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9. Februar 2022
Tierversicherung: „Die Produktvielfalt ist relativ bunt“
Dog and cat together. Dog hugs a cat under the rug at home. Friendship of pets

Tierversicherung: „Die Produktvielfalt ist relativ bunt“

Inwieweit hat der Haustierboom auch den Tierversicherungen einen Auftrieb gegeben? Und wie stark unterscheiden sich die Tarife auf dem Markt, gerade auch in der Tierhalterhaftpflicht, und zeichnen sich bestimmte Trends ab?

Interview mit Mortesa Yakubi, Business Produktmanager bei der softfair GmbH
Herr Yakubi, in den vergangenen Jahren gab es einen regelrechten Haustierboom, den die Pandemie zusätzlich befeuert hat. Ebbt diese Entwicklung derzeit etwas ab oder geht der Trend nach wie vor zum tierischen Familienmitglied?

Der Trend geht aktuell ganz klar zum tierischen Familienmitglied. An erster Stelle stehen Hunde und Katzen. Im Jahr 2019 lebten ca. 9 Millionen Hunde und 14 Millionen Katzen in deutschen Haushalten. Laut derzeitigen Schätzungen vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) leben aktuell ca. 11,2 Millionen Hunde und ca. 16 Millionen Katzen in deutschen Haushalten. Die pandemische Lage hat diese Situation somit noch einmal stark verschärft und führte 2020 zu Rekordeinnahmen aus der Hundesteuer. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts konnten 380 Mio. Euro eingenommen werden. Dieser Rekord unterstreicht den klaren Aufwärtstrend zum Haustier.

Wie hat sich denn der Markt für Tierversicherungen während der Pandemie entwickelt?

Die Nachfrage am Markt für Tierversicherungen profitiert natürlich auch von dem klaren Aufwärtstrend zum Haustier. Ebenfalls hat sich die Rolle des Haustieres verändert. Haustiere werden als echte Familienmitglieder wahrgenommen und Tierhalter sind gewillter, ihren Lieblingen die bestmögliche Absicherung zukommen zu lassen. Bei der Absicherung des Tierhalters durch eine Tierhalterhaftpflichtversicherung besteht, zumindest wenn man auf die Zahlen schaut, noch deutlich Entwicklungspotenzial. Aktuell sind lediglich ca. 63% der Tierhalter gegen etwaige Schadenersatzansprüche versichert. Jedoch ist Absicherung durch eine Tierhalterhaftpflicht existenziell bzw. in einigen Bundesländern sogar Pflicht.

Für das vierbeinige Familienmitglied nur das Beste: Gilt dies auch in der Tierkrankenversicherung?

Zur bestmöglichen Absicherung gehört definitiv eine Tierkranken- bzw. Tier-OP-Versicherung. Der Tierhalter kann mit einer solchen Versicherung das finanzielle Risiko beim Tierarzt und bei Operationen minimieren und sich vollkommen auf das Wohl des Tieres konzentrieren. Die positive Entwicklung auf dem Markt und die hohe Nachfrage nach Tierkranken- bzw. Tier-OP-Versicherungen hat uns auch dazu veranlasst, im vergangenen Jahr einen Vergleichsrechner auf den Markt zu bringen.

Gerade wenn das Tier unters Messer muss, kann es beim Tierarzt schnell teuer werden. Wie sieht es denn in Sachen OP-Schutz aus? Wissen Kunden um die Kosten, die da auf sie zukommen können? Und steigt auch hier die Nachfrage?

Durch die neue Wahrnehmung der Haustiere als Familienmitglieder ist die Bereitschaft der Tierhalter gestiegen, das Wohlergehen durch eine Tierkranken- bzw. Tier-OP-Versicherung bestmöglich sicherzustellen. Jedoch unterschätzen viele noch das finanzielle Risiko bei der Anschaffung eines Haustieres und erleben das böse Erwachen bei der ersten Rechnung. Bei einem Kreuzbandriss beim Hund ist man zum Beispiel schnell bei 2.500 bis 3.000 Euro. Dieses Risiko lässt sich sehr gut mit einer bedarfsgerechten Absicherung mindern.

Die Tierhalterhaftpflicht ist in einigen Bundesländern verpflichtend, in anderen nicht. Sind sich Tierhalter der Risiken bewusst?

In Hamburg, Berlin, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen ist man als Hundehalter gesetzlich dazu verpflichtet, eine Hundehaftpflichtversicherung abzuschließen. In den restlichen Bundesländern gilt diese Pflicht nur für Listenhunde. Lediglich in Mecklenburg-Vorpommern gibt es gar keine Versicherungspflicht. Generell besteht noch großer Aufklärungsbedarf in diesem Bereich. Tierhalter sind sich der finanziellen und rechtlichen Risiken offenbar nicht gänzlich bewusst, denn der Anteil an Tierhaltern ohne eine Tierhalterhaftpflicht liegt aktuell bei etwa 27%. Ein erschreckend hoher Anteil. Bei durchschnittlich 80.000 Schäden im Jahr ist ein existenzbedrohender Haftpflichtschaden im Rahmen des Möglichen und sollte durch eine bedarfsgerechte Tierhalterhaftpflichtversicherung abgesichert werden.

