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5. Oktober 2022
Versorgungsverpflichtungen auf Rentnergesellschaft auslagern?

Versorgungsverpflichtungen auf Rentnergesellschaft auslagern?

Sich von Versorgungsverpflichtungen zu lösen und diese in eine Rentnergesellschaft auszugliedern, klingt vorteilhaft: Die Bilanz wird entlastet, damit wird die Kapitalstruktur gestärkt und es entfällt langfristig Verwaltungsaufwand. Doch ist es auch empfehlenswert?

Ein Artikel von Margret Kisters-Kölkes, Rechtsanwältin und Steuerberaterin, Inhaberin der Rechtsanwaltskanzlei Kisters-Kölkes

Mit Urteil vom 11.03.2008 (3 AZR 358/06) hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden, dass Versorgungsverbindlichkeiten auf eine (reine) Rentnergesellschaft ausgegliedert werden können. Dies sei eine partielle Gesamtrechtsnachfolge, die mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam werde, auch dann, wenn die neu gegründete Gesellschaft unzureichend mit Mitteln ausgestattet worden sei. Eine Zustimmung der Versorgungsempfänger (und unverfallbar ausgeschiedenen Anwärter) oder des Pensions-Sicherungs-Vereins (PSVaG) sei nicht erforderlich (Randnummer 22). Nach Maßgabe des Spaltungsvertrages gehen das Aktivvermögen und die Versorgungsverbindlichkeiten auf den übernehmenden Rechtsträger über.

Da die umwandlungsrechtlichen Vorschriften den Gläubigerschutz nicht umfassend regeln, müssten arbeitsvertragliche Schutzpflichten zugunsten der Betriebsrentner greifen, die auch über die in § 133 Abs. 3 Satz 2 Umwandlungsgesetz geregelte Zehn-Jahres-Frist der gesamtschuldnerischen Haftung hinausgreifen (Rn. 44). Die im Arbeitsverhältnis begründete Rücksichtnahmepflicht führt zu der Nebenpflicht des bisherigen Arbeitgebers, die abgespaltene Rentnergesellschaft ausreichend mit Mitteln auszustatten. Eine hinreichende Ausstattung liegt vor, wenn bei einer realistischen betriebswirtschaftlichen Betrachtung die Rentnergesellschaft genügend leistungsfähig ist (Rn. 47). Da betrieb­liche Altersversorgung in der Sache ein versicherungsähnliches Risikogeschäft ist, ist ähnlich wie bei einer Versicherung bei der Bewertung der Aktiva und Passiva Vorsicht geboten (Rn. 48). Deshalb sind die Versorgungsverbindlichkeiten mit den Sterbetafeln der Versicherungswirtschaft zu bewerten. Dies gilt nicht nur für kleine Rentnerbestände, sondern auch für große (Rn. 49). Damit ist die Anwendung der Heubeck-Tafeln ausgeschlossen.

Der Rechnungszinsfuß muss nicht den Regelungen der Deckungsrückstellungsverordnung (§ 2 DeckRV = Zins: 0,25%) entsprechen. Stehe für die vernünftige kaufmännische Beurteilung eine Bandbreite zwischen 3% und 6% als Abzinsungssatz zur Verfügung, sei die Untergrenze der Bandbreite zugrunde zu legen (Rn. 51). Nach Einführung des Marktzinses in § 253 HGB kann nur dieser zugrunde gelegt werden. Da die Ausdehnung des Betrachtungszeitraums von sieben auf zehn Jahre keine Einschränkung des Vorsichtsprinzips ist (Bundestagsdrucksache 18/7584, 149), kann nur der Rechnungszins aus dem Sieben-Jahres-Durchschnitt verwendet werden, folgt man der Logik des BAG.

Da der Gesetzgeber für Rentnergesellschaften keine Anlagevorschriften geschaffen habe, bestehe bei ihnen eine größere Freiheit in der Kapital­anlage als bei Versicherungsunternehmen, denn Rentnergesellschaften müssten sich nicht aus der Geldanlage finanzieren (Rn. 63). Die Finanzierung müsse langfristig gesichert sein (Rn. 65). Deshalb sei bei der Ausstattung auch die Anpassung nach § 16 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) zu berücksichtigen (Rn. 66 ff.). Dabei sei der durchschnittliche Kaufkraftschwund der letzten 20 Jahre zu berücksichtigen.

Eine nicht ausreichende Ausstattung führt zu Schadensersatzansprüchen, die klageweise durchgesetzt werden können, sobald Anpassungen unterbleiben (Rn. 61 ff.).

Enthaftung des ehemaligen Arbeitgebers?

