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4. April 2023
Schüler ist beim „Bahnsurfen“ unfallversichert
Schüler ist beim „Bahnsurfen“ unfallversichert

Schüler ist beim „Bahnsurfen“ unfallversichert

Ein Schüler stieg auf dem Heimweg während der Zugfahrt auf eine elektrisch angetriebene Lok und erlitt einen Stromschlag. Die Unfallkasse lehnt Leistungen ab. Doch das Bundessozialgericht hat nun klar gestellt, dass Versicherungsschutz trotz selbst geschaffener Gefahr besteht.

Ein knapp 16-jähriger Schüler bestieg nach Schulende einen Regionalexpress, um nach Hause zu fahren. Während der Fahrt öffnete er die verschlossene Durchgangstür des letzten Waggons mit einem mitgeführten Vierkantschlüssel und stieg auf die dahinterliegende, den Zug schiebende Lok. Auf dem Dach wurde er von einem Stromschlag aus der Starkstrom führenden Oberleitung erfasst und stürzte von der Lok. Er überlebte schwer verletzt und zog sich unter anderem hochgradige Verbrennungen von circa 35% der Körperoberfläche zu.

Unfallkasse lehnt Leistungen ab

Die vom Schüler später beklagte Unfallkasse Brandenburg lehnte die Anerkennung eines Wegeunfalls und die Übernahme der Behandlungskosten ab. Zwischen dem Unfallereignis und der versicherten Tätigkeit bestünde laut Unfallkasse „kein innerer sachlicher Zusammenhang“. Dagegen hatte der Schüler zunächst erfolgreich vor dem Sozialgericht Potsdam (SG) geklagt. In zweiter Instanz hatte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) jedoch einen Wegeunfall verneint und die Klage abgewiesen. Begründung: Der Geschehensablauf lasse eine eindeutige Unterbrechung der versicherten Heimfahrt erkennen. Außerdem habe der Schüler zum Unfallzeitpunkt über die geistige Reife verfügt, die Gefährlichkeit seines Handelns zu erkennen, so das LSG.

Trotz selbst geschaffener Gefahr besteht Versicherungsschutz

Daraufhin zog der Schüler vor das Bundessozialgericht (BSG). Und die Kasseler Richter haben dem Schüler recht gegeben. Bei Schülern bestehe auch für spielerische Betätigungen im Rahmen schülergruppendynamischer Prozesse Unfallversicherungsschutz, stellte das BSG klar. Denn dem Schüler ging es bei der wiederholten Surfaktion darum, im befreundeten Schülerkreis „cool“ zu sein. Die von ihm dadurch selbstgeschaffene Gefahr schließe den Unfallversicherungsschutz nicht aus, so die Richter. Vielmehr habe der Schüler durch seine erfolgreichen Surfaktionen in der Vergangenheit eine Sorglosigkeit erworben, die zu einer massiven alterstypischen Selbstüberschätzung führte. Und auch gute Schulzeugnisse bieten selbst bei hohem Risiko keinen Schutz vor dieser alterstypischen Selbstüberschätzung. Weder habe die räumliche Entfernung von den anderen Schülern die Gruppendynamik entfallen lassen noch der Aufstieg auf die Lok den unmittelbaren Heimweg mit dem Regionalexpress unterbrochen oder sonst gelöst, befanden die Richter am BSG abschließend. (as)

Bild: © marcus_hofmann – stock.adobe.com