Herr Ritter, wie hat sich der Markt für Chalets in den letzten Jahren verändert, insbesondere in Bezug auf Angebot, Nachfrage und Preis?
Das Angebot an Chalets hat sich in den vergangenen Jahren aufgrund der Pandemie und des Brexits deutlich nach oben entwickelt. Davor kamen kaum hochwertig ausgestattete Chalets auf den Markt. Auch die Baubranche hat den Trend hin zum Chalet erkannt, weshalb es immer mehr Bauprojekte gibt, um auf die gestiegene Nachfrage zu reagieren. Stellenweise entstanden sogar ganze Chalet-Dörfer. Aufgrund der hohen Nachfrage haben natürlich auch die Preise angezogen. Die meisten Chalets sind mittlerweile im Hochpreissegment einzuordnen und können je nach Lage und Ausstattung mehrere Millionen Euro kosten.
Welche spezifischen Auswirkungen hatten der Brexit und die Corona-Pandemie auf den Chalet-Markt in den Alpenregionen?
Chalets galten für viele Briten als Skiurlaubsziel Nummer eins und die beliebten Alpenhütten waren oftmals in britischer Hand. Die angebotenen Pauschalreisen mit Rundum-Versorgung inklusive britischem Personal vor Ort boomten. Die Reisen waren günstig, nicht zuletzt wegen der Saisonkräfte von den britischen Inseln. Mit dem Brexit funktionierte dieses Geschäftsmodell jedoch nicht mehr, da die Saisonkräfte nun dem lokalen Mindestlohn sowie den Versicherungsabgaben des Ziellandes unterlagen und gegebenenfalls auch noch ein Arbeitsvisum benötigten. Das Prozedere, Personal zu finden, war aufwendiger und kostete mehr Geld.
Zudem fiel der Brexit Anfang 2021 mit der Corona-Pandemie und deren Reiserestriktionen zusammen, was den Markt nahezu völlig zum Erliegen brachte. Viele britische Anbieter mussten Insolvenz anmelden und haben sich entschlossen zu verkaufen. Folglich gibt es mancherorts ein größeres Angebot an Chalets auf dem Immobilienmarkt. Auch die Nachfrage nach solchen Immobilien ist – vor allem durch das veränderte Bewusstsein zum Thema Wohnen während der Pandemie – gestiegen. Kaufinteressenten suchen nach mehr Ruhe und Privatsphäre und nach weniger sozialen Kontakten – also all das, wofür ein Chalet im Alpenraum steht.
Wie hat sich die Architektur und Ausstattung moderner Chalets verändert und was erwarten Käufer heute von einer solchen Immobilie?
Das Wort Chalet stammt aus dem Französischen und bezeichnet – auch wenn das zunächst verwundern mag – eine einfache Hütte. Ursprünglich lagen diese Hütten direkt auf der Alm und dienten den dort lebenden und arbeitenden Hirten und Bauern als Unterkunft. Dabei waren diese Sennhütten alles andere als komfortabel. Sie waren meist einstöckig mit niedrigen Decken, kleinen Fenstern und boten dementsprechend wenig Platz. Auch eine Zentralheizung gab es zu damaligen Zeiten nicht, weshalb die meisten Almhütten stattdessen mit Kachelöfen ausgestattet waren. Im Laufe der Zeit rückten Chalets immer weiter in den Fokus der wohlhabenderen Gesellschaftsschichten, die sie als naturnahen Rückzugs- und Erholungsort nutzten. Von der einst spartanisch eingerichteten Almhütte ist nicht viel geblieben. Vielmehr sind die heutigen Chalets als eine Art moderne und luxuriöse Interpretation der klassischen Sennhütte zu verstehen. Die traditionelle Chalet-Architektur – massive Holzbauweise mit flachem Satteldach und ausladendem Dachüberstand – wird demnach mit zeitgenössischen Elementen kombiniert.
Lassen Sie uns nochmals auf das Angebot blicken. Wo sehen Sie die größten Unterschiede in der Verfügbarkeit und Nachfrage nach Chalets zwischen verschiedenen Regionen?
Tatsächlich kann das vorhandene Angebot der gestiegenen Nachfrage noch nicht überall standhalten. So berichtet unser Geschäftsstellenleiter von VON POLL IMMOBILIEN Oberallgäu in Kempten beispielsweise von einem eher knappen Angebot in seiner Region. Die meisten Chalets befinden sich dort in den beliebten Ferienregionen um Oberstdorf, der Hörnergruppe sowie Oberstaufen. Am VON POLL IMMOBILIEN Standort Reutte in Österreich zeigt sich ein ähnliches Bild. Am meisten vertreten sind Chalets dort im Tannheimer Tal, Lechtal und der Zugspitzarena.
