Interview mit Ralf Berndt und Jesko Kannenberg, VorstÄnde Vertrieb, Marketing und betriebliche Altersversorgung bei der Stuttgarter
Herr Berndt, wie ist Ihre Gefühlslage so kurz vor dem Ruhestand?
Ralf Berndt Meine Gefühlslage ist grundsätzlich positiv, viel Vorfreude. Nach fast 50 Jahren beruflicher Tätigkeit freue ich mich auf mehr Zeit für Familie und mich selbst. Aber natürlich wird auch noch der Moment mit Wehmut und Abschiedsschmerz kommen.
Herr Kannenberg, mit Ihnen geht die Stuttgarter in die Zukunft: Wie ist Ihre Gefühlslage so kurz vor der Übernahme der alleinigen Verantwortung?
Jesko Kannenberg Aktuell sind wir noch bei der „Staffelstab-Übergabe“. Oft ist man im Vorfeld etwas kritisch: Wie wird das wohl, wenn der alte und neue Vorstand gleichzeitig da sind? Aber diese vier Monate, die Ralf und ich uns gemeinsam gegeben haben, waren Weltklasse. Rückblickend war das für mich ein echtes Geschenk. Ralf ist ein fachlich enorm starker Experte, von dem ich noch viel lernen konnte – quasi sein „Best-of“ aus 23 Jahren. Gleichzeitig lässt er mir den Raum, eigene Impulse zu setzen.
Herr Berndt, Sie blicken auf mehrere Jahrzehnte in der Versicherungsbranche zurück. Was hat sich aus Ihrer Sicht grundlegend verändert, zum Positiven wie zum Negativen?
RB Negativ ist die immer weiter ausufernde Regulierung und die damit verbundene Bürokratie. Der gesunde Menschenverstand sowie unternehmerisches Handeln im besten Sinne zählen kaum noch. Positiv bleibt die zentrale Rolle des „Faktors Mensch“ – persönliche Beziehungen zu Kunden, Vermittlern und Mitarbeitenden sind nach wie vor entscheidend und waren auch für mich immer eine große Motivation.
Der Blick in die Statistik zeigt: Sowohl bei den bAV-Verträgen als auch bei den Beitragseinnahmen bei Lebensversicherungen herrscht seit Jahren Stagnation. Verliert die Versicherungswirtschaft schleichend an Relevanz für die Gesellschaft?
RB Nein, das sehe ich nicht so. In der Tat ist der Verbreitungsgrad von Lebensversicherungen schon sehr hoch. Hinzu kommt auch ein verändertes Anlageverhalten. Trotzdem besteht ein großes Wachstumspotenzial – vor allem in der bAV. Aber auch hier bräuchte es bessere Rahmenbedingungen: den Abbau von Bürokratie und die damit verbundene Steigerung der bAV-Attraktivität.
Sie waren 23 Jahre im Vorstand der Stuttgarter. Wie ist es, für einen Maklerversicherer tätig zu sein?
RB Für mich persönlich ist das eine der schönsten Aufgaben in unserer Branche. Man hat mit ausgeprägten Unternehmern zu tun, die außerordentlich professionell arbeiten. Außerdem wird man im positiven Sinne ständig gefordert, da man bei unabhängigen Vermittlern immer unmittelbar im Wettbewerb steht.
In Ihre Vorstandszeit fällt die Einführung der ersten deutschen Fondspolice mit Garantiebaustein. Wie hat dieses Produkt den Kurs der Stuttgarter geprägt – und welche Lehren lassen sich daraus für heutige Produktentwicklungen ziehen?
RB Die Einführung war ein echter Paradigmenwechsel, da bis dahin klassische Produkte im Fokus standen. Mit der Fondspolice konnten wir unsere Innovationskraft zeigen und einen klaren Wettbewerbsvorteil nutzen – wir gehörten zu den Ersten mit einem solchen Angebot und wurden dadurch auch extern ganz anders wahrgenommen. Eine zentrale Lehre daraus: Produktentwicklung ist entscheidend für den Markterfolg und ein dauerhaftes Thema. Nur mit Kontinuität und kurzen Innovationszyklen kann man sich dauerhaft erfolgreich im Markt etablieren.
Auch im Bereich Nachhaltigkeit hat sich die Stuttgarter frühzeitig positioniert. Bereits 2013 wurde eine „grüne“ Vorsorgelösung auf den Markt gebracht. Was war dabei aus Ihrer Sicht entscheidend – und wie wird das Thema künftig weitergetragen?
RB Schon vor meiner Zeit bei der Stuttgarter habe ich die erste klassische Rente mit nachhaltiger Kapitalanlage entwickelt – die Verbindung von Altersvorsorge und Nachhaltigkeit hat mich von Beginn an begeistert. Als das gesellschaftliche Interesse an Umwelt und sozialer Verantwortung wuchs, wurde das große Potenzial dieses Themas immer deutlicher. Für mich war es daher logisch, auch bei der Stuttgarter ein entsprechendes Produkt einzuführen.
Nachhaltigkeit wird uns auch weiterhin massiv beschäftigen, da sie elementar für die Zukunft der Menschheit ist. Wir werden das Produkt daher im Einklang mit regulatorischen Vorgaben weiterentwickeln und unsere nachhaltigkeitsorientierte Ausrichtung als Unternehmen konsequent fortsetzen.
Herr Kannenberg, mit dem Zusammenschluss mit der SDK steht ein weiterer großer Schritt für die Stuttgarter an. Wie ordnen Sie diese Entwicklung ein – strategisch, aber auch kulturell?
