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25. Oktober 2019
Vermittler, Versicherer, der Provisionsdeckel und der Rest …

Vermittler, Versicherer, der Provisionsdeckel und der Rest …

Kommt der Provisionsdeckel in der Lebensversicherung wirklich? Und wenn er kommt, welche Folgen hat er für alle Beteiligten, welche Auswirkungen auf Beratung und Produkte? Eine hochkarätig besetzte Diskussionsrunde erörterte diese und weitere Fragen in der Speaker’s Corner der DKM 2019.

Erwartungsgemäß halten rund 75% des Speaker’s-Corner-Publikums laut Blitzumfrage zu Beginn der Diskussion „Auswirkungen der Provisionshöhe auf Kunden, Vermittler und Versicherer“ den Provisionsdeckel für eher nicht oder auf gar keinen Fall notwendig. Eine Glaskugel besitzt – ebenfalls erwartungsgemäß – zwar niemand aus der hochkarätig besetzten Runde unter Moderation von Prof. Matthias Beenken von der Fachhochschule Dortmund. Aber Ralf Berndt, Vorstand Marketing und Vertrieb der Stuttgarter Versicherungsgruppe, tippt auf eine 50/50-Wahrscheinlichkeit in Sachen Einführung des Provisionsdeckels in der Lebensversicherung. Optimistischer gibt sich BVK-Präsident Michael H. Heinz, der von einer Lösung spricht, die den Vermittlern gerecht werde, diese aber dann unter dem Mantel der Verschwiegenheit behält und nicht weiter ausführt.

Und was wäre, wenn der Provisionsdeckel wirklich käme? Makler Carlos Reiss, Inhaber der Hoesch & Partner GmbH und CEO der asuro GmbH, hat für sich nachgerechnet und spricht von ca. 15% Umsatzeinbußen, was dann ein Nullgeschäft bedeuten würde. Aufgrund von mangelnder Profitabilität sieht Reiss im Fall der Fälle dann die Unabhängigkeit des Maklers gefährdet. Angesichts der vielen Herausforderungen, die Makler heutzutage meistern müssten (Stichwort Digitalisierung), könnten sie jeden verdienten Cent gebrauchen und ein Deckel sei unangebracht.

Vergütungsfehlentwicklungen: Branche muss sich an der eigenen Nase packen

Reiss deutet aber auch an, dass sich die Branche Einiges an der Vergütungsdiskussion durch frühere Fehlentwicklungen selbst zuzuschreiben habe. Ein Ball, der von Michael H. Heinz aufgenommen wird: Es habe sich eine „Unkultur der Vergütung“ aufseiten der Versicherer entwickelt und bestimmte Unternehmen würden sicherlich auch bei einem existierenden Provisionsdeckel Wege und Möglichkeiten finden, diesen zu umgehen. An dieser Stelle die Schuldfrage zu klären, sei wenig zielführend, kontert Ralf Berndt und erinnert daran, dass „zu einer Sünde immer zwei beteiligte Seiten gehören.“ Außerdem sei es ja beim LVRG ursprünglich darum gegangen, Druck auf die Branche auszuüben, die Abschlusskosten zu senken, das Ziel sei eine Umverteilung zur besseren Honorierung der Bestandsbetreuung gewesen, keine Kürzung für Vermittler. Bei den Überlegungen dazu, wie dies konkret aussehen könnte, sei man als Versicherungsunternehmen „mutig losgezogen“, habe ein neues Vergütungssystem eingeführt, müsse aber feststellen, dass die Laufzeitvergütung im Markt eher zurückhaltend angenommen werde.

Fokus auf Verbesserung der Beratung

Dr. Reiner Will, Geschäftsführer der ASSEKURATA Assekuranz Rating-Agentur GmbH, bekräftigte, dass in Sachen Einführung eines Provisionsdeckels „der falsche Baum angebellt“ werde und der Fokus eher auf eine verstärkte und verbesserte Beratung gerichtet werden müsse, damit Kunden andere Produkte wählten. Die politischen Beteiligten müssten hier mitgenommen und aufgeklärt werden. Michael H. Heinz nutzte das Stichwort Politik später für eine erneute Spitze in Richtung der Versicherer: Als Vermittlerverbände schwöre man sich derzeit auf ein gemeinsames Ziel ein und versuche, dies zusammen mit der Politik zu erreichen. Diese Gemeinsamkeit gelinge den Versicherern nicht, denn auch wenn der GDV sich gegen einen Provisionsdeckel ausspreche und der Deckel auch ordnungs- und fiskalpolitisch keinen Sinn ergebe, hätten hinter den Kulissen einige Versicherer einen „Ja, aber wir wollen trotzdem“-Einwand.

Wirklichkeitsfremde Qualitätskriterien

Als Moderator Prof. Matthias Beenken die Überlegungen rund um 25 Promille + x oder 15 Promille mit Qualitätskriterien (Stornoquoten, Beschwerdequoten, gesetzliche Vorgaben, Beratungsqualität) in die Runde wirft, spricht Carlos Reiss von einer „bitteren Pille“ der Maklerkontrolle und sieht sich schon in der ständigen Kommunikation und Rechtfertigung mit sämtlichen Rechtsabteilungen der Versicherer. Dr. Reiner Will hinterfragt die Festlegung der Qualitätskriterien nur für die 15 Promille-Lösung und äußert im Fall eines Inkrafttretens augenzwinkernd eine neue Geschäftsidee: Testkäufer zur Sicherung der Beratungsqualität bei Maklern. Dieser würde dann nach Dienstleistungsvergütung bezahlt, was der Versicherer finanzieren müsse – was also letztendlich den Kunden treffe.

Auch Michael H. Heinz hält die Qualitätskriterien für „wirklichkeitsfremd“ und fragt, warum der Vermittler durch seine langen Stornohaftungszeiten dafür büßen solle, wenn immer mehr Lebensversicherungen gekündigt werden, weil eben auch immer mehr Ehen geschieden werden. Gegen den Versuch, einen ganzen Berufsstand systematisch zu diskreditieren, müsse man sich gemeinsam zur Wehr setzen. In Anlehnung an ein Plakat während der aktuellen Bauernproteste („Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie wissen alles besser“) formulierte Heinz an die Politik gerichtet: „Sie haben noch nie eine Versicherungsagentur von innen gesehen, sie haben noch nie ein Versicherungsprodukt verkauft, sie wissen alles besser.“ (ad)