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30. August 2023
Trotz Krankschreibung ist längere Bahnfahrt erlaubt
Trotz Krankschreibung ist längere Bahnfahrt erlaubt

Trotz Krankschreibung ist längere Bahnfahrt erlaubt

Ein erkrankter Mann verbringt zehn Stunden im Zug, um zu seiner Familie nach Hause zu fahren. Sein Arbeitgeber wertet dieses Vorgehen so, als ob die Krankschreibung falsch sei und behält daher das Gehalt ein. Doch die Richter sahen das anders.

Ein erkrankter Chefarzt darf zehn Stunden mit der Bahn zu seiner Familie fahren, ohne dass die Krankschreibung zwangsläufig falsch sein muss. Das haben die Richter am Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) entschieden.

Bahnfahrt erfordert weder Konzentration noch Anstrengungen

Der ehemalige Arbeitgeber des Chefarztes – eine Reha-Klinik in Stralsund – hatte seine Krankschreibung bis zum Antritt des Resturlaubs vor einem Jobwechsel unter anderem wegen seiner Heimreise angezweifelt und daher den Lohn für den streitigen Zeitraum einbehalten. Doch das wollte sich der Chefarzt nicht gefallen lassen und zog vor das Arbeitsgericht.

Und das LAG teilte die Bedenken des Arbeitgebers ebenfalls nicht und gab dem klagenden Chefarzt recht: Auch bei einer zehnstündige Bahnfahrt in der ersten Klasse sei die Belastung für den Facharzt für Orthopädie nicht annähernd so hoch gewesen wie während eines Arbeitstages in der Klinik. Die Fahrt erfordere weder Konzentration noch körperliche Anstrengungen, er könne eine bequeme Sitzhaltung einnehmen, aber sich bei Bedarf auch bewegen. In der Klinik hingegen sei er den gesamten Arbeitstag sowohl geistig als auch körperlich gefordert.

Passgenaue AU muss nicht fragwürdig sein

Auch einen weiteren streitigen Punkt haben die Richter am LAG durch dieses Urteil kassiert. Der Arbeitgeber hatte nämlich auch damit argumentiert, dass der Mediziner seit seiner Kündigung im August 2021 bis zu seinem Austritt Ende Februar 2022 47 Kalendertage krank gewesen war. Zudem sei die Krankschreibung exakt auf den Beginn seines Resturlaubs vor Austritt abgestimmt gewesen.

Doch auch diese Gründe ließen die Richter nicht gelten. Die AU sei das gesetzlich vorgesehene Beweismittel für die Arbeitsunfähigkeit. Zwar könne deren Beweiswert vom Arbeitgeber erschüttert werden, wenn er gegenteilige Umstände darlege und gegebenenfalls beweise. Krankheiten könnten aber vor und nach dem Zeitpunkt der Kündigung auftreten. Aus einer weniger hohen Motivation in der Ablösungsphase könne man nicht ohne weitere Umstände schließen, dass die AU-Bescheinigung makelbehaftet sei, so das Gericht.

Die Richter am LAG sprachen dem Chefarzt daher einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu. (as)

LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.07.2023 – 5 Sa 1/23

Bild: © Markus Mainka – stock.adobe.com