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2. März 2023
Sind Versicherungsmakler mit Poolanbindung rentenversicherungspflichtig?
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Sind Versicherungsmakler mit Poolanbindung rentenversicherungspflichtig?

Ein umstrittenes Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts, das eine Rentenversicherungspflicht für Versicherungsmakler mit Poolanbindung bestätigt, hatte 2016 für Unruhe und Aufregung bei Pools und mit ihnen kooperierenden Versicherungsmaklern gesorgt. Jetzt gibt es eine überzeugende Gegenreaktion eines anderen Gerichts.

Ein Artikel von Norman Wirth, Rechtsanwalt und Partner der Kanzlei Wirth Rechtsanwälte

Die Rentenversicherungspflicht von Versicherungsmaklerinnen und -maklern ist kein neues Thema. Sie war bereits wiederholt Gegenstand von Gerichtsentscheidungen. Denn 1998 wurde mit § 2 Abs. 1 Nr. 9 SGB VI eine Versicherungspflicht für so­genannte „arbeitnehmerähnliche Selbstständige“ eingeführt. Um gleich ein häufiges Missverständnis klarzustellen: Dieser „arbeitnehmerähnliche Selbstständige“ hat nichts zu tun mit dem sogenannten „Scheinselbstständigen“, der vollständig wie ein Arbeitnehmer behandelt wird. „Arbeitnehmerähnliche Selbstständige“ sind und bleiben Selbstständige, wie dies in der Regel Versicherungsmaklerinnen und -makler sind.

Klage gegen DRV im Jahr 2016

Im konkreten Fall aus 2016 hatte ein Versicherungsmakler gegen die Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung geklagt, die ihn zur Sozialversicherung angemeldet hatte. Der Makler hatte in den Jahren 2009 und 2010 insgesamt rund 90% seines Umsatzes über einen angeblichen Maklerpool erzielt. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hatte argumentiert, dass der Makler durch seine fast ausschließliche Anbindung an dieses Unternehmen im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig war und somit sozialversicherungspflichtig sein müsste.

Das Bayerische Landessozialgericht gab der DRV in seinem Urteil vom 28.11.2016 (Az.: L 1 R 679/14) recht. Das Gericht stellte fest, dass der Versicherungsmakler im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig war. Denn durch seine starke Bindung an den angeblichen Maklerpool und dessen Vorgaben sei er in seiner unternehmerischen Tätigkeit eingeschränkt und könne somit keine eigenständige Tätigkeit ausüben. Dadurch fehlte es an einem entscheidenden Merkmal der Selbstständigkeit, nämlich der unternehmerischen Freiheit.

Falsche Schlussfolgerungen

Das Urteil wurde damals viel kritisiert, unter anderem auch explizit vom Autor, da in ihm viel Richtiges mit wenig Falschem vermischt wurde und den entsprechend teilweise falschen Schlussfolgerungen der Mantel der Allgemeingültigkeit umgehängt wurde.

Das Landessozialgericht kam damals zu dem Ergebnis, dass der Makler wirtschaftlich und faktisch abhängig von dem Maklerpool sei, dem er sich angeschlossen hatte. Das Gericht ging davon aus, dass der Maklerpool die geschäftliche Beziehung zu den Produktgebern herstellt und den Makler letztlich nur daran teilhaben lässt. Die Kunden des Maklers würden nur deswegen Kunden des Maklers, weil der Makler wiederum Kunde des Maklerpools sei. Und hier lag auch die Krux bei dem Urteil. Das Gericht traf in offensichtlicher Unkenntnis der objektiven Gegebenheiten der Marktsituation von Versicherungsmaklern unrichtige allgemeine Aussagen, die es zur Grundlage dieser Einzelfallentscheidung machte und die nachfolgend zu erheblicher Unsicherheit führten. Hier muss auch die Prozessführung und Argumentation des damaligen Klägers äußerst kritisch gesehen werden.

Denn das Landessozialgericht Bayern verkannte die übliche Vertragsgestaltung zwischen Makler, Versicherer, Maklerpool und Kunden grundlegend und wurde offensichtlich darüber auch nicht hinreichend aufgeklärt.

Neues Urteil, andere Bewertung

Anders nun das Sozialgericht Lüneburg in seinem rechtskräftigen Urteil vom 02.11.2022 (Az.: S 4 BA 32/19), welches zugunsten eines Versicherungsmaklers ausging, der über eine schriftliche Vereinbarung mit dem Maklerpool Fonds Finanz Maklerservice GmbH zusammenarbeitete. Dieses von Wirth Rechtsanwälte erstrittene Urteil stellt auch unter Auseinandersetzung mit den Argumenten des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts die Thematik wieder vom Kopf auf die Füße.

Die DRV argumentierte auch in diesem aktuellen Fall damit, dass selbstständig tätige Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen sowie auf Dauer und im Wesentlichen für einen Auftraggeber tätig sind, versicherungspflichtig sind. Eine Tätigkeit für einen Auftraggeber läge auch vor, wenn innerhalb des Vertrages mit einem Auftraggeber zulässigerweise auch Produkte von Kooperationspartnern/Produktpartnern vermittelt würden, zu denen keine vertraglichen Beziehungen unterhalten würden. In diesen Fällen sei er nicht direkt für den Kooperationspartner/Produktpartner, sondern für seinen Auftraggeber tätig. Gleiches gelte für Versicherungsmakler, die über die Anbindung an einen sogenannten Maklerpool die Produkte der dort aufgelisteten Produktpartner vermittelten.

