„Das Urteil des BGH vom 16.07.2014 zum Policenmodell dürfte zu einem Aufatmen bei den Lebensversicherern geführt haben. Das bis 31.12.2007 praktizierte Vertragsschlussmodell verstößt nicht gegen Europäisches Recht. Aber selbst wenn es so wäre, läge ein Fall des Missbrauchs vor: Der Versicherungsnehmer hätte nicht erst monatelang zahlen und dann erst zurücktreten dürfen. Deshalb müsse der BGH die Wirksamkeitsfrage auch nicht dem EuGH vorlegen.
Prinzipielle Heilung von Vertragsschlussmängel
So schön das auch klingt, überzeugend ist dies nicht. Wie kann es missbräuchlich sein, wenn ein Versicherungsnehmer, der vor Unterschrift unter den Antrag nicht rechtzeitig informiert wurde, kein Widerrufsrecht ausübt? Er glaubt doch, er sei zutreffend informiert worden – hat also aus der Sicht des Vertagsschlusses keinen Anlass zum Handeln. Die Ansicht des BGH würde zur prinzipiellen Heilung von Vertragsschlussmängeln führen und damit die vom europäischen Recht gewollte vollständige Information ’rechtzeitig vor Vertragserklärung’ generell unterlaufen.
Noch sind die Messen nicht gesungen
Genau das aber darf nicht sein. Deshalb hatte die Europäische Kommission gegen das Policenmodell ein Vertragsverletzungsverfahren angekündigt und nur deshalb nicht weiterverfolgt, weil im neuen VVG seit 01.01.2008 das Antragsmodell gilt. Wie der BGH angesichts dieser Zusammenhänge meinen kann, das Vertragsschlussverfahren sei nicht Gegenstand des europäischen Richtlinien gewesen, ist schwer verständlich. Der betroffene Versicherungsnehmer hat also gute Gründe Verfassunsbeschwerde mit dem Ziel einzulegen, die Kernfrage des Falles dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen: Noch sind die Messen nicht gesungen.“ (kb)
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