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18. September 2019
Stornobekämpfung auch bei widerrufenen Verträgen

Stornobekämpfung auch bei widerrufenen Verträgen

Wird ein Versicherungsvertrag während der Stornohaftungszeit beendet, kann der Versicherer Provisionen zurückfordern. Der Handelsvertreter ist aber nur verpflichtet, die nicht ins Verdienen gebrachte Provision zurückzuzahlen, wenn der Vertrag storniert wurde und der Versicherer die Stornierung nicht zu vertreten hat. Was aber bedeutet es, die Stornierung nicht zu vertreten zu haben? Von Michaela Ferling, FERLING RECHTSANWÄLTE.

Seine Stornierung ist dann nicht zu vertreten, wenn der Versicherer den notleidend gewordenen Vertrag qualifiziert nachgearbeitet hat. Art und Umfang der Nachbearbeitung bestimmen sich nach dem Einzelfall. Dabei kann das Unternehmen grundsätzlich eigene Maßnahmen ergreifen, die dann freilich nach Art und Umfang ausreichend sein müssen. Es kann sich auch darauf beschränken, dem Versicherungsvertreter durch eine Stornogefahrmitteilung die Gelegenheit zu geben, den Vertrag selbst nachzuarbeiten.

Während des bestehenden Handelsvertretervertrages beschränkt sich der Versicherer regelmäßig darauf, dem Handelsvertreter eine Stornogefahrmitteilung zukommen zu lassen. Nach Beendigung des Handelsvertretervertrages besteht die Pflicht zur Übersendung einer Stornogefahrmitteilung nicht mehr.

Verzichtet der Versicherer nach Beendigung des Handelsvertretervertrages auf Stornogefahrmitteilungen, ist er verpflichtet, eigene Maßnahmen zur Stornobekämpfung zu ergreifen. Diese Wahlmöglichkeit darf jedoch nicht dazu führen, dass die Bemühungen des Versicherers wesentlich hinter der Tätigkeit zurückbleiben, die der Versicherungsvertreter im konkreten Fall entfaltet hätte. Vielmehr muss es sich um gleichwertige Alternativen handeln. Eine Gleichwertigkeit wird verneint, wenn sich die Nachbearbeitung auf einen automatisierten Mahnlauf beschränkt. Der Versicherungsvertreter wird regelmäßig seinen persönlichen Kontakt zum Kunden nutzen, um die Gründe der Stornierung aufzuklären. Aus diesem Grund genügt auch die bloße Versendung der Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger nicht. Der Versicherer schuldet den Vortrag, welche konkrete Nacharbeit der Bestandsnachfolger entfaltet hat, denn dieser wird den Schwerpunkt seiner Tätigkeit aus Gründen des eigenen Provisionsinteresses darauf setzen, Neuverträge abzuschließen, anstatt dem Provisionsinteresse des Vorgängers dienen zu wollen.

Stornogefahr muss rechtzeitig mitgeteilt werden

Anerkannt ist mittlerweile auch, dass die Stornogefahrmitteilungen rechtzeitig erfolgen müssen: Die Aussicht auf Rettung des Vertrages sinkt nach der Lebenserfahrung, je mehr Zeit verstreicht. Zieht sich der Versicherer auf die Behauptung zurück, dass eine Nachbearbeitung von Anfang an erfolglos und damit entbehrlich war, hat er nachzuweisen, dass endgültig und unabänderlich feststeht, dass der Vertrag nicht fortgesetzt wird, etwa bei unbekanntem Aufenthalt des Versicherungsnehmers, feststehender Zahlungsunfähigkeit, wegen Insolvenz oder eines endgültigen Lossagens vom Vertrag wegen eines wichtigen Kündigungs- oder Anfechtungsgrundes.

Oftmals umstritten ist der Aspekt – der daher vom Versicherer gerne eingewandt wird –, dass die qualifizierte Nachbearbeitung nur dann geschuldet sei, wenn der Vertrag tatsächlich storniert, also wegen Nichtzahlung seitens des Versicherungsnehmers nach entsprechender Mahnung gekündigt worden sei. Bei Beitragsfreistellung, Kündigung oder gar Widerruf sei eine qualifizierte Nachbearbeitung nicht notwendig.

Diesem Einwand ist das OLG Düsseldorf nicht gefolgt (Urteil vom 13.01.2017, Az.: I-16 U 32/16). Nicht nur im Falle einer Kündigung seitens des Versicherers bei Beitragsrückstand hat eine Nacharbeit zu erfolgen, sondern auch bei sonstigen sich abzeichnenden provisionsrelevanten Gefährdungen des Bestands des Versicherungsvertrages. Deutlicher wird das OLG München in seinen Hinweisbeschlüssen, in denen das Gericht ausführt, dass auch im Falle der Kündigung und der Beitragsreduzierung eine Nachbearbeitung erforderlich ist.

