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Steuern & Recht
18. August 2021
Verfassungsklage: Steuerzins von 6% verstößt gegen Grundgesetz

Verfassungsklage: Steuerzins von 6% verstößt gegen Grundgesetz

Steuerzinsen von 6% sind verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Grund für die Entscheidung ist eine Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die durch das Niedrigzinsumfeld ausgelöst wurde. Der Gesetzgeber muss die Höhe der Zinsen nun rückwirkend ändern.

Für Steuernachforderungen verlangt der Staat nach einer zinsfreien Karenzzeit von 15 Monaten einen Zinssatz von 0,5% pro Monat, woraus sich ein jährlicher Zinssatz von 6% ergibt. Das gleiche gilt für Steuererstattungen. Für Verzinsungszeiträume, die in das Jahr 2014 oder später fallen, ist dieses Vorgehen jedoch verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht am 18.08.2021 entschieden.

Steuerzinsen von 6% ab 2019 nicht anwendbar

Für Verzinsungszeiträume, die in die Jahre 2014 bis 2018 fallen, kann diese verfassungswidrige Praxis jedoch weiterhin angewendet werden. Ab dem Jahr 2019 sieht das anders aus. Für in das Jahr 2019 fallende Verzinsungszeiträume sind die geltenden Vorschriften unanwendbar.

Keine konkrete Zinsvorgabe

Das Bundesverfassungsgericht trifft zwar keine Aussage darüber, wie weit der Zinssatz konkret abgesenkt werden muss, um die Verfassungsmäßigkeit herzustellen. Die Verfassungsrichter weisen in ihrem Urteil aber darauf hin, dass eine Vollverzinsung mit einem niedrigeren Zinssatz ein geeignetes Mittel wäre, um den Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes zu fördern und keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen mehr zu verursachen.

Verfassungswidrige Ungleichbehandlung

Das Verfassungsgericht war angerufen worden, da sich nach Ansicht der Kläger durch die hohe Verzinsung eine massive und ungerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Steuerpflichtigen ergebe, je nachdem, ob sie sich innerhalb oder außerhalb der Karenzzeit befänden. Steuerpflichtige, die ihre Erstattungen nicht innerhalb der Karenzzeit erhielten, profitierten von einem risikolosen Zins von 6% pro Jahr. Diejenigen wiederum, die beim Finanzamt nach 15 Monaten noch immer in der Kreide standen, mussten pro Monat 0,5% mehr berappen.

Niedrigzinsumfeld seit Finanzkrise

Der hohe Zinssatz hatte früher nicht zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung geführt, da den Steuerzinsen auch höhere Zinsen in der Kreditwirtschaft gegenüberstanden – die 6% Steuerzins wurden 1961 festgelegt. Dementsprechend konnten Steuerschuldner für die offenen Forderungen des Staates zwischenzeitlich Guthabenzinsen bei ihrer Hausbank einstreichen. Seit der anhaltenden Niedrigzinsphase geht diese Rechnung nicht mehr auf, weshalb es seit der Finanzkrise 2008 zu zahlreichen Klagen gegen die Höhe des Zinssatzes kam. (tku)

BVerfG, Beschluss vom 08.07.2021 –1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17

Bild: © U. J. Alexander – stock.adobe.com