64 Euro brutto zur Abgeltung weiterer 76 Arbeitstage zu. Dabei erachtete das Landesarbeitsgericht den Einwand des Beklagten, die geltend gemachten Urlaubsansprüche seien verjährt, für nicht durchgreifend.

So entschied das BAG

Der Beklagte legte Revision vor dem Neunten Senat des BAG ein – erfolglos, wie sich jetzt herausgestellt hat. Zwar finden die Vorschriften über die Verjährung (§ 214 Abs. 1, § 194 Abs. 1 BGB) auf den gesetzlichen Mindesturlaub Anwendung. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren beginne, so das BAG, bei einer richtlinienkonformen Auslegung des § 199 Abs. 1 BGB jedoch nicht zwangsläufig mit Ende des Urlaubsjahres, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Versäumnisse des Arbeitgebers

Der Senat hat damit die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs umgesetzt. Nach dessen Rechtsprechung dürfe der Zweck der Verjährungsvorschriften, nämlich die Gewährleistung von Rechtssicherheit in dem Fall nicht als Vorwand für den Arbeitgeber dienen, sich auf sein eigenes Versäumnis zu berufen. Dieses bestehe darin, dass er den Arbeitnehmer nicht in die Lage versetzt habe, seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich auszuüben. Der Arbeitgeber könne die Rechtssicherheit gewährleisten, indem er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachhole.

Der Beklagte habe die Klägerin nicht in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen, weil er seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht erfüllt habe. Daher seien die Ansprüche weder am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verjährt, noch habe der Beklagte erfolgreich einwenden können, dass der nicht gewährte Urlaub bereits während des laufenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf von drei Jahren verjährt sei. Den Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs habe die Klägerin innerhalb der Verjährungsfrist von drei Jahren erhoben. (mki)

BAG, Urteil vom 20.12.2022 – 9 AZR 266/20

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 21.02.2020 – 10 Sa 180/19

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