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22. Mai 2015
Versicherer basteln an einem Unfallmeldestecker

Versicherer basteln an einem Unfallmeldestecker

Ausweitung der Kampfzone oder Verteidigung des eigenen Reviers? Mit einem eigens entwickelten Unfallmeldestecker für Autos wollen die Versicherer ihren Kunden eine Alternative zum Auto-Hilferuf eCall bieten – und damit ihr lukratives Schadenmanagement vor der Autobranche verteidigen.

Vergangenes Jahr sind 25.700 Menschen auf Europas Straßen gestorben. Das bedeutet einen Rückgang von nur 1% im Vergleich zum Vorjahr. In Deutschland gab es sogar wieder mehr Verkehrstote. Nach einem Rückgang von 8% im Jahr 2013, stieg die Zahl 2014 um 1% an. Eine Trendwende soll der elektronische Auto-Hilferuf eCall einleiten. Mit dem automatischen Notrufsystem müssen ab dem 31.03.2018 alle Neuwagen ausgestattet sein. Das hat das EU-Parlament Ende April beschlossen. Die Versicherungswirtschaft hat im Gesetzgebungsverfahren frühzeitig vor einem „drohenden Datenmonopol der Automobilhersteller“ gewarnt und sich für eine „offene Schnittstelle“ eingesetzt, die den freien Austausch von Kfz-Daten sicherstellt.

Der wichtige Erstkontakt mit den Kunden

Hintergrund ist die Sorge der Assekuranz, die Automobilindustrie könne den Auto-Hilferuf eCall als Wettbewerbsvorteil nutzen. Zum Beispiel, indem die Autohersteller nach einem Unfall das Abschleppen und die Reparatur durch ihre eigenen Firmen durchführen lassen. Verlieren die Versicherer diesen wichtigen Erstkontakt mit den Kunden, ist dies für die Assekuranz mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden. Beispiele: Der Abschlepp-Partner der Versicherung geht leer aus, die Partner-Werkstatt der Versicherung kann nicht an der Reparatur verdienen, die Mietwagenfirma, die mit dem Versicherer kooperiert, kann ihre Fahrzeuge nicht vermitteln, der Partner-Gutachter kann den Schaden nicht kalkulieren. Kurzum: Das mit viel Mühe über Jahre aufgebaute Schadenmanagement-Netzwerk der Versicherungen verliert an Schlagkraft.

Ruf nach offener Schnittstelle

„Damit der Fahrer jederzeit frei entscheiden kann, ob und wem er seine Daten zur Verfügung stellt, ist eine sogenannte offene und standardisierte Schnittstelle nötig“, fordert Jörg von Fürstenwerth, Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung im Versichererverband GDV. Nur so behalte der Verbraucher die Kontrolle über seine Daten und könne das beste Angebot auswählen – von Automobilhersteller, Versicherer, Werkstatt oder Automobilclub. Um keine Marktanteile an die Autohersteller im umkämpften Schadenmanagement zu verlieren, basteln die Versicherer deshalb an einem eigenen „Unfallmeldedienst“. Zwar bestätigt der Versichererverband GDV entsprechende Arbeiten. Zu Details will sich der Verband zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht äußern.

Details zum Stecker und App

Doch wie der Unfallmeldedienst der Versicherer konkret wohl aussehen wird, verrät ein Beitrag auf der Seite einer Tochtergesellschaft der Örag Rechtsschutzversicherungs-AG. Demnach soll der Unfallmeldedienst „voraussichtlich schon vor 2018 auch Besitzern von Gebrauchtfahrzeugen die Chance“ einer elektronischen Notruffunktion geben. Eine Zwölf-Volt-Steckdose im Auto und ein Smartphone sollen für den Unfallmeldedienst ausreichen. In die Zwölf-Volt-Steckdose soll der Unfallmeldestecker kommen, den der Kunde von seiner Versicherung erhalten soll. Das Smartphone ist für die Unfallmelde-App nötig. „Letztere übermittelt die Positionsdaten und ermöglicht die Kommunikation mit dem Fahrer“, heißt es auf der Seite der Deutschen Assistance Versicherung AG.

Vermarktung für Anfang 2016 geplant

Eine übergeordnete technische Infrastruktur der Versicherer sorge dafür, dass die Kommunikationsteilnehmer sicher – gemäß zertifizierten Standards des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik – authentifiziert würden und die entsprechenden Unfallmeldungen beim Service-Center ankommen. Der Unfallmeldestecker übermittele die Aufpralldaten per Bluetooth an die Unfallmelde-App. Diese wiederum löse eine Unfallmeldung an den Versicherer aus und baue eine Sprachverbindung auf. Reagiere der Fahrer nicht, würde sofort der Rettungsdienst verständigt. „Wir glauben, dass wir im 1. Quartal 2016 in die Vermarktung einsteigen“, sagt Norbert Rollinger, Vorsitzender des Hauptausschusses Schaden- und Unfallversicherung beim GDV.

Text: Umar Choudhry