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5. Juni 2023
Teilungsversteigerung der Ehewohnung vor der Scheidung?
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Teilungsversteigerung der Ehewohnung vor der Scheidung?

Ehepartner sind auch nach der Trennung zur gegenseitigen Rücksichtnahme bei der Verfolgung ihrer wirtschaftlichen Interessen verpflichtet. Dennoch kann eine Teilungsversteigerung der Ehewohnung möglich sein, hat der BGH beschlossen.

Die Richter am Bundesgerichtshof (BGH) haben beschlossen, dass eine Teilungsversteigerung einer Ehewohnung unter bestimmten Umständen bereits vor der Scheidung möglich sei.

Ehepaar erwirbt Mehrfamilienhaus

Im vorliegenden Sachverhalt erwarb ein Ehepaar im Jahr 2017 ein Mehrfamilienhaus, das es mit seinen beiden Töchtern teilweise selbst nutzte, während es den nicht genutzten Wohnraum vermietete. Bereits im darauffolgenden Jahr zog der Mann wieder aus und reichte die Scheidung ein. Da sich das Ehepaar über einen Verkauf der ihm gemeinsam gehörenden Immobilie auch drei Jahre nach der Trennung nicht einigen konnte, beantragte der Mann bereits vor Abschluss des Scheidungsverfahrens beim zuständigen Amtsgericht die Zwangsversteigerung. Dagegen wehrte sich die Frau gerichtlich, kam damit aber nicht durch.

Umstände des Einzelfalls sind entscheidend

Zwar sind laut BGH die Ehepartner auch nach der Trennung zur gegenseitigen Rücksichtnahme bei der Verfolgung ihrer wirtschaftlichen Interessen verpflichtet. Laut BGH-Beschluss ist eine Teilungsversteigerung während eines laufenden Scheidungsverfahrens aber zulässig, wenn die antragstellende Person dringend auf ihren Anteil am Veräußerungserlös angewiesen ist und die Interessen der Ehepartnerin bzw. des Ehepartners und der gemeinsamen Kinder nicht überwiegen. Dabei sind sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Und im entschiedenen Fall wertete das Gericht die Interessen des Mannes höher. Dieser sei nämlich dringend auf den Erlös aus der Veräußerung angewiesen, da bei ihm eine „Sozialbedürftigkeit“ bestehe und er daher nicht in der Lage sei, die auf der Immobilie abgesicherten Kredite zu bedienen.

Umzug ist für Frau und Kinder keine besondere Härte

Die Richter am BGH haben ihre Abwägung der beiderseitigen Interessen auch vor den Hintergrund der Zeitdauer des Getrenntlebens der beiden Ehegatten gestellt. Je länger die Trennung bereits andauere, desto mehr Zeit stünde dem nicht teilungswilligen Ehegatten zur Verfügung, sich auf die geänderten Verhältnisse einzustellen, lautet der Grundsatz. Mit zunehmender Dauer der Trennungszeit werden deshalb an das Versteigerungsinteresse des teilungswilligen Ehegatten geringere und an das Nutzungsinteresse des anderen Ehegatten höhere Anforderungen zu stellen sein. Bei langer Trennungszeit sei zudem zu erwägen, so das Gericht, ob der nicht teilungswillige Ehegatte darauf verwiesen werden kann, im Ehewohnungsverfahren ein Mietverhältnis an der Ehegattenimmobilie begründen zu lassen.

Dagegen würde für die Frau und die Kinder ein Umzug keine besondere Härte darstellen, zumal die Familie erst seit Kurzem im Familienheim lebte. Da die Eheleute schon länger als drei Jahre getrennt lebten, hatten sie auch genügend Zeit, sich auf eine Veränderung einzustellen. (as)

BGH, Beschluss vom 16.11.2022 – Az. XII ZB 100/22

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