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24. November 2020
Unfallversicherung: Was bei der Absicherung zählt

Unfallversicherung: Was bei der Absicherung zählt

Nach einem Unfall ist nichts mehr wie vorher – zumindest dann, wenn Betroffene dauerhafte Schädigungen davontragen. Eine private Unfallversicherung bietet finanzielle Absicherung. Aus dem vielfältigen Angebot gilt es für Makler, den Schutz zu finden, der die Leistungen umfasst, auf die es ankommt.

Ein Gastbeitrag von Enno Peters, Jurist, freiberuflicher Dozent und Trainer (u. a. für die Deutsche Makler Akademie)

Ein Unfall ist wie ein Paukenschlag – es ist ein Plötzlich von Außen Unfreiwillig auf den Körper wirkendes Ereignis, das eine dauerhafte Gesundheitsschädigung zur Folge hat. Alternativ gilt als Unfallereignis auch eine erhöhte Kraft­anstrengung, durch die ein Gelenk an Gliedmaßen oder der Wirbelsäule verrenkt, Muskeln, Sehnen, Bänder oder Kapseln an Gliedmaßen oder Wirbelsäule gezerrt oder zerrissen werden. Dabei ist eine erhöhte Kraftanstrengung eine Bewegung, deren Muskeleinsatz über die normalen Handlungen des täglichen Lebens hinausgeht. Maßgeblich für die Beurteilung des Muskeleinsatzes sind die individuellen körperlichen Verhältnisse der versicherten Person. Diese Unfallbegriffe der Ziffern 1.3 und 1.4 der allgemeinen Unfallbedingungen privater Unfallversicherungen sollten bekannt sein und jedem Kunden erläutert werden können.

Eigenbewegung immer wieder Stein des Anstoßes

Allerdings ist die Frage, was denn nun eine nicht als Unfall zu bezeichnende „Eigenbewegung“, immer wieder Gegenstand rechtlicher Diskussion und gerichtlicher Entscheidungen. Grundsätzlich sollen durch die Kapital- und/oder Rentenzahlung einer privaten Unfallversicherung die Nachteile eines Unfalls wirtschaftlich ausgeglichen werden. Dabei sind die individuellen Anforderungen hinsichtlich des Ausgleichs möglicher Einschränkungen der körperlichen und/oder geistigen Leistungsfähig­keit des Unfallopfers maßgeblich für die vereinbarten Leistungen. Verkürzt lässt sich das als „Geld gegen Knochen“ klassifizieren.

Die Gliedertaxe

Diese Verkürzung trifft aber nur für die als „Gliedertaxe“ bezeichneten prozentualen „Werte“ der Versicherungssumme für einzelne Körper­teile zu. In diesem Bereich haben die Versicherungsunternehmen verschiedenste Gliedertaxen-Modelle ersonnen, die zielgruppenspezifisch zum Beispiel die Hände immer mit dem Maximalwert von 100% bewerten. Dies führt dazu, dass jede dauerhafte Schädigung der Funktionsfähigkeit der Hände und damit auch einzelner Finger immer zur Auszahlung der vollen Versicherungsleistung führt. Dabei spielt die Gefahrengeneigtheit der beruflichen Tätigkeit eine sehr maßgebliche Rolle für die Prämienhöhe.

Das „Äquivalenzprinzip“

Das als „Äquivalenzprinzip“ bezeichnete System der Abhängigkeit der Prämienhöhe vom gezeichneten Risiko der Versicherung schlägt sich daher in der Eingruppierung nach der beruflichen Tätigkeit nieder. So sind alle überwiegend körperlichen Tätigkeiten in der Berufsgruppe B, kaufmännische, verwaltende und leitende Tätigkeiten in der Berufsgruppe A zu finden. Nach Einführung der Unisex-Tarifierung in allen Versicherungsbereichen gilt diese Einteilung nun für alle Geschlechter. Vor dem 21.12.2012 gehörten Frauen immer in die Berufsgruppe A, unabhängig davon, ob sie einer körperlichen oder einer kaufmännischen, verwaltenden oder leitenden Tätigkeit nachgingen.

Leistungen variieren stark

Die Leistungen, die sich im Rahmen einer privaten Unfallversicherung vereinbaren lassen, variieren stark. Üblich ist neben einer einmaligen Kapital­zahlung bei Invalidität die Möglichkeit zur Vereinbarung von Übergangs­leistungen, Krankengeld, Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld, einer Unfallrente anstelle oder neben einer Kapitalzahlung und einer Todesfallleistung. Welche der möglichen Leistungen vereinbart wird, hängt von den Wünschen und Erwartungen der Kunden an die Unfallversicherung ab.

Todesfallleistung nicht vergessen

Eine sehr wichtige Leistung ist dabei die Todesfallleistung. Nun könnte mit dem Argument „tot ist tot“ auf die Vereinbarung dieser Leistung im Rahmen der Unfallversicherung verzichtet werden, ist der Todesfall doch zum Beispiel schon mit einer Risikolebensversicherung in ausreichender Höhe versichert. Wer so argumentiert, der übersieht eine wichtige Regelung der privaten Unfallversicherung: Eine Leistung für eine Invalidität wird nur dann fällig, wenn die versicherte Person nicht an den Unfallfolgeninnerhalb eines Jahres nach dem Unfall verstirbt. Dies liegt unter anderem daran, dass die Invalidität dauerhaft sein muss, das bedeutet mindestens drei Jahre andauern muss, und eine Verbesserung des Zustandes nicht zu erwarten ist. Daher ist die Versicherung vor Abschluss der Heilbehandlung nicht zu einer Leistung verpflichtet.

