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15. Mai 2022
Versicherungsvermittler müssen sich mit ihrem MVP beschäftigen
Colorful ring binders out of a laptop screen in an office. 3d illustration

Versicherungsvermittler müssen sich mit ihrem MVP beschäftigen

Ohne ein zukunftsfähiges Verwaltungssystem mit Automatisierungsfunktionen wird ein Maklerbüro nicht mehr bestehen können. Das bedeutet kurzfristig Arbeit, die sich langfristig auszahlt. Was ein MVP können muss und worauf es noch ankommt, soll in diesem Artikel näher beleuchtet werden.

Ein Artikel von Henning Plagemann, Geschäftsführer der deutsche-versicherungsboerse.de (dvb)

Viele Makler haben Betrieb und Pflege von Software aufgegeben und nutzen die von Pools und Verbünden bereitgestellten Systeme. Das bringt die Frage nach der Abhängigkeit mit sich: „Wem es gelingt, den Makler in sein Verwaltungssystem zu bringen, hat ihn quasi mit sich verheiratet“, sagt Michael Franke, als ehemaliger IT-Chef eines Maklerverbunds ein Kenner der Thematik. Oliver Pradetto von blaudirekt betont die Daten­hoheit als entscheidenden Faktor: „Es ist ein weitverbreiteter Irrtum, dass es so was wie ein ‚eigenes‘ Maklerverwaltungsprogramm (MVP) gäbe.“

Unabhängigkeit trotz Abhängigkeit vom MVP-System?

Allerdings muss die Frage nach der Abhängigkeit differenzierter betrachtet werden: Jeder Pool hat das legitime Ziel, den Makler zur Umsatzmaximierung an sich zu binden. Das MVP-System des Pools wird somit daraufhin optimiert, die dafür erforderlichen Geschäftsprozesse zu vereinfachen. Was aber, wenn der Pool übergeordnete Ziele verfolgt, die für den Makler nicht auf den ersten Blick erkennbar sind, zum Beispiel die Bevorzugung oder den Ausschluss einzelner Versicherer? Wir leben in Zeiten der Übernahmen großer Pools durch Finanzinvestoren, da kann die Unabhängigkeit zu einem entscheidenden Faktor für den Makler werden.

Eigenes System für eigene Daten?

Eine Besonderheit im Markt ist meinMVP, hinter dem sich einige Maklerversicherer vereint haben, um Maklern den Zugang zur digitalen Verwaltung zu ermöglichen. Wie steht es hier mit einer Abhängigkeit? Auch stellt sich die Frage nach dem Schutz der eigenen Kundendaten? Zweiteres kann in Zeiten von überbordenden Datenschutzgesetzen für beaufsichtigte Versicherer vernachlässigt werden. Bei Ersterem lohnt sich ein Blick nach Österreich. Auch dort hat eine Gruppe von Maklerversicherern ein System zur Intensivierung der digitalen Zusammenarbeit mit den Maklern finanziert. Die Basisfunktion ist für alle Nutzer kostenlos und es ist das am weitesten verbreite MVP-System im Markt. Die Makler haben keine Berührungsängste, sondern schätzen die durch die Eigentümer gewährleistete Stabilität des Anbieters.

Zukunftsfähigkeit der MVP-Systeme

Im aktuellen dvb-Makler-Audit wurden 42 Systeme genannt, die heute jeden Tag beim Makler im Einsatz sind. Nur wenige Makler nutzen gar kein MVP-System, sehr viele hingegen MVP-Systeme, die vermutlich keine langfristige Zukunft mehr haben. Einige der Hersteller dürften die Weiterentwicklung und Wartung der Systeme bereits auf das Notwendigste reduziert oder sogar eingestellt haben.

Zukunftsweisend sind Systeme, die den Austausch von Daten, Dokumenten und Geschäftsvorfällen mit Versicherern und Kunden über Standards wie BiPRO ermöglichen. Diese Standards ändern sich regelmäßig, was Entwicklungsaufwand bei den Herstellern verursacht. Der Wunsch der nahtlosen Verbindung zu Analyse- und Beratungsprogrammen ist vom Anwender schnell geäußert, verursacht aber hohe Entwicklungskosten. Das Arbeiten aus dem Home-Office oder mit mobilen Endgeräten verlangt nach browserbasierten Systemen. Kurz gesagt: Die dafür erforderliche Softwareentwicklung ist teuer und kann von Kleinunternehmen auf Dauer nicht mehr erbracht werden.

Automatisierung von Verwaltungstätigkeiten

Makler müssen heute für den gleichen Umsatz mehr Leistung erbringen. Ohne eine computer-­unterstützte Automatisierung der Arbeitsprozesse ist das nicht mehr möglich. Die regulativen Vorgaben und damit verbundenen Arbeitsaufwände sind einfach zu viel geworden. Durch die Weiterentwicklung der MVP-Systeme wird diese Automatisierung gefördert.

Versicherer liefern Geschäftsvorfälle und Dokumente per BiPRO-Schnittstelle aus: die Grundlage der Digitalisierung. Aber nur weil Dokumente jetzt digital sind, ist dem Makler noch nicht geholfen. Das MVP-System muss in der Lage sein, wiederkehrende manuelle Tätigkeiten automatisiert abzuarbeiten. Durch diesen unternehmerischen Aspekt der Digitalisierung gewinnt der Makler freie Zeit, die er für die wertschöpfende Tätigkeit am Kunden nutzen kann.

Auswahl des passenden Systems

Wie kann das passende MVP-System gefunden werden, das zum eigenen Unternehmen und dessen Arbeitsprozessen passt? Zunächst sollten unbedingt die notwendigen Bedarfe im Maklerbüro definiert werden. Wenn beispielsweise ein Beitragsinkasso durchgeführt wird, benötigt man natürlich ein MVP, das diese Tätigkeit unterstützt. Diese notwendigen Funktionen können bei den wesentlichen MVP-Herstellern abgefragt werden. Hierfür bietet beispielsweise die dvb ein kostenloses Auswertungstool für Makler an. Anschließend erfolgt die subjektive Sichtung des favorisierten Systems, eine Testversion mit Testdaten verschafft einen ersten Eindruck. Aber auch der Anbieter und sein Geschäftsmodell müssen hinterfragt werden. Abschließend sollten Makler dringend den Kontakt und Austausch mit Kollegen suchen, die mit dem favorisierten MVP bereits arbeiten. Über die Verbände kann man entsprechende Kontakte finden.

Fazit

Es gibt keinen Grund, die Digitalisierung des eigenen Makler­büros aufzuschieben. Wie in jedes neue Thema sollte man sich gemeinsam mit erfahrenen Partnern Schritt für Schritt einarbeiten. Die Versicherer stellen Geschäftsvorfälle und Dokumente elektronisch bereit und liefern die Bestandsdaten und Änderungen häufig tagesaktuell ins System. Wenn der Datenhaushalt erst einmal eingerichtet ist, entfaltet die Automatisierung ihre Wirkung und erleichtert dem Makler die tägliche Verwaltungsarbeit. Es ist wie mit dem Smartphone, wer sich daran gewöhnt hat, will es nicht mehr missen.

Diesen artikel lesen Sie auch in AssCompact 04/2022, S. 96 f., und in unserem ePaper.

Bild: © Rawf8 – stock.adobe.com

 
Ein Artikel von
Henning Plagemann