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8. März 2023
ROLAND Rechtsreport 2023: Weniger Deutsche vor Gericht

ROLAND Rechtsreport 2023: Weniger Deutsche vor Gericht

Das Vertrauen der Deutschen in die Gerichte bleibt hoch – allerdings halten drei Viertel sie für überlastet. Die Zahl derer, die den Rechtsweg einschlagen, ist zurückgegangen. Vor allem Menschen ohne Rechtsschutzversicherung meiden den Weg über die Justiz. Das geht aus dem 13. ROLAND Rechtsreport hervor.

Die Deutschen stehen ihrem Rechtssystem weitestgehend positiv gegenüber. Das zeigen die Ergebnisse des ROLAND Rechtsreports 2023, den das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag von ROLAND Rechtsschutz nunmehr zum 13. Mal durchgeführt hat. So geben 70% der Befragten an, sehr viel oder ziemlich viel Vertrauen in die Gesetzte zu haben, 69% in die Gerichte. Das Vertrauen der Bevölkerung in das deutsche Rechtssystem bleibt damit seit vielen Jahren konstant hoch und stabil, so der Report.

Verglichen mit anderen Institutionen haben die Befragten nur mehr Vertrauen in mittlere und kleinere Unternehmen (82%) sowie die Polizei (75%). Wenig vertrauensvoll erscheinen den Teilnehmern hingegen große Wirtschaftsunternehmen und die Kirche: Hier geben nur 34% bzw. 24% an, viel oder sehr viel Vertrauen zu haben.

Kritik: Gerichte zu überlastet, Gesetze zu kompliziert

Die Befragten üben aber auch Kritik am Justizsystem. So halten 75% die Gerichte für überlastet, 80% kritisieren die lange Dauer von Gerichtsverfahren. 59% sind der Meinung, dass ein bekannter Anwalt die Wahrscheinlichkeit eines günstigeren Urteils erhöht. Auch empfindet mehr als jeder Zweite (56%) die Gesetze in Deutschland als zu kompliziert.

Insgesamt finden weniger Bundesbürger und Bundesbürgerinnen den Weg vor Gericht. Zwischen 2011 und 2015 gaben noch 29% der Befragten an, in den letzten zehn Jahren als Zeuge, Kläger oder Beklagter an einem Gerichtsprozess teilgenommen zu haben, 2023 waren es nur noch 22%. „Ein möglicher Grund für diese rückläufige Tendenz ist die Sorge vor hohen Verfahrens- und auch Anwaltskosten“, sagt ROLAND-Vorstand Dr. Ulrich Eberhardt.

Menschen mit Rechtsschutz häufiger zur Klage gewillt

Tatsächlich wären laut des Reports nur vier von zehn Bürgerinnen gewillt, bei einer mittleren Schadenssumme von 600 Euro den Rechtsweg einzuschlagen, während 27% es wahrscheinlich nicht tun würden. 33% der Befragten sind unentschieden. Dabei hat die Höhe des Einkommens mit der Entscheidung nichts zu tun, die Unterstützung durch einen Rechtsschutzversicherer aber schon: Würden 47% der Befragten mit Rechtsschutzversicherung bei einer Schadenssumme von 600 Euro vor Gericht ziehen, so bejahen die Frage nur 29% der Teilnehmer ohne Rechtsschutzversicherung.

Auch haben heute mehr Menschen eine Rechtsschutzversicherung. Im Jahr 2010 gab jeder Zweite an, eine Rechtsschutzversicherung im Haushalt zu besitzen, 2022 war der Anteil auf 59% angestiegen. Erwartungsgemäß wächst der Anteil von Haushalten mit einer Rechtsschutzversicherung proportional mit dem Haushaltseinkommen, meldet der Report. 70% der Haushalte mit höheren Einkommen verfügen über Rechtsschutz, in Haushalten mit mittleren und niedrigen Einkommen sind es 58% bzw. 34%.

Justiz technisch und personell schlecht ausgestattet

Neben der Einstellung der Bundesbürger zur Justiz beschäftigt sich der Report auch mit dem Stimmungsbild in der Justiz selbst sowie dem gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland.

Demnach halten 78% der Richter und Richterinnen und sogar 92% der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen die personelle Aufstellung ihrer Dienststelle für unzureichend. Die technische Ausstattung bemängeln 67%. Das hat Auswirkungen: 58% der Richter und Richterinnen und 72% der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen beklagen, dass sie nicht genug Zeit für ihre Rechtsfälle haben.

Mehr als zwei Drittel der Richter und Richterinnen und Staatsanwälte und Staatsanwältinnen halten es laut Report für notwendig, die Autonomie der Justiz zu stärken, denn: 67% glauben, dass die Unabhängigkeit der Gerichte in Gefahr geraten könne, sollte eine Regierung ins Amt kommen, die ein dementsprechendes Ziel verfolgt – ähnlich wie in Polen und Ungarn.

Zusammenhalt in der Gesellschaft lässt nach

Die Wahrnehmung des gesellschaftlichen Zusammenhalts hat währenddessen aus Sicht der Bevölkerung nachgelassen. 22% der Befragten empfinden den Zusammenhalt in der Gesellschaft als (sehr) stark. Knapp zwei Drittel empfinden ihn aktuell jedoch als schwach oder sehr schwach. Im Vergleich: 2018 hatten 56% den Zusammenhalt als schwach oder sehr schwach angesehen.

Als Treiber für die zunehmende Spaltung sehen 71% die soziale Schicht, zu der man gehört, 70% nennen Einkommen oder Vermögen und 62% die Einstellung zu Flüchtlingen und Zuwanderung als Gründe. Weitere trennende Elemente sind laut den Befragten unter anderem die politische Einstellung (60%), Schulabschluss und Bildung (57%) oder die Einstellung zu den Corona-Maßnahmen (46%).

Mehr als jeder Zweite empfindet des Weiteren Maßnahmen, die zu mehr Gleichheit und weniger Diskriminierung beitragen sollen – wie etwa Antidiskriminierungsgesetze und gendergerechte Sprache – eher als kontraproduktiv. (js)

Bild: © zolnierek – stock.adobe.com