Vorschüsse nur in Höhe der vereinbarten Todesfallleistung

Es kämen, da die Leistungspflicht nur dem Grunde nach, aber noch nicht abschließend der Höhe nach feststeht, nur Vorschusszahlungen in Betracht. Das kann und wird im Einzelfall eine dringend benötigte Zahlung sein. Da aber innerhalb eines Jahres nach dem Unfall auch noch ein unfall­bedingter Tod nicht ausgeschlossen werden kann, findet sich in den allgemeinen Unfallbedingungen die Regelung, dass Vorschüsse nur in Höhe einer vereinbarten Todesfallleistung gefordert werden können. Wurde auf die Vereinbarung einer solchen Todesfall­leistung im Rahmen der privaten Unfallversicherung zum Beispiel nach dem oben genannten Motto „tot ist tot“ verzichtet, dann sind in der Regel keine Vorschussleistungen möglich. Daher sollte immer eine ausreichend bemessene Todesfallleistung neben einer Invaliditäts- und/oder Rentenleistung vereinbart werden.

Mehr Leistung durch Progression

Die Leistungssteigerungsmöglichkeiten über Progressionen sind für jede versicherte Person interessant, nicht nur für diejenigen, die die Voraussetzungen für eine verbesserte Gliedertaxe erfüllen. Dabei wird meist in einem exponentiellen Verfahren vorgegangen. Die ersten 25% der sich aus der Glieder­taxe ergebenden Versicherungsleistung gelten einfach, die nächsten 25% werden mindestens verdoppelt und die verbleibenden 50% mindestens verdreifacht, sodass zum Beispiel bei einer vereinbarten progressiven Steigerung auf das 2,25-Fache (U 225) bei vollständiger Inv­alidität anstelle einer Versicherungssumme von 100.000 Euro dann 225.000 Euro fällig würden. O

Die Dreiteilung stellt sicher, dass geringere Invalidität nicht stark gesteigert wird, während dem mit zunehmender Invalidität erheblich ansteigenden Kapitalbedarf die progressive Steigerung der Leistung Rechnung trägt. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die Grundsumme bedarfsgerecht abgesichert wird. Als Faustformel hat sich hier das Dreifache des Jahresbrutto­einkommens bewährt, wobei das Dreifache des Durchschnittseinkommens möglichst nicht unterschritten werden sollte. Das entspricht einer Versicherungssumme von 100.000 Euro.

Absicherung bei Arbeits- und Wegeunfällen

Jeder im Tätigkeitszusammenhang oder im Rahmen gemeinwohlorientierten Tuns entstandene Unfall steht zudem auch immer unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nach dem siebten Buch des Sozialgesetzbuches. Dabei wird zwischen „Arbeits-“ und „Wegeunfällen“ unterschieden. Darüber hinaus fallen auch anerkannte Berufskrankheiten unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der Idee des Sozialversicherungssystems nach handelt es sich bei den Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung um Lohnersatzleistungen. Maßstab ist daher grundsätzlich der Bruttojahresarbeitsverdienst der verunfallten Person bzw., falls ein solches nicht vorliegt (z. B. bei Schülern), ein Teil oder ein Vielfaches der Bezugsgröße, dem Durchschnittsverdienst nach § 18 SGB IV. Alle Leistungen werden als Rentenleistungen – als Ersatz eines Lohn(anteil)es – erbracht. Die Beiträge sind vom Arbeitgeber allein zu tragen und richten sich in ihrer Höhe nach der Gefährlichkeit der Tätigkeit(en).

Die gesetzliche Unfallversicherung kommt daher nicht für Unfälle im „Privaten“ auf. Zum „Privaten“ gehört aber zum Beispiel auch der Besuch der Kantine oder der Gang zur Toilette auf dem Betriebsgelände. Die Rechtsprechung zur Frage, welche Handlungen noch und welche (gerade) nicht mehr unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen, füllt Bibliotheken.

Im privaten wie im beruflichen Umfeld schützt eine private Unfallversicherung, im beruflichen Umfeld zusätzlich die gesetzliche Unfallversicherung. Daher besteht meist bei Wege- und Arbeitsunfällen neben dem Anspruch aus dem SGB VII auch ein Anspruch auf Leistungen einer privaten Unfallversicherung. Die beiden Leistungen dürfen und werden nicht miteinander verrechnet oder aufeinander angerechnet.

Unfallschutz im Home-Office

In Zeiten der zunehmend notwen­digen Heimarbeit verschwimmt die Trennung von „Privatem“ und„Beruflichem“. Der nicht von der Berufs­genossenschaft – als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung – abgenommene heimische Arbeitsplatz steht in aller Regel nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Hier kann zurzeit nur durch Abschluss von privaten Gruppenunfallversicherungen für Mitarbeitende im „Home-Office“ Abhilfe geschaffen werden. Dies haben auch viele Unternehmen bereits so umgesetzt, auch um ihrer Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis nachkommen zu können. Unabhängig davon ist auch der Gesetz­geber gefordert, die Bestimmungen der gesetzlichen Unfallversicherung an die Erfordernisse der Tätig­­keit im „Home-Office“ anzupassen.

Unfallrenten

Zunehmend werden private Unfallversicherungen meist als Unfallrenten ausgestaltet, auch als Möglichkeit der kostengünstig(er)en Absicherung des „Nicht-mehr-arbeiten-Könnens“ vermarktet. Dabei kommen dann auch Kombinationsprodukte mit Pflegerentenversicherungen in Betracht. Eine „echte“ Alternative zu einer Berufs­unfähigkeitsversicherung stellen sie indes nicht dar.

Bild oben: © thodonal – stock.adobe.com

Den Beitrag lesen Sie auch in AssCompact 11/2020 und in unserem ePaper.

 
Ein Artikel von
Enno Peters