Interview mit Knut Besold, Partner bei KPMG im Geschäftsbereich Financial Services und Joshua Taylor, Senior Manager bei KPMG im Geschäftsbereich Financial Services, zur Studie aktuellen KPMG-Studie „Das Potenzial von Corporate Influencern für die Finanzbranche nutzen“
Herr Besold, stellen Finfluencer für Versicherer ein „echtes Problem“ dar?
Finfluencer haben heute großen Einfluss auf die Wahrnehmung von Finanz- und Versicherungsthemen – gerade bei jüngeren Menschen: Unsere Studie hat gezeigt, mehr als die Hälfte der 18– bis 45-Jährigen nutzt Finfluencer als Informationsquelle, 60% sehen sie sogar als Ersatz für eine professionelle Beratung. Das birgt Risiken, weil Finfluencer nicht immer über die nötige Fachkompetenz oder das Verständnis regulatorischer Anforderungen verfügen. Fehlerhafte Empfehlungen können damit nicht nur einzelne Kundinnen und Kunden verunsichern, sondern auch das Vertrauen in die gesamte Branche schwächen.
Gleichzeitig eröffnet diese Entwicklung Versicherern aber auch Chancen. Das große Interesse zeigt, wie relevant Finanz- und Vorsorgethemen in sozialen Medien geworden sind.
Was müssen sie tun, um sich gegen die Finfluencer zu behaupten?
Versicherer sollten Finfluencer nicht ausschließlich als Konkurrenz sehen, sondern auch als potenzielle Partner in der Kommunikation. Kooperationen können Reichweite und Aufmerksamkeit schaffen. Sie erfordern allerdings ein genaues Verständnis der Zielgruppe sowie eine Botschaft, die zur persönlichen Marke des Finfluencers passt. Hier liegt die Herausforderung: Authentizität ist entscheidend. Sobald Inhalte zu stark nach reiner Werbung klingen, verlieren sie an Glaubwürdigkeit.
Deshalb empfehlen wir eine klare Strategie und ein umfassendes Konzept. Über punktuelle und gezielt gesteuerte Partnerschaften mit Finfluencern hinaus sollten Versicherer auch auf eigene Corporate Influencer setzen, die Fachwissen, regulatorische Sicherheit und persönliche Einblicke verbinden. Damit können sie eine verlässliche, authentische Stimme im digitalen Raum aufbauen.
Hat es die Versicherungsbranche beim Thema Social Media von sich aus schwerer, weil sie allgemein nicht den besten gesellschaftlichen Ruf hat?
Der Ruf der Branche ist eher nüchtern. Versicherungsthemen sind selten Teil alltäglicher Gespräche – und gelten als trocken oder komplex. Das zeigt aber auch, dass die Themen eine besondere Einordnung und Verständlichkeit erfordern.
Gerade deshalb liegt die Chance darin, Vertrauen durch Transparenz und Authentizität aufzubauen. Wenn Mitarbeitende als Corporate Influencer auftreten, Fachwissen teilen und persönliche Einblicke geben, kann aus trockener Theorie eine glaubwürdige und menschliche Stimme werden. Auf diese Weise können Versicherer Vorurteile abbauen und zeigen, dass sie mehr sind als komplizierte Policen, nämlich verlässliche Partner im Alltag.
Wie können Versicherer dafür sorgen, dass ihre Botschaften glaubwürdig und authentisch bleiben? Gerade dieser Aspekt ist bei der jungen Generation sehr wichtig.
Glaubwürdigkeit und Authentizität entstehen nicht durch Hochglanzwerbung, sondern durch echte Stimmen, insbesondere auf Social Media. Für Versicherer heißt das: Mitarbeitende sollten ermutigt werden, selbst Inhalte zu erstellen und ihre Perspektiven einzubringen. Wenn ein Berater oder eine Underwriterin im eigenen Namen erklärt, wie sie arbeiten, wirkt das nahbarer und vertrauenswürdiger als jede anonyme Unternehmensbotschaft.
Dazu braucht es ein stabiles Fundament: klare Social-Media-Richtlinien sowie Trainings, die Sicherheit im Umgang mit digitalen Formaten geben, und eine Unternehmenskultur, die Eigeninitiative fördert. Gerade für die junge Generation ist es wichtig, dass Botschaften nicht wie reine Werbung wirken, sondern persönliche Einblicke und Mehrwert bieten.
Wenn Versicherer ihre Corporate Influencer dabei unterstützen, Wissen, Alltagserfahrungen und auch mal persönliche Haltungen zu teilen, entsteht genau diese Authentizität. Die Botschaften bleiben glaubwürdig und das Unternehmen gewinnt eine Stimme, die auch bei den jungen Zielgruppen ankommt.
Was können Versicherer konkret tun, damit auch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sie aktiv auf Social Media vertreten?
Versicherer können ihre Mitarbeitenden dann aktivieren, wenn diese Klarheit, Sicherheit und auch persönlichen Nutzen sehen. Unsere Studie zeigt allerdings Lücken: 46% der Beschäftigten ohne Personalverantwortung haben bisher keine Social-Media-Schulung erhalten, und 27% wissen gar nicht, ob es verbindliche Richtlinien gibt. Kein Wunder also, dass mehr als die Hälfte dieser Gruppe keine arbeitsbezogenen Inhalte posten, während bei Führungskräften immerhin 53% wöchentlich aktiv sind.
Unser Ansatz ist es hier, klare Social-Media-Richtlinien und eine verbindliche Governance aufzubauen, damit die Mitarbeitenden wissen, welche Inhalte erwünscht sind und wie sie sich einbringen können. Ergänzend sollten Schulungen für die Belegschaft – nicht nur für Führungskräfte – angeboten werden, um Hemmschwellen abzubauen und die Sicherheit im Umgang mit digitalen Formaten zu erhöhen. Dabei sollte es aber nicht nur um die Nutzung als solches gehen. Eine übergreifende Strategie und konkrete Maßnahmen bilden die zentrale und wichtige Klammer, vor und während der Aktivierung der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Ebenso wichtig sind Anreize. Mitarbeitende engagieren sich stärker, wenn Social-Media-Aktivitäten sichtbar wertgeschätzt werden. Sei es durch Feedback, Mentoringprogramme oder die Berücksichtigung im Rahmen von Zielvereinbarungen und Karrierewegen. Unsere Studie verdeutlicht das Potenzial: 70% der Führungskräfte nutzen Social Media aktiv fürs Networking, aber nur 37% der Mitarbeitenden ohne Personalverantwortung.
Wenn Versicherer es schaffen, Mitarbeitende zu befähigen, zu motivieren und ihr Engagement sichtbar zu würdigen, kann eine breite Basis an Corporate Influencern entstehen. Damit kann aus vereinzelten Stimmen eine authentische und vielfältige Präsenz werden, die das Unternehmen glaubwürdig und nahbar auf Social Media repräsentiert.
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