Versicherer scheitert mit Widerruf

In einer aktuellen Entscheidung hat das OLG München (Urteil vom 28.03.2019, Az.: 7 U 618/18) die Berufung eines Versicherers zurückgewiesen und Stellung bezogen zur Frage der Nachbearbeitungsverpflichtung des Versicherers im Falle des Widerrufs.

Mit der Begründung, im Falle eines Widerrufs durch den Kunden sei keine Nachbearbeitung erforderlich, denn eine Nachbearbeitung beschneide das Recht des Kunden auf Widerruf und nach dem Widerruf könne der ursprüngliche Vertrag nicht wiederhergestellt werden, scheiterte das klagende Versicherungsunternehmen.

Das Gericht führte aus, dass § 87a Abs. 3 S. 2 HGB mit der sich daraus ergebenden Nachbearbeitungsverpflichtung des Versicherers grundsätzlich voraussetze, dass durch die Vermittlung des Vertreters überhaupt ein wirksames Geschäft zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer zustande gekommen sei. Diese Voraussetzung sei auch im Falle eines später widerrufenen Versicherungsvertrages erfüllt, da nach § 8 VVG – anders als nach dem bis 31.12.2017 geltenden § 5a VVG a. F. – der Versicherungsvertrag vor Ausübung des Widerrufsrechts durch den Versicherungsnehmer schwebend wirksam sei. Der Widerruf durch den Versicherungsnehmer vernichte den Vertrag nicht rückwirkend, sondern nur auf den Zeitpunkt des Widerrufs.

Provision entfällt nur bei ausreichender Nachbearbeitung

Da folglich aufgrund des – wenn auch nur zeitlich beschränkten – Bestehens eines wirksamen Versicherungsvertrages § 87a Abs. 3 HGB zur Anwendung kommt, besteht nach § 87a Abs. 3 S. 2 HGB auch bei widerrufenen Versicherungsverträgen eine Nachbearbeitungspflicht des Versicherers, sodass der Provisionsanspruch des Versicherungsvertreters nur bei ausreichender Nachbearbeitung wegfällt. Die vom Versicherer angeführten Argumente gegen die Nachbearbeitungspflicht vermochten das Gericht nicht zu überzeugen, denn die Annahme einer Nachbearbeitungspflicht unterlaufe nicht die Zielsetzung des § 8 VVG, wonach sich der Versicherungsnehmer, auch ohne sich in einer Überrumpelungssituation befunden zu haben, bei entsprechender Vertragsreue vom Vertrag lösen können soll. Auch wenn der Gesetzgeber dem Kunden aufgrund der Komplexität der Versicherung eine Überlegungsfrist gewähren wollte, beschneide eine Nachbearbeitungspflicht des Versicherers dieses voraussetzungslose Dispositionsrecht nicht und stehe damit auch nicht im Widerspruch zur Zielsetzung des § 8 VVG, zumal der Versicherungsnehmer in diesem Fall nicht gezwungen sei, auf die gebotenen Kontaktaufnahmeversuche des Versicherers einzugehen.

Neuer Vertrag spricht nicht gegen Nacharbeit

Gegen die Nacharbeit spricht auch nicht, so das Gericht, dass nach dem Widerruf das vom Versicherungsvertreter ursprünglich vermittelte Versicherungsvertragsverhältnis nicht mehr wiederhergestellt werden könne, sondern ein neuer Vertrag beginne. Diese Problematik stelle sich bei der Kündigung genauso. Vor dem Hintergrund, dass auch bei widerrufenen Versicherungsverträgen eine Nachbearbeitungsverpflichtung bestehe und die klagende Versicherung außer einer Widerrufsbestätigung und einer Stornogefahrmitteilung an den Bestandsnachfolger, ohne dessen Tätigkeit näher zu konkretisieren, sei davon auszugehen, dass es keine qualifizierte Nachbearbeitung gegeben habe. Folglich bestehe der Rückforderungsanspruch nicht.

Fazit

Die Rechtsprechung zu Provisionsrückforderungsansprüchen hat sich in den vergangenen Jahren – oft zugunsten des Vermittlers – weiterentwickelt. Die Entscheidung des OLG München zeigt, dass unabhängig vom Stornierungsgrund dem Versicherer eine Nachbearbeitungspflicht auferlegt wird. Eine sorgfältige Überprüfung des geltend gemachten Anspruchs kann dem Vermittler bares Geld sparen.

Bild: © WoGi – stock.adobe.com

Den Artikel lesen Sie auch in AssCompact 09/2019, Seite 146 f. und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Michaela Ferling