Der Wunsch von Anlegerinnen und Anlegern, in nachhaltige Produkte zu investieren, ist ungebrochen. Doch es mangelt weiter an Transparenz für die Auswahlentscheidung. Das ergibt eine neue Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC Deutschland und des Analysehauses Morningstar zum Stand der ESG-Offenlegung im Asset und Wealth Management 2022.
Martin Weirich, Leader AWM Sustainable Finance bei PwC Deutschland, sieht die fehlende Transparenz im Wesentlichen in der Geschwindigkeit der Umsetzung multipler Regularien, wie es in der PwC-Mitteilung heißt. Erst mit Inkrafttreten der Level-II-Anforderungen der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) würden seit Januar dieses Jahres erweiterte Transparenzpflichten eingefordert.
Etikettierung läuft uneinheitlich
Gemäß Stufe 1 der EU-Offenlegungsverordnung, die seit März 2021 aktiv ist, werden Produkte in drei Kategorien unterteilt: Artikel-6-, Artikel-8– und Artikel-9-Fonds. Unter Artikel 6 fallen Produkte ohne expliziten Fokus auf Nachhaltigkeit. Unter Artikel 8 fallende Fonds bewerben unter anderem ökologische oder soziale Merkmale. Anlageprodukte, die als Artikel 9 eingestuft werden, müssen explizit ein nachhaltiges Investitionsziel verfolgen.
Der Studie zufolge gingen Asset-Manager bei der Einstufung ihrer Fonds nach Artikel 8 oder 9 der Offenlegungsverordnung im Jahr 2022 sehr unterschiedlich vor. Laut Weirich legen einige Asset-Manager die Vorschriften konservativer aus als andere. Anleger sollten sicherstellen, dass sie die individuellen ESG-Ziele eines Fonds und den Investitionsprozess genau verstehen, denn eine Klassifizierung nach Artikel 8 oder 9 sei noch kein formales ESG-Label.
Ende Dezember 2022 erreichten Artikel-8- und -9-Fonds einen Marktanteil von rund 55% beim verwalteten Vermögen im europäischen Fondsmarkt, so PwC. Dies sei auch auf eine verstärkte Reklassifizierung bisheriger Artikel-6-Fonds im Vorfeld der Level-II-Anforderungen der SFDR zurückzuführen. Im zweiten und dritten Quartal wurde die Mehrzahl der Artikel-6-Produkte auf Artikel 8 hochgestuft.
Anleger bevorzugen Artikel-9-Fonds
Immer mehr im Trend liegen der Analyse von PwC und Morningstar zufolge speziell die Artikel-9-Produkte. Das Anlegerinteresse an Artikel-6- und Artikel-8-Fonds habe seit Beginn 2022 stark nachgelassen. Beide Kategorien zusammen verzeichneten demnach im dritten Quartal Nettomittelabflüsse von rund 80 Mrd. Euro. Fonds, die ein explizites Nachhaltigkeitsziel gemäß Artikel 9 der EU-Offenlegungsverordnung verfolgen, hätten trotz Inflationsdrucks, geopolitischer Risiken und Marktvolatilität im dritten Vierteljahr ihre Zuflüsse auf 12,6 Mrd. Euro im Vergleich zum Vorquartal verdoppelt.
Im vierten Quartal 2022 wiesen Artikel-8-Fonds, die ökologische und soziale Aspekte bei der Auswahl der im Portfolio enthaltenen Emittenten berücksichtigen, wieder Nettomittelzuflüsse auf, während Artikel-9-Fonds den geringsten Zuwachs seit Einführung der Offenlegungsverordnung im März 2021 zeigten. Ein Grund hierfür seien die insgesamt 420 Umklassifizierungen im vierten Quartal. Denn in 307 Fällen seien Produkte von Artikel 9 auf Artikel 8 herabgestuft. Betroffen sei hierbei ein verwaltetes Vermögen von insgesamt 175 Mrd. Euro gewesen.
Stabiler Trend bei Fondsneuauflagen
Bei den Produktneuentwicklungen zeigte sich bei Fonds, die nach Artikel 8 und 9 klassifiziert sind, im Jahresverlauf 2022 hingegen ein stabiler Trend, so PwC. Zudem bauten die Vermögensverwalter ihre Fondspalette hinsichtlich Anlageklasse, Marktengagement, Anlagestil und Thema weiter aus, wobei Aktienfonds überwiegen.
Außerdem lasse sich bei Fonds nach Artikel 8 und 9 eine Zunahme an ESG- und Umweltfonds erkennen. Unter Artikel 9 hätten verschiedene Themenfonds ihr Angebot zum Erhalt von Ökosystemen, zur Erzeugung erneuerbarer Energien oder zum Aufbau energieeffizienter Infrastrukturen erweitert. (mki)
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Bild: © Robert Kneschke – stock.adobe.com
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