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25. Mai 2021
Unternehmensfinanzierung in Corona-Zeiten

Unternehmensfinanzierung in Corona-Zeiten

Die Bonität von Unternehmen im Blick zu haben ist derzeit zwar nicht immer einfach, aber Aufgabe von Kredit- und Kautionsmaklern. Für Unternehmen kann sich derweil ein Blick auf Bürgschaften oder Kautionsversicherungen lohnen, meint Alfons-Maria Gracher, Eigentümer und Geschäftsführer von Gracher Kredit- und Kautionsmakler.

Die Pandemie beschäftigt den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig. Um Ausfälle in den Lieferketten zu vermeiden, das Risiko von Zahlungsausfällen zu minimieren und der deutschen Wirtschaft ein stabiles Umfeld zu bieten, wurde der Schutzschirm für Unternehmen bis Juni 2021 verlängert. Dennoch hinterlässt die Konjunkturflaute ihre Spuren und schlägt auch immer deutlichere Kerben am Kreditmarkt.

Banken und Versicherungen justieren Stück für Stück nach

Im vierten Quartal 2020 hat sich die Vergabe neuer Darlehen an Unternehmen und Selbstständige im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 4,3% verringert. Das zeigt der aktuelle Kreditmarktausblick der staatlichen Förderbank KfW. Hinzu kommt die Unsicherheit mit Blick auf das Auslaufen des Schutzschirms mit Ende Juni. Während die Unternehmen möglichst umfangreichen Versicherungsschutz anstreben, richtet sich das Interesse der Banken und zunehmend auch der Versicherer vor allem darauf, das Ausfallrisiko möglichst gering zu halten. Banken und Versicherungen justieren daher Stück für Stück nach: Preise und Selbstbehalte werden angehoben oder Limits reduziert und aufgehoben.

Bonität und Geschäftsverlauf auf dem Prüfstand

Faktoren wie diese erhöhen das Risiko, dass Unternehmen und Geschäftspartner mangels Liquidität ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen oder Verträge nicht mehr erfüllen können. Einerseits wird das gestiegene Risiko mit einem Preisaufschlag in der Kau­tions- und Warenkreditversicherung von durchschnittlich 20%, bei Sondergeschäften von bis zu 50%, gegenüber dem Vorkrisenniveau abgefedert. Andererseits spiegelt sich diese Entwicklung auch in den Preisen von Credit Default Swaps (CDS) oder beispielsweise in der Rendite BBB-gerateter US-­Anleihen wider. Daher stehen die Bonität und der Geschäftsverlauf von Unternehmen über die letzten Wochen und Monate umso genauer auf dem Prüfstand. Die Chancen auf ein Darlehen oder einen Kredit bei einem durchschnittlichen Rating von B+ und geringer schwinden. Was können Unternehmen in der aktuellen Situation also tun?

Bürgschaften als Alternative

Typischerweise werden Bürgschaften von Banken als „Aval“ gegeben. Das Volumen der Bankbürgschaften wird jedoch auf die Kreditlinie angerechnet und schränkt deshalb den Finanzierungsspielraum ein. An dieser Stelle kommen Kautionsversicherer und -makler ins Spiel, die in diesem Umfeld ihre Expertise und Stärken ausspielen können. Sie beurteilen und überwachen die Kreditwürdigkeit von Unternehmen, Branchen und Segmenten – sowohl vor dem Vertragsabschluss als auch während der Vertragslaufzeit.

Liquidität bleibt unbelastet

Dabei decken Kautionsversicherungen jegliche Bürgschaftsverpflichtung ab, ohne die Liquidität zu belasten. Das macht es auch für Unternehmen in Branchen interessant, aus denen sich Banken zunehmend zurückziehen – etwa der Ölindustrie oder im Bereich Automotive. Denn durch die steigenden Eigenkapitalanforderungen sind gerade Unternehmen in oder nach einer Restrukturierung unattraktiv für Banken. Versicherungen hingegen müssen keine Sicherheit hinterlegen. Sie sind darum bereit, ein höheres Risiko zu tragen. Dabei betrachten sie nicht nur ihre Ausfallwahrscheinlichkeit, sondern auch die der einzelnen Bürgschaftsarten. So ergeben sich deutliche Unterschiede bei der Bewertung der Sicherheiten, die zu hinterlegen sind.

Sicherheiten immer im Blick

Um etwaige Unschärfen ausräumen zu können, sind Unternehmen und Selbstständige aktuell gut beraten, auf eine offensive Kommunikation mit Banken oder Kreditversicher­ern zu setzen und sich aus eigenem Antrieb heraus regelmäßig – wenig­stens quartalsweise – auszutauschen. Bei etwaigen Veränderungen sollte unmittelbar darüber informiert werden, wie man mit den Herausforderungen umgehen will. Falls beispielsweise Inkassoaufträge gegen das eigene Unternehmen laufen und diese lediglich aus Mängel­rügen resultieren, sollte dieses Detail sofort gegenüber Kreditauskunfteien und Kreditversicherungen aktiv kommuniziert werden. Das verhindert, dass diese irrtümlich von einer Zahlungsunfähigkeit als Ursache ausgehen.

Optimierung der vorhandenen Kreditlinien ins Visier nehmen

Neben der offenen Kommunikation über die eigene Situation mit dem Kreditgeber kann vor allem auch eine Optimierung der vorhandenen Kreditlinien die Liquidität verbessern. Diese stellen eine individuelle Kreditobergrenze dar, die den Unternehmen von den Banken eingeräumt wird. Alternative Finanzierungsmodelle wie Kaution, Factoring und Debt-Fonds sind daher umso gefragter und können die klaffende Lücke schließen. Diese flexiblen Finanzinstrumente können zusätzlich eingesetzt werden und führen zu keiner Reduktion der Kreditlinien bei den Banken. Von der Funktionsweise her erfüllen sie dennoch denselben Zweck, sorgen jedoch für mehr Handlungsspielraum. Bis Ende 2021 und sicher auch noch 2022 wartet daher auf Finanzexperten vermehrt Arbeit, da sich die Banken weiter aus dem Avalgeschäft und Krediten für Unternehmen und Selbstständige zurückziehen werden.

Mit Optimismus in die Zukunft

Ist die mehrfach prognostizierte Pleitewelle bislang also nur aufgeschoben und wird sie die deutsche Wirtschaft Mitte 2021 in voller Härte treffen? Als größter Kautionsmakler in Deutschland, der 50% des Maklermarktes und rund ein Drittel des Gesamtmarktes abdeckt, sieht Gracher deutlich positive Signale beim Zeichnungsverhalten der Warenkredit- und Kautionsversicherer. Ein harter Cut mit Auslaufen des Schutzschirms zeichnet sich aus derzeitiger Sicht nicht ab.

Nach dem Schutzschirm ist vor dem Schutzschirm

Diese Einschätzung wird untermauert mit Zahlen des ifo Instituts, das ein historisches Tief bei den Forderungsausfällen und Anmeldungen vorhersagt. Auf der anderen Seite und aufgrund der sich aufhellenden Aussichten sollten die Warenkredit- und Kautionsversicherer ihre bisherige Risikopolitik überdenken und die deutsche Industrie nach dem 30.06.2021 eigenständig mit genügend Liquidität ausstatten. Denn nach dem Schutzschirm ist vor dem Schutzschirm – vor allem kommt es darauf an, eine optimistische Perspektive einzunehmen.

Diesen Artikel lesen Sie auch in AssCompact 05/2021, Seite 84 f., und in unserem ePaper.

© Christian Schwier – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Alfons-Maria Gracher