In Kitzbühel wiederum gibt es ein weitaus größeres Angebot an Chalets. Dort können über 80% der Immobilien als Chalets beziehungsweise – wie dort üblich – als „Tiroler Landhäuser“ bezeichnet werden. Dieses Phänomen ist wohl darauf zurückzuführen, dass Kitzbühel schon seit jeher zu den beliebtesten und exklusivsten Skigebieten weltweit zählt und die Nachfrage nach Chalets dort folglich schon immer auf einem höheren Niveau lag. Schließlich sind Ski-Chalets, die direkt an der Piste liegen, für jeden Wintersportler das Nonplusultra.
In manchen Regionen gibt es inzwischen bestimmte Vorgaben zur Nutzung von Chalets. Welche Herausforderungen ergeben sich dadurch für Interessenten bzw. Investoren?
In einigen Regionen ist beispielsweise die Zahl an Zweitwohnsitzen, die genehmigt werden dürfen, stark begrenzt. Das stellt so manchen Interessenten, der ein Chalet als Ferienimmobilie erwerben will, vor Herausforderungen. Vor dem Erwerb eines Chalets ist für Kaufinteressenten daher essenziell, sich vorab eingehend von einem Immobilienexperten vor Ort beraten und genau über die dortige Rechtslage aufklären zu lassen. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Kauf am Ende reibungslos verläuft bzw. die Käufer überhaupt dazu berechtigt sind, die Immobilie gegebenenfalls als Zweitwohnsitz zu nutzen. Wir sind bei VON POLL IMMOBILIEN bzw. VON POLL REAL ESTATE mit einem internationalen Netzwerk aus über 1.500 Kollegen und mehr als 400 Shops in ganz Europa dafür hervorragend aufgestellt und können Kunden beim Kauf einer Immobilie auch über Grenzen hinweg optimal unterstützen.
Bleiben wir bei den Käufern: Welche Motive stehen denn im Vordergrund, was die Nutzung angeht? Geht es um eine Ferienimmobilie, einen Erstwohnsitz oder eher ein Domizil für den Ruhestand?
Bezüglich der Nutzung sind sich die meisten unserer Käufer einig: Sie erwerben das Chalet hauptsächlich zur Selbstnutzung, also als Ferienimmobilie bzw. Zweitwohnsitz oder eben Erstwohnsitz. Des Weiteren gibt es auch immer mehr Pensionäre, die sich für ein Chalet als permanenten Altersruhesitz entscheiden. Aber Chalets dienen oftmals nicht nur als Rückzugsort, sondern auch als Treffpunkt für die ganze Familie – insbesondere zu Feiertagen oder in der Ferienzeit.
Welche Vorteile bietet ein Chalet über das ganze Jahr hinweg? Und wie beeinflusst dies die Nachfrage in den verschiedenen Jahreszeiten?
Die Nutzung eines Chalets beschränkt sich keinesfalls nur auf die kalten Monate. Während die schneereiche Winterzeit zu gemütlichen Stunden vor dem Kamin einlädt und dann natürlich Wintersportler voll auf ihre Kosten kommen, punkten auch die anderen Jahreszeiten mit ihrem ganz individuellen Charme. So lassen sich beispielsweise im Herbst hervorragend ausgedehnte Wanderungen durch die bunt gefärbten Wälder unternehmen. Im Frühling und Sommer stehen sportliche Aktivitäten wie Mountainbiking, Klettern, Wandern oder Spazierengehen hoch im Kurs. Egal also, ob zur sportlichen Betätigung oder zur reinen Erholung – ein Chalet ist eine Investition, die sich das ganze Jahr über nutzen lässt, nicht nur saisonal.
Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung des Chalet-Marktes, insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Bauprojekte und die Preisentwicklung?
Das Thema Nachhaltigkeit spielt beim Chalet-Neubau eine tragende Rolle. Moderne Chalets vereinen den Baustoff Holz, natürliche Dämmstoffe sowie erneuerbare Energien wie etwa durch Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen oder Solarthermie. Des Weiteren beinhalten viele neu gebaute Chalets Smart-Home-Systeme, mit denen sich der Energieverbrauch nachhaltig steuern lässt. Wir sehen also ein enormes Entwicklungspotenzial – insbesondere in den Regionen, die touristisch stark nachgefragt sind und sich durch eine starke Wirtschaft, gute Erreichbarkeit bzw. Infrastruktur sowie hohe Lebensqualität auszeichnen. All das wird auch die Preise beeinflussen – sie werden in den kommenden Jahren vermutlich weiter steigen.
Dieses Interview lesen Sie auch in AssCompact 02/2025 und in unserem ePaper.
Porträtfoto: © VON POLL IMMOBILIEN
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