JK Im Hinblick auf den Zusammenschluss mit der SDK sind wir sehr gut aufgestellt. Ich übernehme dort eine ganz neue Rolle: den Aufbau eines Gesamtvertriebs für unabhängige Vermittler inklusive SDK mit Fokus auf eine ganzheitliche Firmenkompetenz. Der Zusammenschluss eröffnet neue und zukunftsweisende Potenziale: Synergien in Vertrieb, IT, Produktentwicklung und Personal, eine breitere Basis für Innovationen – und nicht zuletzt eine stärkere Resilienz gegenüber regulatorischen und wirtschaftlichen Herausforderungen.
Insgesamt betrachtet ist das natürlich ein großes Projekt, das die Mithilfe jeder und jedes Einzelnen benötigt. Ein ganz zentraler Faktor ist eine gemeinsame Kultur, die nach und nach entstehen muss. Das Zusammenwachsen ist ein Prozess, den wir bereits begonnen haben, für den wir uns aber auch ausreichend Zeit nehmen möchten.
Was ist Ihnen persönlich wichtig im Führungsstil – und welche Unternehmenskultur möchten Sie in Ihrer neuen Funktion fördern?
JK Mir ist jederzeit bewusst, welche Verantwortung ich trage. Um dieser gerecht zu werden, setze ich bewusst auf ein starkes Umfeld aus kompetenten Führungskräften und Mitarbeitenden. Ich glaube an einen flachen, kooperativen Führungsstil, der auf einem konstruktiven Dialog und gemeinsamen Entscheidungen basiert. Wenn Menschen mit unterschiedlichen Blickwinkeln gemeinsam an einem Thema arbeiten, führt das meist zu fundierteren Ergebnissen – und erleichtert es mir, Verantwortung zu übernehmen.
Ein weiterer Schwerpunkt ist für mich die Personalentwicklung. Wirklich erfolgreich kann man nur mit starken Mitarbeitenden sein. Deshalb stelle ich mir immer die Frage: Wie kann ich Menschen darin unterstützen, ihre individuellen Stärken zu entfalten? Das bedeutet auch, keine Angst davor zu haben, dass Mitarbeitende in bestimmten Bereichen besser werden als man selbst. Im Gegenteil – genau das macht starke Führung aus.
Wo sehen Sie für die Stuttgarter die zentralen Herausforderungen in den nächsten fünf Jahren, insbesondere in der Altersvorsorge?
JK Als zentrale Herausforderungen sehe ich das unsichere politische Umfeld, die dadurch angespannte Wirtschaftslage und einen insgesamt umkämpften Markt. Das sind keine neuen Rahmenbedingungen, aber Einflüsse, die uns auch in Zukunft bewegen werden.
Doch gerade mit dem Blick in den Rückspiegel bleibe ich zuversichtlich. Denn Vorsorge ist und bleibt für viele Menschen wichtig. Wir sehen weiterhin ein starkes Neugeschäft und fokussieren uns auf Bestandswachstum. Verlässlichkeit und Stabilität bleiben auch in unsicheren Zeiten unser Aushängeschild.
Und wie möchten Sie das Profil der Stuttgarter als Altersvorsorgespezialist weiter schärfen, auch im Vergleich zu größeren Marktteilnehmern?
JK Wir setzen auf gesundes, organisches Wachstum. Als mittelständischer Versicherer streben wir keine Marktführerschaft an, sondern wollen der beste Qualitätsanbieter für Geschäftspartner sein, die sich auf das Thema Personenversicherung spezialisiert haben. Wir setzen also weiterhin auf hochwertige, qualitätsorientierte Arbeit. Gleichzeitig ist uns wichtig, unsere Produktpalette kontinuierlich weiterzuentwickeln und zu erweitern.
Welche Rolle wird die betriebliche Altersversorgung künftig im Geschäftsmodell spielen, auch im Zusammenspiel mit den Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartnern der Stuttgarter?
JK Ich sehe aktuell leider keine großen Reformbestrebungen und auch keine echte Reformfähigkeit bei dieser Bundesregierung. Deshalb bin ich überzeugt, dass diese „zweite Schicht“ der Altersvorsorge vor allem über Arbeitgeber weiter an Relevanz gewinnen wird – und das zu Recht. Das sinkende Rentenniveau und die steigende Relevanz zusätzlicher Vorsorgemaßnahmen, die über die gesetzliche Rente hinausgehen, sind maßgebliche Faktoren für einen weiteres Erfolgspotenzial der bAV.
Herr Berndt, welche Pläne haben Sie für die Zeit nach Ihrer Tätigkeit bei der Stuttgarter? Bleibt die Branche ein Teil Ihrer Zukunft oder beginnt ein ganz neuer Abschnitt?
RB Es beginnt ein völlig neuer Abschnitt. Ich möchte viel Zeit mit meiner Familie verbringen und mir Zeit für mich selbst nehmen, um z. B. mit Freunden zu segeln und Golf zu spielen. Der Branche bleibe ich nach heutigem Stand aber auch noch etwas erhalten – in überschaubarem Rahmen.
Was wird Ihnen beim Abschied aus dem Tagesgeschäft besonders fehlen?
RB Die Menschen! Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die tollen Kolleginnen und Kollegen sowie die vielen wunderbaren Geschäftspartnerinnen und Geschäftspartner.
Lesen Sie auch: „Pools müssen Unabhängigkeit der Makler garantieren“
Diesen Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 08/2025 und in unserem ePaper.


- Anmelden, um Kommentare verfassen zu können