Aus diesem Urteil wird abgleitet, dass der Käufer der Anteile an der Rentnergesellschaft den ehemaligen Arbeitgeber „vollständig und final“ enthaften könne. Die vollständige rechtliche Enthaftung trete nach Ablauf von zehn Jahren ein. Die Ausfinanzierung liege nahe dem Buchwert nach internationalen Rechnungsvorschriften (IFRS) und sei damit geringer als bei den versicherungsförmigen Durchführungswegen oder bei Liquidationsversicherungen. Zudem bleibe der Insolvenzschutz über den PSVaG erhalten.

Zwischen Werbeaussagen und juristischer Wertung besteht ein deutlicher Unterschied.

Schadensersatzanprüche verjähren gemäß § 199 BGB nach Ablauf von drei bis 30 Jahren, wobei die letztgenannte Frist dann greift, wenn erst Jahre später festgestellt werden kann, dass ein Anspruch auf Schadensersatz vorliegt. Ist die Rentnergesellschaft nicht ausreichend ausgestattet worden, ist das schadensstiftende Ereignis die Eintragung der Rentnergesellschaft in das Handelsregister. Die Ausstattung mit dem IFRS-Buchwert dürfte die Rentnergesellschaft jedenfalls zehn Jahre bestehen lassen. Aber danach? Der IFRS-Buchwert wird vielfach mit den Heubeck-Richttafeln gerechnet, nicht mit den Sterbetafeln der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV). Daraus ergibt sich bereits eine Unterbewertung. Der IFRS-Zins beträgt im Juni 2022 3,39%. Handelsrechtlich ist aber ein Zins von 1,38% (Quelle: Mercer) geboten, sodass auch dies zu einer Unterbewertung führt. Ob überhaupt IFRS-Bewertungen maßgeblich sein können, werden die Gerichte entscheiden müssen. Das BAG hat bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage gemäß § 16 BetrAVG Zweifel geäußert, weil diese Jahresabschlüsse nicht dem Gläubigerschutz dienen (12.12.2017, 3 AZR 305/16, Rn. 55). Wenn der Erwerber der Geschäftsanteile nicht dafür bürgt und Sicherheiten stellt, dass durch die Kapitalanlage ausreichende Erträge erzielt werden, könnte dies für den ehemaligen Arbeitgeber teuer werden, wenn er Schadens­ersatz leisten muss. Die Aussage, die Auslagerung sei günstiger als eine Versicherungslösung, ist dann infrage zu stellen.

Von einer finalen Enthaftung kann also nicht die Rede sein.

Aufsichtspflicht oder keine Aufsichtspflicht?

Ebenso bedarf die Aussage, es gebe kein Zustimmungserfordernis der Aufsichtsbehörden, einer Überprüfung. Die Abspaltung der Rentnergesellschaft ist sicher nicht zustimmungspflichtig. Aber der Erwerber der Geschäftsanteile betreibt ein Versicherungsgeschäft, wenn sein Geschäftszweck auf die „Verwaltung“ von Rentner­gesellschaften ausgerichtet ist und es zu einem mehrfachen Erwerb kommt. Mit dieser Aufsichtspflicht musste sich das BAG gar nicht befassen. Letztlich muss über die Aufsichtspflicht die BaFin entscheiden. Jedenfalls zeigt § 4 Abs. 5 BetrAVG, dass eine endgültige Freistellung des Arbeitgebers nur möglich sein soll, wenn Versorgungsverpflichtungen auf ein Versicherungsunternehmen übertragen werden.

Empfehlung zur Auslagerung

Deshalb: Die Auslagerung von Versorgungsverpflichtungen auf eine Rentnergesellschaft und der anschließende Verkauf der Anteile sollten jedenfalls für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer nicht in Erwägung gezogen werden. Es besteht die Gefahr, dass keine ausreichenden Mittel lebenslang zur Verfügung stehen. Es gibt für diesen Personenkreis keinen Insolvenzschutz über den PSVaG.

Auch bei normalen Arbeitnehmern sollte eine Entscheidung zur Auslagerung intensiv geprüft werden. Es gibt nämlich Möglichkeiten zur Bilanzentlastung, die wirtschaftlich gleichwertig sein können: die Auslagerung auf einen Pensionsfonds oder eine Treuhandlösung mit Saldierung gemäß § 246 HGB.

Diesen Artikel lesen Sie auch in der AssCompact Sonderedition Betriebliche Versorgung (09/2022), S. 14 f., und in unserem ePaper.

Bild: Margret Kisters-Kölkes, Rechtsanwaltskanzlei Kisters-Kölkes

 
Ein Artikel von
Margret Kisters-Kölkes