Vorliegend bestünde eine Anbindung an einen Maklerpool, womit die geschäftlichen Verbindungen des Maklerpools zu den einzelnen Gesellschaften, die Vertriebsunterstützung durch den Maklerpool, dessen Marktmacht und die ihm dadurch zukommenden Wettbewerbsvorteile genutzt würden. Es sei fraglich, ob ohne diese Anbindung der Makler überhaupt Einkünfte in nennenswertem Umfang erzielen könne.

Das Sozialgericht Lüneburg überzeugte das nicht, sondern vielmehr die Argumentation des klagenden Maklers, welcher sich auf die Vertragsgestaltung mit Fonds Finanz und die faktische Gestaltung der Zusammenarbeit sowie das konkrete Verhältnis von Makler – Versicherer – Pool – Kunde bezog.

Kein Auftragsverhältnis zwischen Pool und Makler

Es stellte fest, dass der betroffene Makler nicht auf Dauer und im Wesentlichen für einen Auftraggeber, also den Pool, tätig ist. Insbesondere bestünde eine Bindung in dem Sinne, „dass er als Versicherungsvermittler nur oder weit­gehend ausschließlich Produkte vertreiben kann, die ihm von der Fonds Finanz zur Verfügung gestellt werden, nicht, und zwar weder rechtlich noch faktisch“. Dabei wird in dem Urteil auch explizit auf die Vertragsgestaltung zwischen dem Pool und dem Makler Bezug genommen. Hierbei handelt es sich um für den echten Poolmarkt in Deutschland nicht unübliche Vertragsformulierungen, die ganz klar von Handelsvertreterverträgen, wie sie zum Beispiel von Strukturvertrieben oder Ausschließlichkeitsorganisationen verwandt werden, abweichen.

Das bemerkt das Gericht auch ausdrücklich, wenn es meint, dass ein Auftragsverhältnis im juristischen Sinne oder auch nur vom Sprachgebrauch zwischen dem Makler und dem Pool nicht besteht und erst recht nach den vertrag­lichen Regelungen eine Ausschließlichkeit der Tätigkeit für den Pool gerade nicht vorgesehen sei. Dies im Übrigen auch, da dem Makler kein Organisations-, Vertriebs- oder Marketingkonzept vorgegeben sei und keine Tätigkeitspflicht oder Vertriebsvorgaben sowie auch kein Weisungs- oder Direktionsrecht des Pools bei der Vermittlungstätigkeit besteht.

Das Gericht hebt sodann noch die Vorteile einer Zusammenarbeit mit dem Pool hervor:

  • teilweise bessere Vermittlungsprovisionen aufgrund vorhan­dener Marktmacht
  • Übernahme der erforderlichen Korrespondenz und die Abrechnung der Vermittlungsprovision

Ebenfalls für relevant erachtet das Gericht, dass der Vermittler frei ist, einen von ihm vermittelten Vertrag über den einen Pool, aber auch über einen anderen Maklerpool oder auch direkt bei der Produkt­gesellschaft einzureichen.

Gegen eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Maklers von dem Pool sprach für das Gericht auch, dass der Kläger die Übertragung der vermittelten Kundenverträge auf seine Direktanbindungen oder einen anderen Maklerpool verlangen kann. Interessant. Denn schon 2016, nach dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts, schrieb der Autor dazu in AssCompact: „Es bestehen gute Chancen, eine Rentenversicherungspflicht abzuwenden, wenn die Vertriebsverträge beispielsweise eine Regelung zur problemlosen Bestandsübertragung auf den Makler enthalten. Den bisher ergangenen Urteilen zur Rentenversicherungspflicht lag eine solche Vertragsgestaltung jedenfalls nicht zugrunde.“

In Abgrenzung zum Landes­sozialgericht Bayern stellt das Gericht dann auch klar, dass der Provisionsanspruch des Maklers im Maklervertrag mit dem Kunden begründet liegt, und dementsprechend habe der Makler auch nach Abschluss des Vertrages Anspruch auf die Bestandsprovision vom Kunden. Dementsprechend seien nicht der Maklerpool, sondern sind die einzelnen vom Makler aufgrund seiner Vermittlungstätigkeit geworbenen Kunden als Auftraggeber anzusehen.

Fazit: Urteil von erheb­licher Ausstrahlung auf andere Maklerpools

Dieses sehr zu begrüßende Urteil erging zwar in Bezug auf die Zusammenarbeit von einem Ver­sicherungsmakler mit einem konkreten Maklerpool, der Fonds Finanz. Es ist jedoch von erheb­licher allgemeiner Ausstrahlung auch auf die anderen Maklerpools, da die vertraglichen und faktischen Grundlagen der jeweiligen Zusammenarbeit in der Regel ähnlich ausgestaltet sind.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 03/2023, S. 104 f., und in unserem ePaper.

Bild: © putilov_denis – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Norman Wirth