Nun haben zig Versicherer Tierhalterhaftpflichttarife auf dem Markt. Wie stark unterscheiden sich denn die Produkte?

Die Produktvielfalt ist bei Tierhalterhaftpflichttarifen relativ bunt. Bei der Produktqualität gibt es jedoch große Nuancen und jeder Tierhalter muss sich mit seinem Versicherungsbedarf sehr genau auseinandersetzen, um die bestmögliche Absicherung mit einer Tierhalterhaftpflicht zu erreichen.

Zeichnen sich hier bestimmte Trends ab?

ESG (Environmental, Social and Governance) ist der kommende Trend in der gesamten Versicherungsbranche und beschreibt das Thema Nachhaltigkeit in den Bereichen Umwelt, Sozial und Unternehmensführung. Durch die Verabschiedung der Taxonomie-Verordnung (EU 2020/852) der EU sind Versicherungsunternehmen nun dazu verpflichtet, einen Beitrag in den genannten Bereichen zu leisten und diesen Beitrag offenzulegen. Anhand von ESG-Kriterien lassen sich somit Wirtschaftstätigkeiten von Versicherungsunternehmen analysieren und als ökologisch nachhaltig definieren. Ein Trend, der bei Tierhaltern in Zeiten des Klimawandels gut ankommt.

Wird der Markt insgesamt unübersichtlicher? Und wie gelingt es angesichts der Angebotsvielfalt, die Spreu vom Weizen zu trennen?

Die Übersicht kann man nur mit einer detaillierten Analyse des Marktes bewahren. Hierfür nutzt softfair das Leistungsratingverfahren, bei dem 18 verschiedene Leistungsbereiche objektiv und neutral analysiert werden. Das Ergebnis unterstützt Vermittler in der Beratung ihrer Kunden und hilft diesen bei der Entscheidungsfindung. Ansonsten sollte der Tierhalter bei der Wahl eines geeigneten Tarifes auf eine zeitgemäße Deckungssumme für Personen-, Sach- und Vermögensschäden wertlegen. Hiermit kann man schon stark selektieren und Basistarife rausfiltern. Ebenfalls wichtig ist eine Absicherung von Mietsachschäden an unbeweglichen und beweglichen Sachen in gemieteten Räumen. Einige Tarife bieten hier keine Absicherung an und liefern somit grundsätzlich ein gutes Auswahlkriterium für die Entscheidungsfindung. Am Ende des Tages ist eine gute Absicherung jedoch abhängig von den Bedürfnissen des Tierhalters und dem vorhandenen Budget.

Hat Qualität ihren Preis oder bieten auch günstige Tarife ausreichend Schutz?

Generell lässt sich sagen, dass günstige Basistarife eher einen Grundschutz und Premiumtarife eine vollkommene Absicherung bieten. Jedoch verringert sich die Kluft und die Versicherer kalkulieren neue Produkte haargenau auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Kunden und der aktuellen Marktsituation. Dennoch bleibt das Qualitätsempfinden des Versicherungsnehmers immer abhängig von seinem Bedarf und seinem Budget.

Ist darüber hinaus eine private Rechtsschutzversicherung für Tierhalter sinnvoll?

Hierbei würde es sich um eine Ausschnittsdeckung handeln, die eher als Baustein in einer Tierhalterhaftpflichtversicherung passen könnte. Persönlich würde ich eine private Rechtsschutzversicherung in diesem Fall vorziehen, um mögliche Grenzbereiche zu vermeiden.

Wie verhält es sich beim Versicherungsschutz für Listenhunde?

Halter von Listenhunden haben es schwer auf dem aktuellen Versicherungsmarkt. Entweder muss man mit hohen Zuschlägen rechnen oder es ist gar kein Versicherungsschutz möglich. Einige Anbieter haben sich jedoch auf Listenhunde spezialisiert.

Gerade in der Tierhalterhaftpflicht scheinen zunehmend digitale Player auf dem Markt aktiv. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Die Tierhalterhaftpflicht gilt als weniger komplexe Versicherungssparte und bietet sich somit neuen digitalen Playern besonders an. Hier kann man ohne großes Versicherungs-Know-how schnell gewinnbringend agieren und gleichzeitig Erfahrungen und finanzielle Rücklagen bilden. Diese könnte man anschließend nutzen, um weitere Produkte auf den Markt zu bringen. Wie erfolgreich diese Strategie ist, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2022, S. 46 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Tatyana Gladskih – stock.adobe.com

 
Ein Interview mit
Mortesa Yakubi